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Wirtschaft will im Weltraum wachsenVon der Nordsee ins All

Eine Testrakete soll im April von einem Schiff abheben. Mit der kommerziellen Raumfahrt sieht die Wirtschaft noch Wachstumspotential.

Rocket Science in Bayern: Raumfahrtunternehmen Isar Aerospace in Ottobrunn Foto: Marijan Murat/dpa

Berlin taz | Im April ist es so weit. Dann startet erstmals eine Rakete von Deutschland aus ins All. Abheben wird sie in der Nordsee von einem Schiff aus, wie Siegfried Russwurm, Präsident des Industrieverbands BDI, zum Start des Weltraumkongresses in Berlin sagte. Noch ist es ein Testflug, doch das Bremer Firmenkonsortium hinter der Idee verspricht sich in Zukunft deutlich mehr Starts und gute Geschäfte. Die mobile Startrampe ist Teil des New Space, der Kommerzialisierung der Raumfahrt.

Immer mehr Industrien setzen auf das All: Weil sie den Überblick haben, liefern Satelliten präzise Wetterdaten, um Wind- und Solaranlagen effizienter betreiben zu können. Schienennetze und Straßen können aus dem All untersucht werden. Autonomes Fahren ist auf dauerhaft stabile Kommunikation angewiesen. Und Daten zu Bodengüte, Wetter und Pflanzenwachstum helfen der Landwirtschaft, Felder präziser zu bewirtschaften.

Geplant sind fliegende Fabriken und Bergbau auf dem Mond. Hatte der Markt für Dienste über Satelliten 2021 noch einen Umfang von 320 Milliarden Euro weltweit, schätzt ihn die Beratungsfirma Roland Berger auf 1,25 Billionen Euro im Jahr 2040.

Um solche Dienste anbieten zu können, sind ganze Schwärme von Satelliten nötig und günstige Raketen, die sie in schneller Folge ins All bringen. Weltweit versuchen Unternehmen, Satelliten zu verkleinern und industriell in großen Mengen herzustellen, um die Kosten zu senken. Und auch Raketen sollen kleiner und billiger werden, allein in Deutschland entwickeln drei Firmen solche Microlauncher.

Die Wirtschaft zweifelt an der Raumfahrtstrategie der Bundesregierung

All die Raketen müssen auch in den sogenannten Low Earth Orbit (Leo) in gut 500 Kilometer Höhe geschossen werden. Schweden und Norwegen haben sehr weit im Norden bereits Raketenstartplätze, auf der schottischen Insel Unst entsteht gerade ein weiterer. Das deutsche Festland ist zu dicht besiedelt, bleibt die Nordsee. Hinter dem Konsortium, das ein Schiff als Startplatz anbietet, stehen unter anderem die Spezialreederei Harren Group, der Satellitenbauer OHB und BLG Logistics aus Bremen. Startplatz ist ein Entenschnabel genanntes Gebiet am äußersten Rand der ausschließlichen Wirtschaftszone Deutschlands.

„Wer im All nicht vorne mit dabei ist, wird auf der Erde kein Technologieführer sein“, sagte BDI-Präsident Russwurm. Noch entwickelt sich die Industrie weltweit, doch es zeichnet sich bereits ab, dass Deutschland seine gute Position kaum halten wird. So investieren die USA, Frankreich und China deutlich mehr öffentliches Geld in den Raumfahrtsektor als Deutschland. Die Idee: Der Staat bestellt, die Privatwirtschaft findet Lösungen. Gerade hat die Bundesregierung das Budget für Raumfahrt sogar gekürzt. Dabei sind Raumfahrt und New Space im Koalitionsvertrag als zentrale Zukunftstechnologien festgelegt. Zweifel daran, ob Deutschland es mit der Raumfahrt ernst meint, bremsen die Branche hierzulande, wie die Roland-Berger-Studie ermittelt hat.

Und dann ist da noch die Umwelt. Mehr Starts und mehr Satelliten bringen auch mehr Weltraumschrott. Schon jetzt kreisen viele Altsatelliten und Raumschiffreste in einer Art Müllorbit um die Erde. Ab und an stürzt ein Teil ab. Das macht derzeit 3 Prozent allen Materials aus, das in die Atmosphäre eintritt, wie eine Studie der Universität Braunschweig ergab. Es könnten bis zu 40 Prozent werden. Die Folgen etwa für die schützende Ozonschicht sind noch unklar.

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9 Kommentare

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  • taz: "Eine Testrakete soll im April von einem Schiff abheben. Mit der kommerziellen Raumfahrt sieht die Wirtschaft noch Wachstumspotential. [...] Geplant sind fliegende Fabriken und Bergbau auf dem Mond."

    'Fliegende Fabriken und Bergbau auf dem Mond'. Natürlich, denn es reicht ja noch nicht, dass der Wirtschaftswachstumswahnsinn unsere Meere schon mit Plastik vermüllt hat und das Industrien die Flüsse chemisch verseucht haben und Wälder wegen sinnlosen Fabriken immer noch abgeholzt werden. Nein, das alles reicht noch nicht, denn jetzt muss auch noch der Weltraum vermüllt werden, damit das Monopolyspiel der Manager und der Aktionäre weitergehen kann. Zum Glück macht der Klimawandel diesem Irrsinn aber bald ein Ende.

    • @Ricky-13:

      Stimmt! Es reicht noch lange nicht! Die einen fliegen zum Mond, die anderen jammern. Wieso ziehen Sie nicht einfach in eine Höhle in Sibieren? fernab von sinnlosen Fabriken? Zum Glück kann auch der Klimawandel den Fortschritt nicht aufhalten.

      • @Einar Loftsson:

        "Zum Glück kann auch der Klimawandel den Fortschritt nicht aufhalten."

        Ihr 'Fortschrittsglauben', dem sich sogar der Klimawandel beugen soll, ist schon sehr amüsant.

        *Treffen sich zwei Planeten im Weltall. Sagt der eine zum anderen: Siehst schlecht aus. Sagt der andere: Ja, ich habe Homo sapiens. Sagt der Erste: Hatte ich auch mal. Keine Angst, das geht vorbei.*

    • @Ricky-13:

      Im Weltraum ist alles nur Müll, nämlich nur Staub und Steine. Alles, was wir dorthin schaffen, ist schlimmstenfalls ein wenig mehr Zeug, das nicht weniger natürlich ist als alles andere.

      Wer glaubt, dass man den Weltraum "verschmutzen" kann, hat eine sehr romantische Vorstellung von Naturschutz.

      Atmosphärische Verschmutzung ist ein ganz anderes Thema.

      • @Mustardman:

        'Staub und Steine' ist kein Müll. Müll im Weltraum ist allerdings ein Tesla Roadster. 2018 entschied sich Elon Musk einen Tesla Roadster als "Werbegag" ins Weltall zu schießen. Auch jetzt (2023) schwebt dieser "Teslamüll" immer noch im Weltraum herum. Warum durfte Elon Musk das eigentlich machen? Die Antwort ist ganz einfach, denn Elon Musk ist ein schwerreicher Mensch und sehr reiche Menschen dürfen nicht nur den Planeten Erde "vermüllen", sondern seit einiger Zeit auch noch den Weltraum. Und der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. möchte natürlich auch wieder ganz vorne mit dabei sein den geostationären Orbit der Erde - aus Profitgier - auch noch zu vermüllen. Wenn man sich über so etwas aufregt, dann hat das auch nichts mit einer "romantischen Vorstellung von Naturschutz" (oder in diesem Fall 'Weltraumschutz') zu tun, sondern ist verantwortungsvolles Denken den nachfolgenden Generationen gegenüber.

        Was haben Sie eigentlich an dem letzten Absatz im obigen taz-Artikel nicht verstanden? taz: "Mehr Starts und mehr Satelliten bringen auch mehr Weltraumschrott. Schon jetzt kreisen viele Altsatelliten und Raumschiffreste in einer Art Müllorbit um die Erde. Ab und an stürzt ein Teil ab. Das macht derzeit 3 Prozent allen Materials aus, das in die Atmosphäre eintritt, wie eine Studie der Universität Braunschweig ergab. Es könnten bis zu 40 Prozent werden. Die Folgen etwa für die schützende Ozonschicht sind noch unklar."

        • @Ricky-13:

          Dieser Tesla ist dort draußen genau so viel oder wenig Müll wie alles andere dort draußen.

          Eigentlich weniger Müll, weil mehr eher seltene Elemente sehr eng beieinander. Wer das nicht versteht, der geht damit nur romantisch um.

          Die atmosphärische Verschmutzung ist eine andere Sache, wie ich ja ausdrücklich gesagt habe. Das aber auch nur uns wegen, nicht der Erde wegen. Der ist das alles völlig egal und sie hat schon viel Schlimmeres erlebt.

  • Technologieoffen:



    "Gerade hat die Bundesregierung das Budget für Raumfahrt sogar gekürzt."



    Die Schwarze Null umbenennen in Gelbe Null.



    Dann passt's wieder.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    "Und dann ist da noch die Umwelt"

    Noch.



    Das Dings da. Wovon und worin wir schon immer und noch und künftig nur leben können.

    >>Überreste von Raumfahrzeugen und Satelliten Weltraummüll hinterlässt Spuren in der Hochatmosphäre



    Mit einem Spezialflugzeug haben Forschende Aerosolpartikel aus der Stratosphäre eingefangen und gezeigt: Die Teilchen enthalten auch von Menschen erzeugte Stoffe. Laut der Studie könnte das Folgen für das Klima haben.>Metals from spacecraft reentry in stratospheric aerosol particles

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @31841 (Profil gelöscht):

      Teil 2:



      www.spiegel.de/wis...d30725b938#ref=rss

      >>Metals from spacecraft reentry in stratospheric aerosol particles