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Edeka verbannt Kellogg's-ProdukteEs ist nicht alles supergeil

René Hamann
Kommentar von René Hamann

Der Discounter Edeka will aus Preisgründen keine Kellogg’s-Produkte mehr verkaufen. Zum Robin Hood für Kunden macht das den Einzelhandelsriesen aber nicht.

Aus dieser Schüssel können Edeka-Kunden alles mögliche essen, aber keine Kellogg's Foto: Westend61/imago

D as Entsetzen war groß: Meinte die Kindergartenleiterin das ernst? Montags sollte es Smacks geben? Für das Frühstück der Kleinkindgruppe?

Um ehrlich zu sein, habe ich selbst noch nie ein Produkt der Firma Kellogg’s gekauft. Beim fast täglichen Besuch bei meinem Edeka um die Ecke würde ich also gar nichts vermissen – Edeka hat mit viel Tamtam gerade die Produkte des Cornflakesriesen aussortiert, aus Gründen. Weil Kellogg’s einen Preisaufschlag von rund 45 Prozent, wie es heißt, verlangt hat und Edeka und andere Supermärkte inzwischen gerne in den Konflikt mit Markenherstellern gehen.

Einerseits, weil Letztere der enorm gestiegenen Rohstoffpreise wegen ihre Preise exorbitant erhöht haben, was die Lebensmittelhändler nicht zu Unrecht als „Gierflation“ monieren; andererseits, weil Edeka und andere inzwischen verstärkt auf Eigenmarken setzen, die nicht mehr wie früher einfach Marken ohne Marken sind, also innen ist Omo, aber drauf steht „Ja!“. Sondern jetzt gilt eben: Können wir selbst, und zwar billiger.

Auslöser für Depressionen

Für Kunden wie mich ändert sich erst mal nichts. Die Bio-Fairtrade-Gesund-und-rund-Fraktion wird sich auch eher die Hände reiben. In Sachen Kellogg’s hat sie ja recht: Die Produkte sind zu teuer. Sie weisen viel zu hohe Salz-, Fett- und Zuckerwerte auf. In Sachen Ballast und Vitamine können sie nichts. Sie schmecken pappig, können nicht mal mit Babybrei mithalten und sind von der Konsistenz her so, dass der Magen seine Tätigkeit schon vorher einstellt, weil er denkt, er hätte das doch alles schon verdaut. Noch dazu, wie am Mittwoch in der FAZ zu lesen war, lösen hochlebensmitteltechnisch verarbeitete Produkte wie die von Kellogg’s auf Dauer Depressionen aus. Oder, laut anderen Quellen, sogar Krebs. Sie haben eben nichts, aber auch gar nichts mit echter Ernährung zu tun.

Also: Kellogg’s gibt es nicht mehr? Gut so, braucht man eh nicht. Und doch stellen sich hier Fragen. Erstens: Das Geile einer Sucht – das, was man Gewöhnungseffekt nennt. Seit Kleinkindgruppentagen ist man es gewohnt, Smacks auf den Teller zu bekommen, jedenfalls montags. Geht ja auch schnell, zweimal schütten, einmal die Smacks, dann die Milch dazu, fertig. Und jetzt nimmt der Dealer meines Vertrauens den Stoff aus dem Regal?! Darf der das?

Zweitens: der Klassismusvorwurf. Ich möchte mich gefälligst unterschichtig ernähren, solange ich will! Schon allein, um mich von der Bobo-Blase, in der ich mich bewege, ein wenig abzugrenzen. Und jetzt darf ich nicht mehr Kellogg’s? Was geht, Edeka??? Geh ich halt Lidl!

Und drittens, die Politik. Jetzt ist die korrupte Klöckner schon länger nicht mehr da, aber in Sachen Gesundheit und Ernährung tut sich politisch noch immer genau gar nichts. Ich soll zwar nicht mehr rauchen, durfte im ersten Lockdown nicht einmal auf einer Parkbank sitzen, aber Kellogg’s darf weiter für Übergewicht sorgen?

Verschwendung, Vermüllung, miese Arbeitsverhältnisse

Am Ende relativiert sich vieles. Schließlich weiß man, dass Edeka auch nicht gerade ein Biomarkt außerhalb des Niedriglohnsektors ist. Sie tun auf gut – wollen sich sogar als „Robin Hood für die Kunden“ verkaufen – sind es aber auch nur, solange es opportun erscheint. Hinten heraus herrschen auch hier Verschwendung, Vermüllung, miese Arbeitsverhältnisse. Edeka wird zwar nicht zu den Discountern gezählt (Tochter Netto schon), aber die Grenzen sind da ohnehin fließend. Ob sie Kellogg’s im Sortiment führen oder nicht, macht im Grunde keinen großen Unterschied. Ihre Eigenmarkensmacks sind auch nicht gesünder.

Essen ist ein gesellschaftlich wichtiges Thema: Man kann sich vielleicht nicht gesund essen, krank essen aber schon. Händler dieser Welt, folgt Edeka! Weg mit Kellogg’s! Doch: So einfach läuft es leider nicht. Es wird ein bisschen verhandelt, am Ende steht Kellogg’s auch wieder da, wo es immer stand. Und wenn nicht, steht es beim Wettbewerber.

Als vor ein paar Monaten nirgendwo mehr Haribo-Sachen zu haben waren, aus denselben Gründen, musste ich hart schlucken. Bin dann auf eine Alternative ausgewichen. Auf Dauer war das aber nicht so das Wahre.

Dabei komme ich sogar aus der Katjes-Stadt.

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René Hamann
Redakteur Die Wahrheit
schreibt für die taz gern über Sport, Theater, Musik, Alltag, manchmal auch Politik, oft auch Literatur, und schreibt letzteres auch gern einmal selbst.
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18 Kommentare

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  • Denen ihre Corn Flakes sind nun mal die besten. Ich weiß daß sie krass ungesund sind, deshalb esse ich nicht viele davon, aber wenn ichs mal richtig brauche: nur Kellogs und dann eine ganze Salatschüssel davon. Alle anderen kannst du vergessen.

  • Wer die Imitate durchprobiert hat, weiß was er an Kellog's hat(te). Kann man sicherlich auch als DIY machen.

  • Ich kannte das Zeug gar nicht. Aber ein Solitär ist es wohl nicht. Etwa 30 Prozent der Lebensmittel im Supermarkt sind hochverarbeitet. Also eigentlich nicht zum Verzehr geeignet.

    Was die Ernährung angeht, bin ich allerdings auch etwas schratig. Außer Tofu kaufe ich so gut wie nichts höher verarbeitetes.

    Mir reichen im Laden zwei oder drei Regale. Von den durchschnittlich 12.000 Artikeln kaufe ich keine hundert.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Jim Hawkins:

      Der könnte Ihnen gefallen:



      www.zdf.de/dokumen...ackt-aus--100.html

      • @95820 (Profil gelöscht):

        Der ist super!

        Ich bin ein großer Lege-Fan! Ein tolles Format, kritisch, witzig und ein bisschen skurril.

      • @95820 (Profil gelöscht):

        Der ist super!

        Ich bin ein großer Lege-Fan! Ein tolles Format, kritisch, witzig und ein bisschen skurril.

  • Deren Produkte sind mehr als verzichtbar.



    Ungesund.



    Hochkalorisch.



    Durch kinderbezogene Werbung vermarktet.



    Übersüßt.



    Aromatisiert.

    Was also (außer die Werbung) spricht dafür diese Produkte zu konsumieren ?

    Und der Konzern verhöhnt uns auch noch:



    (Originalzitet)



    "Ein ausgewogenes Frühstück ist nicht nur gut für die Nährstoffversorgung, sondern auch bedeutsam für das geistige und körperliche Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit. Auf die Frühstücksmahlzeit sollte nicht verzichtet werden, denn sie dient als Grundlage für einen gesundheitsförderlichen Lebensstil."

    Cornflakes mit 84% Kohlenhydraten und



    372,0 kcal / 1557,5 kJ pro 100g Trockenmasse gehören ganz gewiss nicht zu einer ausgewogenen Ernährung.

  • Nervt brutal. Unter dem Deckmantel des Robin Hood die Eigenmarken (oder wie ReWe Nestle) propagieren.



    Gesund hin oder her - Ich als Kunde möchte entscheiden was ich kaufe und welchen Preis ich gewillt bin zu zahlen.



    Wenn ich Kellogs wäre würde ich Nestle und co verklagen das sie meine (Kellogs) Innovationen frech kopieren. (z.B. Crunchy Nut)

  • “Hinten heraus herrschen auch hier Verschwendung, Vermüllung, miese Arbeitsverhältnisse”

    Ist diese Feststellung vom Verfasser gefühlt, behauptet, recherchiert oder mit Fakten belegt?

  • Bitte keine Illusionen! Was glaubt ihr denn, wie Edeka erst recht mit den kleineren Zulieferern verfährt?

  • Die Historie der Flakes ist ein Knaller, in den USA nicht ohne literarisches Echo "von ganz oben"



    /



    "Doktor Kelloggs irre Anstalt



    Wechselbäder, Gottesdienste, Sexentzug: Ende des 19. Jahrhunderts kämpfte John Harvey Kellogg in einem umstrittenen Sanatorium gegen den Verfall der Zivilisation und schlechte Ernährung. Durch Zufall erfand er die Cornflakes. Zum Welthit wurden die Flocken aber erst durch den Verrat des eigenen Bruders." (...) "Allerdings: Was nützt der schönste Einlauf, wenn der Verdauungstrakt gleich darauf mit einer fetten Schweinshaxe malträtiert wird? Und so machte sich Kellogg, der Diätspezialist und Joghurtfreund, bald auf die Suche nach bekömmlicheren Alternativen. Er konnte ja nicht ahnen, dass er damit eine Entwicklung in Gang setzte, die nicht nur das globale Frühstücksverhalten revolutionieren, sondern auch einen Weltkonzern hervorbringen würde. Schließlich war die Idee selbst eher unspektakulär: gepresstes Getreide."



    Bei spiegel.de (Quelle) -



    ein großer Roman wurde auch daraus.



    Ein historisches Beispiel für: "Stets das 'Beste' gewollt", aber gescheitert...



    Und die Geschichte selbst ist auch nach zeitgenössischen Archivberichten echt irre!

    • @Martin Rees:

      Ist schon einige Dekaden alt, aber nicht minder unterhaltsam, seltsam und auch irgendwie etwas grausam, in Buch und Film:



      www.youtube.com/watch?v=S93aiPRym4o



      /



      Hier gaben sich Weltstars ein Stelldichein, wie schon historisch in den "Anstalten" des wundersamen Arztes und Erfinders Dr. John Harvey Kellogg, der auch die Erdnussbutter "erfand".

    • @Martin Rees:

      Die wahre Story ist hier bislang nicht erwähnt

      Zitat:„Bei Mädchen … ist die Behandlung der Klitoris mit unverdünnter Karbolsäure (Phenol) hervorragend geeignet, die unnatürliche Erregung zu mindern.”

      Diese grausamen Worte stammen von einem Mann mit ebenso vielseitigen wie zweifelhaften Interessen.John Harvey Kellogg(1852 – 1943), Erfinder der Erdnussbutter, Miterfinder der Cornflakes, Arzt und Eiferer gegen jegliche Art der Selbstbefriedigung des natürlichen Geschlechtstriebes hinterließ der Nachwelt im Hinblick auf die sexuelle Aufklärung von Kindern und Jugendlichen kein leichtes Erbe. Kellogg versuchte mit drastischen Mitteln, die aus seiner Sicht unnatürliche Onanie sowohl bei Mädchen, vor allem aber bei Jungen zu unterbinden

      • @Voigt Corinna:

        In der Tat, es gab Tote, als "Kollateralschäden", sogar mit Strom usw, der Link sollte auch die Ernsthaftigkeit der Kritik nicht wirklich in Frage stellen, aber diese Zeit war sehr, sehr seltsam. Auch der 'Zauberberg' war alles andere als zauberhaft.



        Auf dem Dachboden meiner Großmutter fand ich in den Sechziger Jahren komische Geräte mit Glas und Elektronik, aber meine Oma wußte auch nicht, was der Urgroßvater als Anwendungen favorisierte.



        Danke für die Ergänzung, ich werde das demnächst im Gedächtnis solange mit mir tragen und an geeigneter Stelle vorbringen, bis es so einige Adressaten mit rezenten kruden Gedanken erreicht.



        Dennoch hat es etwas skuril marodes, dieses Ambiente, historisch Wegbereiter größerer Exzesse.



        /



        "Wenn die richtige Diät nichts nützt, empfiehlt Dr. Kellogg in seinem Buch «Plain Facts for Old and Young» auch härtere Methoden wie eine Beschneidung:



        «Die Operation sollte ohne Betäubung durchgeführt werden, weil die kurze Qual eine gesunde Wirkung auf den Geist hat – insbesondere wenn sie mit dem Gedanken der Bestrafung verbunden wird, was in einigen Fällen gut sein kann. Der Schmerz, der einige Wochen anhält, unterbindet die Praxis [des Onanierens], die womöglich vergessen und nicht fortgeführt wird.»



        www.watson.ch/wiss...uch-schon-gegessen



        /



        Heute wäre der Nestor wohl selbst ein Fall für eine Exploration...

  • Hat Rewe nicht schon vor nem halben Jahr Kellogg's aus dem Sortiment entfernt, und dafür das Angebot an Nestlé-Cerealien ausgebaut? Oder waren das nur einzelne Rewe-Franchises?

    • @Ajuga:

      Muss wohl - gerade dort zum Einkaufen gewesen.



      Keine K.-Produkte gesehen ...

  • Bitte korrigieren: Edeka ist kein Discounter sondern ein Vollsortiment-Supermarkt.

  • Dabei ist doch Katjes vegan, weil keine tierische Produkte verwendet wurden, wie Gelatine. Haribo zu fressen, ist also nicht nur ungesund, sondern man ist noch nichtmal Vegetarier, also ernährt sich karnivor.

    Und das Ziel, sich gesund im Leben zu ernähren, muss auch mit einem Supermarkt funktionieren. Mit regionaler, unbehandelter Rohkost beispielsweise.