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Abschiebung von Spanien nach IranFlucht in die EU doppelt gescheitert

Aus politischen Gründen floh der kurdische Iraner Mohamed Rahmatinia nach Spanien. Am Freitag wurde er abgeschoben, sein Asylantrag abgelehnt.

Mohamed Rahmatinia wurde von Spanien am Freitag nach Iran abgeschoben Foto: privat

Madrid taz Es nutzte alles nicht. Weder die Proteste der Präsidentin des katalanischen Autonomieparlaments, noch ein Eilantrag der Anwälte von Mohamed Rahmatinia bei der spanischen Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof von Spanien), seinen Asylantrag erneut zu überprüfen und eine drohende Abschiebung auszusetzen. Die spanische Regierung ließ den 26-jährigen kurdischen Aktivisten aus Iran sowie seine schwangere Frau Zeinab und den sieben Jahre alten Sohn am Freitagmorgen von Spanien zwangsdeportieren. Die Familie wurde um 9:30 Uhr gezwungen, einen Flug von Barcelona nach Teheran zu besteigen.

„Es bestehen gute Gründe, um seine Sicherheit zu fürchten“, erklärte die Präsidentin des katalanischen Parlaments, Anna Erra, am Donnerstag in einem Schreiben an den spanischen Innenminister, den Sozialisten Fernando Grande-Marlaska. Dieser reagierte nicht. Die Gefahr, dass Rahmatinia jetzt bei seiner Ankunft sofort verhaftet und eingesperrt wird, ist groß.

Der 26-Jährige, der nach einer Verurteilung zu 15 Jahren Haft auf Bewährung frei ist, gehört der Demokratischen Partei Kurdistan- Iran (DPK-I) an. Er habe unter anderem, so seine Angaben in einem Telefoninterview, das das baskische Nachrichtenportal NAIZ mit ihm führen konnte, Peschmergas – kurdischen Kämpfern – geholfen, die irakisch-iranische Grenze zu überqueren, um im iranischen Teil Kurdistans Propagandaaktionen abzuhalten. Außerdem habe er an mehreren Protestaktionen der Bewegung teilgenommen, die in Iran entstand, nachdem die junge Kurdin Jina Mahsa Amini wegen eines schlecht sitzenden Kopftuchs verhaftet worden und am 16. September 2022 im Polizeigewahrsam verstorben war.

„Frau, Leben und Freiheit“

Jina Mahsa Aminis Tod löste eine in der Geschichte der Islamischen Republik einzigartige Protestwelle aus, die sich unter dem Motto „Frau, Leben, Freiheit“ über das ganze Land ausbreitete. Das Regime reagierte mit brutaler Repression auf die Bewegung gegen das Tragen des Schleiers. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass mehr als 600 Menschen ihr Leben verloren haben und Tausende festgenommen und gefoltert wurden. Mehrere Demonstranten wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Es war der Jahrestag des Totes von Mahsa Amini, der Rahmatinia zur Flucht nach Europa bewegte

Es war der Jahrestag des Todes von Jina Mahsa Amini, der Rahmatinia zur Flucht nach Europa bewegte. Ende August wurden seine Schwiegereltern von Revolutionsgardisten aufgesucht. Die islamistischen Paramilitärs fragten nach ihm. Rahmatinia floh mit Frau und Sohn mit falschen Papieren und kam am 2. September auf dem Flughafen Prat in Barcelona an. Er stellte sofort einen Asylantrag, der abgelehnt wurde. Die junge Familie durfte zu keinem Zeitpunkt seitdem den Flughafen verlassen.

Bereits im Jahr 2021 abgeschoben

Es ist nicht das erste Mal, dass Rahmatinia und Frau Zeinab versuchten, in die Europäische Union (EU) zu gelangen. 2021 gelangten sie von Iran in die Türkei von dort nach Serbien und anschließend nach Rumänien. Ihr Ziel war Deutschland. „Wir zogen 50 Tage umher und wurden schließlich von Rumänien aus abgeschoben“, erklärt Rahmatinia in besagtem Telefoninterview. Rahmatinia wurde sofort verhaftet und wenige Monate später zu 15 Jahren Haft verurteilt. Davon saß er sechs Monate ab, seither ist er auf Bewährung frei.

Jetzt drohen ihm, so befürchtet sein Anwalt Jordi Naya, erneut Haft und Misshandlung. „Politische Asylbewerber können oft keine Beweise für ihre gefährliche Situation im Herkunftsland vorlegen, aber die Verurteilung von Mohamed und seine jüngsten Aktivitäten des zivilen Ungehorsams im Iran sind Grund genug, zumindest den Antrag zuzulassen“, sagt Naya. Er hatte alles versucht, eine einstweilige Verfügung gegen die Abschiebung zu erhalten. Vergebens.

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11 Kommentare

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  • Der Mann braucht garkeine Nachweise.



    Allein die Tatsache, dass er aus dem Iran geflohen ist, weil er es da nicht supertoll findet, reicht den Machthabern dort um ihn in ein Foltergefägnis zu sperren.

  • "... wurde sofort verhaftet und wenige Monate später zu 15 Jahren Haft verurteilt. Davon saß er sechs Monate ab, seither ist er auf Bewährung frei."

    Diesen Sachverhalt kann ich nicht einordnen. Er hat eine, nach iranischen Gesetzen, so schwere Straftat begangen, dass er zu 15 Jahren Haft verurteilt wird, kommt aber nach sechs Monaten auf Bewährung frei. Für mich klingt das danach, als hätte die iranische Gesetzgebung ihm eine zweite Chance geben wollen. Oder gibt es noch eine andere Interpretation?

  • Offensichtlich hat sich das Blatt gewendet und in Spanien ist die Regierung vielleicht sogar falsch abgebogen, denn die Historie und die geschichtsträchtige Wende 2018 hatten regelrecht für Erstaunen gesorgt. Man ist geneigt, an den Begriff "Geisterfahrer" zu denken, wenn der Alptraum von Asylsuchenden in diesen Zeiten in dieser Dimension wahr wird: Abschiebung in das Herkunftsland, und zwar in den Iran. Welch Horror!



    /



    Asyl ade,



    Das tut hier weh,



    Eines ich seh,



    Spaniens MP



    Verliert Ansehen,



    So kann das gehen,



    Wind wird sich drehen,



    Da hilft kein Flehen.



    //



    "Migrationspolitik in Europa: Die Quelle der Liberalität ist Härte der Vorgänger



    Progressive in Deutschland loben die Flüchtlingspolitik des spanischen Regierungschefs Sanchez im Kontrast zu Italien. Was ist Ursache, was Wirkung? Ein Kommentar



    Von Christoph von Marschall



    13.08.2018, 23:34 Uhr"



    Aus tagesspiegel.de



    /



    Unter dem Druck bevorstehender Wahlen und überstandener Krisen werden die Karten mit Machtoptionen neu gemischt.



    /



    "Misstrauensvotum in Spanien: Rechte Partei will Ministerpräsidenten Sánchez stürzen



    Es ist das Superwahljahr im iberischen Königreich. Eingeläutet wird es von einer Abstimmung, die zum Scheitern bestimmt ist."



    Quelle dito



    /



    "Trotz der Wahlniederlage der spanischen Linken im Juli hat der amtierende Ministerpräsident Pedro Sánchez im neu gewählten Parlament einen wichtigen Erfolg errungen, der den Weg zur Wiederwahl des Sozialisten ebnen könnte. 178 der 350 Abgeordneten stimmten am Donnerstag in der konstituierenden Sitzung für die sozialistische Kandidatin für das Amt der Parlamentspräsidentin. Die ehemalige balearische Regionalpräsidentin Francina Armengol übertraf mit dem Ergebnis die absolute Mehrheit, die im ersten Wahlgang vorgeschrieben ist. Am Ende stimmten sogar alle sieben Abgeordneten der separatistischen Junts-Partei des früheren katalanischen Regierungschefs Carles Puigdemont für sie." m.faz.net



    /



    Vielleicht wäre ein Flug mit Zwischenstopp in Deutschland eine gute Idee gewesen.

  • Es ist wirklich sehr bitter, wenn im beschleunigten Flughafenverfahren in Barcelona tatsächlich gar nicht mehr richtig geprüft wird, und die Empörung über die illegale Einreise unter falschem Namen zwecks Umgehung der Einreisesperre aus Rumänien jegliche sachliche Auseinandersetzung überschattet. Hier hätte die Justiz wenigstens im Beschwerdeverfahren einmal kurz durchatmen und innehalten müssen.

    • @hedele:

      Zwischen Ankunft und Abschiebung waren 2 Wochen vergangen. Aus diesem Artikel (katalanisch) geht hervor, dass der Asylantrag zweimal durch das Amt und von zwei richterlichen Instanzen geprüft und abgelehnt wurde:

      www.naiz.eus/eu/in...rsecucion-politica

      Für eine unzureichende Prüfung sehe ich somit keinen Anhaltspunkt. Lt. demselben Artikel hat er wohl mal den einen, mal den anderen Grund für den Asylantrag angegeben, anscheinend wurde ihm letztlich (auch) deshalb kein Glaube geschenkt. Es wäre nicht das erste Mal, das einer wegen widersprüchlichen Angaben für unglaubwürdig gehalten wird:

      www.vg-gelsenkirch...1-230106/index.php

      www.vg-gelsenkirch...3_230119/index.php

      Mir erscheint die Geschichte auch seltsam: warum sollen Kämpfer die Grenze überqueren wollen – für reine Propagandaaktionen? Gibt es im Iran nicht genug Kurden für solche Aufgaben? Da wird meine Gutgläubigkeit schon auf die Probe gestellt. Mir erscheint wahrscheinlicher, dass die Geschichte zwar einen wahren Kern enthalten kann (Kämpfern über die Grenze helfen), wobei aber wesentliche Details verheimlicht werden: dass dies Bewaffnete waren die etwas ganz anderes als Propagandaaktionen im Sinn hatten, und dass für die Schleusertätigkeit Geld geflossen war.

  • Auf Bewährung geflüchteter Sträftling - rein formal wird da kein Asyl gegeben.

  • Mit welcher Begründung wurde der Asylantrag abgelehnt? Welche Rechtsmittel wurden genutzt?

  • Die USA schieben russische Kriegsdienstverweigerer direkt nach Russland ab: www.theguardian.co...ussia-deportations

    Die EU macht ihre Grenzen gegenüber ihnen so dicht wie möglich. Für Menschenrechte im Iran steht man angeblich ein, aber Menschen dorthin abschieben, wollen wir trotzdem.

    Was für eine Ausblendung und was für ein Irrsinn, dass manche noch immer denken, es gehe solchen Staaten um die Menschenrechte.

    Die Besorgnis um die Menschenrechte dieser Staaten ist nicht erkennbar anhand einer Auslandsreise von Frau Barbock oder anderen nach China (eher schon an ihren Reisen nach Saudi-Arabien). Die echte Besorgnis um die Menschenrechtler dieser Staaten - ohne Berücksichtigung ritualisierter Floskeln - lässt sich an den Außengrenzen der EU oder in den Folterlagern für Geflüchtete in Libyen erkennen, die nämlich die EU indirekt durch ihre Zusammenarbeit mit Milizen (Küstenwache genannt) mit finanziert, oder eben in den Abschiebefliegern nach Iran und anderswo.

    • @PolitDiscussion:

      ...ich vermute mal, dem Handlungsspielraum unserer Außenministerin sind auch Grenzen gesetzt ...

    • @PolitDiscussion:

      Ich wuerde sagen Folter und Vergewaltigungslager in Libyen als auch das Aussetzen von Migranten in der Wueste zum verdursten in Tunesien sind nicht harmlose 'indirekte' Folgen sondern genau was mit der Finanzierung dieser Aktivitaeten durch die EU bezweckt wird.

    • @PolitDiscussion:

      Es hört sich an, als hielten Sie den menschenrechtlichen Impetus für übertrieben. Ich finde hingegen, mal sollte noch viel mehr auf die Einhaltung der Menschenrechte pochen -- gerade hier in Kambodscha -- anstatt sich als Profiteur im Unrecht einzurichten und geflissentlich den Mund zu halten. Sie sind nicht die Regierung und auch nicht die Botschaft, zwei Institutionen, die durch Diplomatie gefesselt sind, sondern ein aufrechter Mann, der jeden Tag Tacheles redet ... allerdings nur als Fernunternehmen, wie es scheint.