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Ukraine-Hilfen nach McCarthy-AbwahlDie Zeit ist nicht ihr Freund

Mit der Abwahl des Sprechers des Repräsentantenhauses stehen auch die Ukraine-Hilfen auf der Kippe. Die nächsten Wochen seien aber noch gesichert.

Seite an Seite: Wolodimir Selenski bei seinem jüngsten Besuch in Washington am 21. September Foto: Evan Vucci/ap

Berlin taz | Nach der beispiellosen Abwahl des republikanischen Sprechers des Repräsentantenhauses am Dienstag beeilte sich US-Präsident Joe ­Biden, Vertrauen in die Zuverlässigkeit der USA bei der Unterstützung der Ukraine zu verbreiten.

Bei einer Telefonkonferenz im Weißen Haus erklärte der US-Präsident zahlreichen verbündeten Staats- und Regierungschefs, die derzeit noch zur Verfügung stehenden Finanzmittel reichten aus, um die Ukraine noch einige Wochen zu unterstützen. Und das, obwohl der 45-Tage-Zwischenhaushalt, auf den sich eine überparteiliche Mehrheit im Kongress Ende vergangener Woche geeinigt hatte, zunächst keine weiteren Gelder für die Ukraine vorsieht.

Immer mehr Abgeordnete sprechen sich gegen weitere Ukraine-Hilfen aus

Der Kommunikationsdirektor des nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, John Kirby, erläuterte am Dienstag, die aktuelle, vom Kongress bewilligte Tranche reiche womöglich auch „ein paar Monate“ – aber das hänge von den Gegebenheiten auf dem Schlachtfeld in der Ukraine ab. Die Zeit sei jedenfalls „nicht unser Freund“, sagte Kirby. Jede Lücke in der US-Unterstützung könnte Kremlchef Wladimir ­Putin zur Annahme verleiten, dass er „uns aussitzen kann“.

Verhandlungen über weitere Finanzmittel und Militärhilfe für die Ukraine müssen also bald erfolgen, und das geht erst, wenn das Repräsentantenhaus durch die Wahl einer McCarthy-Nachfolge überhaupt wieder handlungsfähig ist. Die nächsten Tage, bis ab kommendem Dienstag eine neue Spitze gewählt werden soll, werden von intensivem Machtpoker hinter den Kulissen der republikanischen Fraktion geprägt sein – welche Rolle das Thema der Ukrai­ne-Hilfe dabei genau spielen wird, ist von außen schwer einzuschätzen.

Trump-Anhängerin: in Kyjiw herrsche eine Nazibande

Denn es sind weit mehr als jene acht republikanischen Abgeordneten, die gemeinsam mit den Demokraten für die Absetzung Kevin McCarthys sorgten, die sich immer offener gegen die weitere Unterstützung der Ukraine einsetzen. Marjorie Taylor Greene etwa, die QAnon- und Trump-Anhängerin, war innerhalb der ultrarechten Kreise der Fraktion eine der wichtigsten Verbündeten McCarthys – verbreitet aber in Sachen Ukraine das Narrativ, in Kyjiw herrsche eine aggressive Nazibande und hat bereits mehrfach gegen weitere Finanzmittel gestimmt.

Als Ukraines Präsident Wolodimir Selenski bei seinem jüngsten Besuch in Washington darum bat, erneut beide Kammern des Kongresses direkt adressieren zu können, lehnte McCarthy das ab – man habe dafür keine Zeit.

Im Senat steht zwar der republikanische Fraktionschef Mitch McConnell durchaus fest für die Ukraine ein – aber sein Alter, sein Gesundheitszustand und die Senatswahlen im kommenden Jahr sprechen dafür, dass auch er Schwierigkeiten haben wird, seine Fraktion eindeutig auf Kurs zu halten. Im Senat halten die Demokraten allerdings bei einer 50:50-Sitzverteilung im Zweifel durch die entscheidende Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris noch die Mehrheit.

Für Joe Biden und die Ukraine wird es jedenfalls essentiell sein, mit der neuen Führung im Repräsentantenhaus schnell zusammenzuarbeiten. Wie viele Zugeständnisse die Regierung dafür ein Jahr vor den nächsten Wahlen zu machen bereit ist, dürfte ein Aushandlungsprozess werden.

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19 Kommentare

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  • "Falls für ihn etwas schiefgeht, droht eine Rückkehr Donald Trumps ins Oval Office."

    Ich hab' da mal eine Frage - hat die demokratische Partei denn einen Kandidaten am Start, der bessere Chancen hat, Trump zu schlagen, als Joe Biden sie hat? Und würde der/ die, wenn das Wunder von Trumps Niederlage geschähe, denn fortsetzen (können) was der Herr Hockenoss hier so über den grünen Klee lobt?

  • @ Ajuga und @Berglandraupe.

    Dass die Briten das nich selber stemmen können, wissen sie (hab ja ebendazu ihren Vert.minister zitiert). Aber sie sicheinen die einzige Power, die noch WILL.

    Und @Gnutellabrot hat ja nu zurecht drauf hingewiesen, was zu tun ist. Da die USA, wenn nicht jetzt, dann demnächst nicht mehr wollen werden, und dann auch nicht werden müssen müssen.



    Europas Achse (mensch entschuldige den historisch fehgeleiteten Anklang) läuft nu ma, Nord-Süd wie Ost-West, durch die Mitte, und da sitzen die Polen, und da sitzen WIR. Wenn wir nich tun, tut keiner. Wenn wir nicht genug tun, KANN niemand sonst genug tun. Die Polen kaufen grad Waffen, für die sie gar keine Soldaten haben werden; dasselbe Problem haben w i r grad noch nicht - wenn wir wenigstens Waffen kaufen würden. Aber natürlich sind Massenkriege wie der in der Ukraine mit unrer Mini-Wehr nicht zu bewältigen, und das verhindert das Notwendige: eine glaubwürdige Verhinderung solch einen Krieges, good old vulgo Abschreckung eben.

  • Dass die Demokraten den Speaker absägen, anstatt den Putsch kalt auflaufen zu lassen und ungerührt mit der Mehrheit der Republikaner FÜR ihn zu stimmen, is ja sowasaberauch von ins-eigene-Knie-geschossen, gerade was die Ukraine angeht. Die scheinen in etwa genausoblöd wie die Teapartyisten. Persönlich nachtragend statt Politik.

    @ Gnutellabrot "...muss sich Europa militärisch von den USA unabhängig machen" Extrembräsige bis vollzeitschlafdösige Poltik in D-Land wird da nix bewegen (wollen)/ sich nich trauen/ durcheinanderwurschteln/ im Verbalen steckenbleiben. Man denke an die 500 Helme ... , das ist keine 2 Jahre her! Kapieren, dass WIR nun der einzig mögliche BicMac des Kontinents wären (Lage, Größe, Noch-Reichtum ...), weils sonst niemand allein kann, das is den üblichen an der Spree versammelten Figuren kaum zuzutrauen. Kennwerjaschon.



    Es wird zunehmend an den Briten (*) allein hängenbleiben, die Dauerunterstützung für die Ukraine - und schnellstmöglich die Verteidigung Europas - zu organisieren. Da müssen die jetzt nen Schnellstart hinlegen. Hoffen wir, dass andere ihnen wenigstens folgen werden.



    Und diese Briten beginnen grad die spannende Frage zu diskutiueren, dass sie im eigenen Land für eine Wiederaufnahme und Ausweitung der Rüstungsproduktion überhaupt keine INDUSTRIELLE BASIS mehr haben. Guardian, grad vorgestern -"... defence minister James Heappey [...] said there simply was no means in the UK to repurpose its locomotive factories into tank manufacturing, or civilian aircraft manufacturing into military manufacturing." www.theguardian.co...7b8f0879661fd1eef6

    (*)Russia-Ukraine war: British PM urges west to equip Ukraine to ‘finish the job’ - www.theguardian.co...yansk-kursk-moscow

    • @lesnmachtdumm:

      Die Briten haben dafür nicht die Kapazität. Weder was die Produktion, noch die Monetären Ressourcen angeht.

    • @lesnmachtdumm:

      Och, die USA haben genug russische Oligarchengelder auf Eis liegen, um die Ukraine ganz ohne Zustimmung der GOP noch eine geraume Zeit zu finanzieren.

      Macht man natürlich nicht *gerne*, case law und so weiter.

  • Zwei Anmerkungen:



    1. Dass die Zeit nicht auf Seiten der Ukraine ist, hat in einer "Council on Foreign Relation"-Debatte schon der eingeladene General ret. Twitty erklärt.



    Das war so gegen APRIL/MAI 2022.



    2. Das Problem ist, dass der Westen das wahre Ausmaß der Nazi-Problematik in der Ukraine leugnet, weil man keine russischen Narrative bedienen will. Und das führt dann zu Ehrungen eines SS-Mannes im Parlament Kanadas, die genau diese Narrative stützen. Dann lesen Menschen von Bandera-Denkmälern (www.uni-augsburg.d...-bandera-denkmal/) usw.



    Oder von Asow www.juedische-allg...nazis-gegen-putin/.



    Da entsteht dann der Eindruck, dass etwas vertuscht werden soll.



    Würde man ehrlich sagen: "Ja, in der Ukraine, speziell Galizien haben Ultranationalisten viel Einfluss. Aber wir müssen den Liberalen Demokraten dabei helfen, eine vollwertige Demokratie zu schaffen." Dann wäre das viel glaubwürdiger als "Das ist alles Russenpropaganda." Denn die Russen übertreiben zwar maßlos und absolutieren (ist ja auch Propaganda), aber es gibt auch einen wahren Kern.

  • Das wäre der richtige Zeitpunkt für die europäischen Länder, der Ukraine jetzt richtig und umfassend militärisch zu helfen.

    Parallel dazu muss sich Europa militärisch von den USA unabhängig machen. Sobald Trump wieder regiert, ist es vorbei mit dem Schutz durch die USA.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Dafür müsste man die eigene Bequemlichkeit aufgeben. Das wird glaube ich nicht passieren. Die Polen, Balten, Skandinavier die bereiten sich vor. Deutschland will weiter in Ruhe schlafen und hofft das Putin morgen vernünftig wird. Sollte er es nicht werden, und so etwas machen wie das Baltikum angreifen dann gute Nacht.

      • @Machiavelli:

        Das die Russen das Baltikum angreifen halte ich für quatsch, klar weiß mann nie wie Irre "der Alte" ist.

        Aber ein Angriff auf die Nato würde mit Art.5 den letzten Weltkrieg auslösen. Deswegen hat Putin ja auch vor und nicht nach einem NATO beitritt der Ukraine diese angegriffen.

        • @Berglandraupe:

          Solange die USA in der NATO sind nein. Sollten sie unter Trump die NATO verlassen halte ich die Wahrscheinlichkeit für über 50%. Europa wäre nicht alleine fähig das Baltikum zu verteidigen, bzw. zu befreien. Außerdem gäbe es eine beispiellose social media kamapagne russlands. Die Balten seien Nazis und sowieso sei das schon immer Teil Russlands gewesen und Dritter Weltrkrieg etc. Ich habe null vertrauen in meine Mitbürger nicht ganz Osteuropa für Ruhe und billige Energie an Russland zu verkaufen.

  • Dass in der Ukraine bestimmte Kults gepflegt werden, ist doch bekannt. Und wer Bandera verehrt ist alles nur nicht links und auch nicht Mitte.

    • @Frankenjunge:

      Und wer in den USA - wie die Trump-Vertraute Marjorie Taylor Greene - behauptet, in Kiew herrsche eine Nazi-Bande (und damit das Narrativ des Aggressors Putin bedient), kann nun auch nicht gerade für sich reklamieren, ein Antifaschist zu sein.



      Die Aufarbeitung der ukrainischen Geschichte überlassen wir mal besser den Ukrainern selbst. Hierzulande haben wir - vor dem Hintergrund zunehmender antisemitischer und rassistischer Aktivitäten - weiß Gott wenig Anlass, anderen Belehrungen zu erteilen, wie sie mit den dunklen Kapiteln ihrer Vergangenheit umzugehen haben.

    • @Frankenjunge:

      Flaggen von Banderas Organisation hängen nicht vor dem ukrainischen Parlament, genauso wenig wie seine Bilder in Ministerien. Manche Ukrainer sehen in ihnen einen Helden der für die Unabhängigkeit gekämpft hat, andere Verbrechen werden ausgeklammert. Gab und gibt es in jedem Land.



      Aber Rechtsextreme bestimmen in der Ukraine nicht die Politik und das politische System ist auch nicht Faschistisch. Ich finde es schwach, immer wieder die Ukraine darauf zu reduzieren, dass einige dort ein sehr eindimensionales Bild von Bandera haben haben. Kritik daran gibt es auch im Land genug. Aber es dürfte auch nicht überraschen, dass sich ein Volk im Überlebenskampf schräge Vorbilder sucht.



      Das relativiert die Verbrechen Russlands auf übelste weise und gibt ihnen sogar den Anstrich einer gewissen Legitimität, aber das sind sie nicht.



      Es ist Russlands Staatssystem tatsächlich immer mehr einem faschistischen ähnelt, die pflegen dort einen merkwürdigen Kult mit verheerenden Folgen. Inklusive der Verheerung vieler Kriegsverbrechen, inklusive Putin...welcher schon in Friedenzeiten hunderte Menschen ermorden lies.



      Links wie Rechts...es ist erschreckend, dass es auf beiden immer noch so viele gibt, dass aus rein ideologischen Gründen Russlands verbrechen relativieren oder gar gut heißen. Die einzige Konstante ist bei beiden, dass der Westen schuld.



      Wenn die Ukraine verliert, werden allein nach Deutschland zig Millionen Ukrainer fliehen...welche nie wieder zurückkehren. Ich bin gespannt wie es den rechten Russlandfreunden gefällt. Und die die in der Ukraine bleiben, die können sich wie in den schon besetzen Gebieten auf Massenhinrichtungen, Folter und "Umerziehungslager" freuen. Bin gespannt wie die Wagenknechts unter uns dies dann wieder relativieren.

      • @Johnny Hah:

        Oh, oh, wenn Sie sich da mal nicht irren! Alleine der frenetisch und lang anhaltende Beifall im kanadischen Parlament, auch und besonders von Selenskyj, spricht für sich. Und keiner kann mir erzählen, dass man nicht wusste, wem der Beifall galt.

      • @Johnny Hah:

        Neofaschisten haben in der Ukraine aktuell weniger Einfluss auf die Politik, als sie in Russland, Deutschland und den USA haben.

        Das ist eine Tatsache.

        • @Ajuga:

          Und die Brigade Asow sind wohl Friedensengel?

  • Die Ukraine entwickelt sich für die internationale Rechte immer mehr zu dem, was Vietnam für die internationale Linke war. Wie damals geht's auch hier um Frieden und den Kampf gegen den Westen. Passenderweise wimmelte es auf der gestrigen Rechten-Demo zum 3. Oktober in Berlin nur so vor Fahnen mit Tauben. Imagine von John Lenon wurde auch gespielt.

    • @melly:

      In Sachen Themen-Kaperung und Umdeutung der Geschichte waren die Rechten schon immer ziemlich kreativ. Das muss man ihnen lassen.



      Und leider Gottes finden sich auch immer genügend irrlichternde Linke, die allzu bereit sind, darauf hereinzufallen und auf der braunen Schleimspur zu kriechen. Hauptsache, es geht gegen die pöhsen USA und den westlichen Imperialismus.

    • @melly:

      Das stimmt nicht, die Rechte ist in dieser Frage genauso gespalten wie die Linke: der III. Weg, die spanische Vox oder auch Meloni sind dezidiert proukrainisch, die beiden letztgenannten orientieren auch auch außenpolitisch transatlantisch.