piwik no script img

Niedriglohnsektor im Osten größerDeutsche Einheit? Nicht beim Lohn

Laut Statistischem Bundesamt verdient je­de:r fünfte Ostdeutsche weniger als 13 Euro pro Stunde. Linken-Fraktionschef Bartsch fordert eine Lohnangleichung.

Horizonte öffnen? Lohngleichheit zwischen Ost und West wäre ein Anfang Foto: Marcus Brandt/dpa

Osnabrück afp/dpa | Auch 33 Jahre nach der Wiedervereinigung ist der Niedriglohnsektor im Osten einem Bericht zufolge deutlich größer als im Westen. So verdient knapp je­de:r fünfte Ostdeutsche derzeit weniger als 13 Euro brutto pro Stunde, wie aus einer von der Linksfraktion im Bundestag in Auftrag gegebenen Sonderauswertung des Statistischen Bundesamts hervorgeht, über die die Neue Osnabrücker Zeitung berichtet. Demgegenüber verdient in den westdeutschen Bundesländern weniger als je­de:r Sechste weniger als 13 Euro brutto pro Stunde.

Knapp eine Million von insgesamt fünf Millionen Beschäftigten im Osten erhielten weniger als 13 Euro. Betroffen sind demnach vor allem Frauen in den neuen Bundesländern, von denen deutlich mehr als jede fünfte (21,4 Prozent) unterhalb dieses Betrags liegt. Insgesamt zeigen sich dem Bericht zufolge bei allen abgefragten Stundenlöhnen deutliche Unterschiede zwischen Ost und West.

„Das Land ist von einer Lohneinheit weit entfernt“, sagte der Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch, der die Anfrage gestellt hatte, der Neuen Osnabrücker Zeitung. Er forderte einen Mindestlohn von 14 Euro ab dem 1. Januar 2024. Die für Anfang des kommenden Jahres geplante Anhebung auf 12,41 Euro sei „eine politische Unverschämtheit und ein herber Reallohnverlust“.

Vor dem Tag der Deutschen Einheit rief Bartsch zudem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dazu auf, ein Spitzentreffen zu Ostdeutschland einzuberufen. „Die Unzufriedenheit im Osten kocht über“, sagte Bartsch den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. „Es braucht einen Ostdeutschland-Gipfel im Kanzleramt.“

Feier zum Tag der Deutschen Einheit

Die Bundesregierung müsse „eine spürbare Wende ihrer Politik hinlegen, wenn es nicht ein politisches Desaster bei den Landtagswahlen im Osten im kommenden Jahr geben soll“, sagte Bartsch den RND-Zeitungen. Nötig seien eine konsequente Antiinflationspolitik, eine Angleichung der Löhne in Ost und West bis 2025 und eine Reform des Rentensystems.

Im kommenden Jahr wird in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gewählt. In allen drei Bundesländern war die AfD in Wahlumfragen aus den vergangenen Wochen stärkste Kraft.

Unterdessen hat bereits an diesem Montag mit der Eröffnung eines Bür­ge­r:in­nen­fests in Hamburg die zentrale Feier zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober begonnen. Bei dem Fest rund um Rathaus und Binnenalster will sich die Stadt zusammen mit rund 400 Part­ne­r:in­nen und Ak­teu­r:in­nen in einem bunten Programm als vielfältige, nachhaltige, welt- und zukunftsoffene Metropole präsentieren.

„Diese Stärken wollen wir einbringen, um gemeinsam neue Horizonte zu öffnen“, heißt es im Grußwort von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), der auch Bundesratspräsident ist. Als Vorsitzland im Bundesrat richtet Hamburg in diesem Jahr die 33. Einheitsfeier aus. Hunderttausende Be­su­che­r:in­nen werden erwartet.

Höhepunkt der Einheitsfeierlichkeiten ist am 3. Oktober der Festakt in der Elbphilharmonie. Neben Gastgeber Tschentscher wird in diesem Jahr Bundesverfassungsgerichtspräsident Stephan Harbarth eine Festrede vor den rund 1.300 Gästen, darunter die gesamte Staatsspitze und die Re­gie­rungs­che­f:in­nen der Länder, halten.

Die Feier zum Tag der Deutschen Einheit bildet Schluss- und Höhepunkt der Bundesratspräsidentschaft. Am Dienstag wird Bürgermeister Tschentscher den Staffelstab symbolisch an Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (beide SPD) übergeben, die das Amt der Bundesratspräsidentin am 1. November übernehmen wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Genau diese Wirtschaft, welche sich immer als Opfer präsentiert, für die genug aber nie genug ist, hat sich auch an der Einheit bereichert. Es gibt kein Unternehmen dem es vorgeschrieben ist wie viel es seinen Arbeitnehmern an Gehalt zahlt, denn wer will der kann , weil er darf.

  • Das Lohnungleichgewicht liegt wohl eher an den Mangel an Weltfirmen mit entsprechenden Gehältern, als an den Löhnen an sich. Und vielleicht, auch nur ganz vielleicht, wollen sich Weltfirmen nicht in einer Gegend ansiedeln, wo Talente aus dem Ausland sich nicht wohl fühlen.

  • Herr Bartsch hat die Sache mit dem Kapitalismus noch nicht so richtig verstanden. Die Ungleichheit beim Lohn resultiert aus der ungleichen Verteilung produktiver Unternehmen. Das lässt sich nicht steuern.

  • "Deutsche Einheit? Nicht beim Lohn"

    Bei den Führungspositionen auch nicht.



    Und viele der politischen Köpfe kommen ja auch aus "dem Westen".