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Tory-Parteitag in GroßbritannienRishi Sunak gegen den Rest

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Der moderne Staat, das bin ich: Der britische Premierminister setzt lieber auf seine frische Erscheinung als auf die Politik seiner Tories.

Premierminister Rishi Sunak bei seiner Rede auf dem Tory-Parteitag am 4. Oktober Foto: Toby Melville/reuters

V erbraucht, ideenlos, zerstritten, eitel, entrückt, populistisch, machtgeil – die Beschreibungen, die in Großbritannien für die regierenden Konservativen kursieren, sind ein deutliches Zeichen, dass dreizehn Jahre an der Macht und vier von den eigenen Leuten gestürzte Premierminister eigentlich genug sein müssten.

Allgemein wird in Großbritannien ein Regierungswechsel 2024 erwartet, nicht zuletzt in den Reihen der Konservativen selbst, deren aktive Politiker mehr mit neuen Karrieren ab dem nächsten Jahr beschäftigt erscheinen als mit dem glücklosen Regierungsgeschäft.

Nicht so Rishi Sunak. Der 2022 gekürte fünfte konservative Premier in Folge wirkt auch jetzt auf dem Jahresparteitag der Konservativen immer noch wie frisch aus dem Ei gepellt und wie ein aufstrebender Jüngling, der seine besten Jahre erst noch vor sich hat. Es gehört einiges dazu, sämtliche Labour- und Tory-Regierungen der vergangenen dreißig Jahre zu einer Ära des Stillstands zu erklären und eine Zeit des Wandels auszurufen, mit ihm selbst an der Spitze.

Aber es ist auch eine geschickte Art für Sunak, sich vom desaströsen Regierungsstil seiner Vorgänger im Amt und auch von den unappetitlichen Auftritten so mancher seiner Regierungskollegen der Gegenwart abzugrenzen, ohne damit gleich die Opposition in ein gutes Licht zu rücken.

Indem Sunak die Beharrungskräfte im eigenen Lager und in der Opposition in einen Topf wirft, stellt er seinem Hauptrivalen Keir Starmer eine nicht ganz einfache Hürde auf. Der wird zwar kommende Woche auf dem Labour-Parteitag in Liverpool problemlos noch mehr versprechen, aber dass die multikulturelle Realität Großbritanniens viel eher vom Führungspersonal der Tories verkörpert wird als von Labour, nimmt der britischen Linken eine der wichtigsten Angriffsflächen gegen rechts.

Der nächste britische Wahlkampf wird ein Kampf um Glaubwürdigkeit. Und je mehr er sich auf die beiden Chefs fokussiert, desto offener dürfte das Rennen ausfallen. Für beide dürfte die größte Gefahr in den eigenen Reihen lauern. Auch wie groß diese Gefahr ist, hat dieser konservative Parteitag deutlich gemacht.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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7 Kommentare

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  • @INGO BERNABLE

    Hmmm, ja. Dann müssten wir aber eine Definition dafür ausknobeln, was... kompliziert ist.

    Ich meinte damit die klassische Kernwählerschaft von (hierzulande) CDU & CSU, Tories in GB, Les Républicains in FR, in ES das PP, in IT die Christdemokraten.

    Natürlich mit Überschneidungen da hin, wo wir bei uns die Sozialdemokraten verorten (vgl. das traurige Beispiel Sarrazin).

    Alle erleben derzeit einen fast unwiderstehlichen Pull in das rechtspopulistische Schwarze Loch (nicht viel anders als in den 1920ern -- und meines Erachtens aus genau denselben Gründen).

  • @INGO BERNABLE

    Ich meine nicht die Konservativen über die ganze Geschichte. Aber in Zeiten, in denen die Ungleichheit so stark ist, dass sie die ihnen gewohnte Macht zu verlieren drohen, dann suchen sie ihr Heil in den Populisten: die Juden/Ausländer/Migrant*innen/Queers/Wokes/Linksgrünen sind's, nicht die Gier des Kapitals.

    Ich meine die Konservativen heute. In USA, in GB, in mehr und mehr Länder in der EU.

    Wie @STAVROS meine ich, dass das den Profiteuren einer "neoliberal ausgerichteten Gesellschaft" nutzt -- ich meine aber auch, dass diese Populismen in einer solchen auch besonders gut gedeihen.

    Symbiose, wenn mir die Metapher erlaubt ist.

    • @tomás zerolo:

      Nur weil die sich selbst als konservativ bezeichnen bedeutet das ja noch nicht, dass sie es auch sind. Die Rechtsradikalen nehmen ja auch für sich in Anspruch die 'bürgerliche Mitte' zu sein.

  • "dass die multikulturelle Realität Großbritanniens viel eher vom Führungspersonal der Tories verkörpert wird als von Labour, nimmt der britischen Linken eine der wichtigsten Angriffsflächen gegen rechts."

    Das ist leider eine etwas undifferenzierte Analyse, die so in Grossbritannien auch selten ernsthaft als Argument gebracht wird. Ob ein Multimillionär (Sunak), eine rechtsextreme Innenministerin (Braverman) oder eine ex-Bankerin (Badenoch) viel mit der "multikulturellen Realität" im Land zu tun haben, ist wirklich fraglich.

    Zitat Lester Holloway, Herausgeber von The Voice:



    "It is highly reductive to entirely base an assessment of whether Britain is racist on the success of a handful of Tory MPs."

    www.theguardian.co...deeply%20misguided

  • Sunak mag ja ein Widerling sein.

    Die Tories haben aber weitaus dickere Kaliber zu bieten. Derzeit scheinen sie wieder... Liz Truss [1] zu entdecken. Die Zeiten im Abklingbecken scheinen immer kürzer zu werden, bei den konservativen.

    Deren Endspiel können wir gerade in den USA begutachten: jede Form konstruktiver Regierung [2] unmöglich zu machen.

    Erste Anzeichen bei uns sind auch schon zu riechen [3].

    Die Konservativen scheinen gerade weltweit unter einer Art Todestrieb zu leiden und planen offensichtlich erweiterten Selbstmord.

    [1] www.theguardian.co...-the-failed-leader



    [2] www.theguardian.co...blicans-new-normal



    [3] taz.de/CDU-und-Zah...uechtete/!5959412/

    • @tomás zerolo:

      Ich denke eher nicht, dass Konservatismus, also das Streben nach dem Erhalt des Guten und ein eher bedacht-zögerlicher Umgang mit Veränderung, für die hier beschriebenen Entwicklungen die passende Kategorie ist. Vielmehr sind es doch eher klar populistische Strömungen, teils reaktionär, teils rechts-radikal, die eben nicht konservatives Bewahren im Sinn haben, sondern die Verhältnisse mehr oder weniger radikal umkrempeln wollen. Der sich aus dieser Stoßrichtung ergebende Konflikt mit den tatsächlich konservativen Kräften ist es doch, der derzeit etwa die US Republikaner zerreißt und - weniger ausgeprägt - auch in den gemäßigteren Teilen der Union zunehmend für Unbehagen sorgt.

      • @Ingo Bernable:

        Ja, das denke ich auch.

        Am Ende nutzen diese rechten "Bewegungen" denen, die jetzt schon am meisten von einer neoliberal ausgerichteten Gesellschaft profitieren.

        Den Inhaber:innen von Assets, oder, um einen alten Ausdruck zu verwenden, der Produktionsmittel ...

        Politisches Chaos wird ihre Profite ganz sicher nicht einbrechen lassen, nur ein funktionierender Staat mit wirksamen Regulierungen.

        Es ist auch genau das, was sich die progressive Linke sich in allen Ländern "des Westens" vorwerfen lassen muss:

        Dass sie seit 40 Jahren auf wirksame Gegenentwürfe verzichtet.

        Oder sogar selbst neoliberal regiert.

        Noch ist es nicht zu spät, das ist es nie, aber die gesellschaftlichen Kosten werden immer höher.