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Birkenstock goes BörseAbschied auf Latschen

Der Sandalenhersteller Birkenstock geht an die Börse. Unsere Autorin fragt sich: Ist das nun der Moment, um von der Marke Abschied zu nehmen?

Birkenstock: einen Schritt weiter oder ein Schritt zuviel? Foto: imago

Birkenstocks gehen an die Börse. Und die Boomer-Generation meiner Eltern wundert sich, wie die verpönten Öko-Latschen aus ihrer Jugend nur jemals so erfolgreich werden konnten.

Doch für die junge Generation Z ist ganz klar: Birkenstocks sind cool, nachhaltig und feministisch: Denn sogar Barbie trägt jetzt lieber die bequemen Leder-Latschen statt unbequem hoher Pumps. So präsentiert sich die Marke zumindest in dem Kino-Hit und landet damit einen riesigen Marketing-Erfolg. Im Film muss Barbie sich entscheiden: Entweder mit den Stöckelschuhen in der rosaroten Barbie-Welt bleiben oder in der Birkenstock-Sandale eine Reise der feministischen Selbstfindung antreten. Der Witz dabei: Barbie darf sich gar nicht entscheiden. Der Birkenstock wird ihr aufgedrängt. Ohne ihn gäbe es nämlich gar keinen Plot. Ein großer Lacher im Kino.

Doch vielleicht sollte einem lieber das Lachen im Hals stecken bleiben, wenn man sich mal ganz selbstkritisch fragt, warum man selbst doch so selbstverständlich und ohne nachzudenken jeden Sommer zu der Trend-Sandale greift.

Bewegt man sich in den sich doch als so links und progressiv verstehenden Studierendenkreisen, kann man die Jahreszeiten am Schuhwerk der bei der WG-Party abgestellten Schuhe ablesen: Im Winter reihen sich die Dr. Martens aneinander, im Sommer die Birkenstocks. Alle tragen dieselben breiten und robusten Treter. Alle sind im Einheitslook. Ist das dieser kritische Konsum, den wir als junge Generation immer wieder gerne propagieren? Wir mögen es halt alle gemütlich. Und Komfort war schon immer ein Ausdruck feministischer Befreiung. So zumindest die Selbsterzählung. Und ein bisschen stimmt es ja auch.

Was für Arzt­hel­fe­r*in­nen oder Mütter

Der Erfolg des fast 250 Jahre alten Unternehmens aus dem Rheinland-pfälzischen Linz am Rhein basiert auf der Erfindung der flexiblen Korksohle. Anfang des vergangenen Jahrhunderts erfand der damalige Chef Konrad Birkenstock das „Fußbett“ und schuf damit den ersten orthopädischen Schuh. Die aufgrund dieser Fuß-freundlichen Form seit den 1960er Jahren als Gesundheitsschuh bekannte Latsche wurde genau deswegen von der Jugend lange belächelt. Die praktische Alltags-Sandale war nur was für Arzt­hel­fe­r*in­nen oder Mütter – Menschen, die halt viel laufen.

Cool war also anders. Doch dann kamen Celebrities ins Spiel. So wie bei jedem Mode-Trend. 2012 kopierte das Luxuslabel Celine eine Birkenstock-Sandale und plötzlich trugen Supermodels wie Kate Moss und Heidi Klum Birkenstocks.

Und damit kam auch meine ganz persönliche Befreiung. Endlich musste ich meine für die damalige Frauen-Mode viel zu breiten Füße nicht mehr in enge Ballerinas zwängen. Endlich musste ich mich im Sommer mit meinen Plattfüßen nicht mehr „unfraulich“ und „uncool“ fühlen.

Aber genau diese Gefühlslage zeigt natürlich schon alles. Mit Feminismus hatte das Ganze noch nie was zu tun. Ich war und bin einfach nur abhängig von willkürlich gesetzten Trends. Mein Komfort wird diktiert von einem Unternehmen, dessen letzter Firmenpatriarch Karl Birkenstock in den 1990ern Betriebsräte als „Aussätzige“ beschimpfte und Frauen noch bis 2012 weniger Gehalt zahlte als ihren männlichen Kollegen.

Doch die Vermarktung als Öko-Lifestyle-Schuh scheint nicht nur bei mir funktioniert zu haben. Birkenstock ist mittlerweile der größte deutsche Schuhhersteller, der vorwiegend in Deutschland produziert. Geliefert wird weltweit. Im Sortiment sind Gürtel, Taschen, Betten und exklusive Modelle der Schuhe, die immer teurer werden.

Das ganz typische Modell mit den zwei Riemen wie der „Arizona“ kostet mittlerweile um die 100 Euro. Für einen „Arizona Bold“ aus Naturleder kann man auch schnell mal 220 Euro ausgeben. Die Grenze nach oben? Offen. Birkenstock wird zum Luxusprodukt und in normalen Schuh-Läden soll das Lifestyle-Produkt bald auch nicht mehr verkauft werden. Separate sogenannte Flagship-Stores dürften den Schuh nochmal exklusiver und unzugänglicher machen.

Und nun der nächste Schritt: der Gang an die Börse. Das geschätzt mehr als sieben Milliarden Dollar schwere Unternehmen hat bereits seine Unterlagen für einen Börsengang in den USA eingereicht. Und während sich jetzt manch einer überlegen kann, ob er oder sie sich Aktien-Anteile kaufen möchte, frage ich mich, ob es nicht Zeit für einen Abschied ist. Meine feministische Selbsterzählung bröckelt und der Geldbeutel meckert.

Und zum Glück gibt es ja immer mehr günstige Nachahmer-Produkte, die den Entzug einfach machen. Zum Beispiel von der Marke „Palado“ – ein kleines Unternehmen, das auch in Deutschland produziert und für Nachhaltigkeit wirbt. Ob das stimmt? Keine Ahnung. Aber das kann ich dann ja in ein paar Jahren nochmal hinterfragen.

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15 Kommentare

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  • Ich wunderte mich schon vor Jahren, dass viele Birkenstocks gar keine Lederriemen haben.

    Ich komme mit dem hohen Rand vorn und hinten nicht gut zurecht.

  • taz: "Der Sandalenhersteller Birkenstock geht an die Börse. Unsere Autorin fragt sich: Ist das nun der Moment, um von der Marke Abschied zu nehmen?"

    Wer an die Börse geht, der will sich vergrößern. Wer sich vergrößert, der beutet dann zwangsläufig auch arme Menschen aus, die für ein 'Ei und ein Butterbrot' arbeiten müssen. Die Frage der Autorin kann man also eindeutig mit einem 'Ja' beantworten.

    • @Ricky-13:

      Soo zwangsläufig ist das nicht - es kommt auf die Produktionsverhältnisse an. Birkenstock ist da wohl nicht zwingend ein Musterbetrieb, aber immerhin gelten deutsche Mindestansprüche, wenn man in Deutschland produziert (was gerade im Bekleidungsbereich genau deshalb ja nur noch sehr Wenige tun). Wenn man darüber hinaus gerade nicht so leicht an die Arbeitskräfte kommt - wie gerade -, sind auch die Mindestbedingungen im Zweifel zu wenig, um wirklich die Halle vollzubekommen.

      Davon abgesehen fragt sich immer, was für einen Vorteil es für die potenziell Ausgebeuteten hat, wenn dem Ausbeuter das Geld fehlt, ihnen überhaupt ein Jobangebot zu machen. KEIN Job ist auch keine Lösung...

  • Ich finde es schwerst ironisch, wenn selbsterklärte "Linke" einen solchen geradezu identitätsstiftenden Markenfetischismus betreiben: Die Docs müssen es sein oder eben die Birkis; gleichwertig, aber nicht DER Stil oder DAS Label - das geht nicht. Wäre ich Familienmitglied bei den Birkenstocks oder eine der Heuschrecken, die sich schon vor Jahrzehnten die ganzen britischen Subkultur-Labels unter den Nagel gerissen haben, ich säße schallend lachend in meiner Geldbadewanne...

    Was starke Marken tatsächlich aus kapitalismuskritischer Sicht schaffen können, ist die Grundlage für eine gewisse Transparenz, wo das Produkt herkommt, unter welchen Bedingungen es produziert wird und wer daran verdient. Wer Noname kauft, hat in der Regel keine Chance herauszufinden, aus welchem(!) süd- oder südostasiatischen Sweatshop das Produkt stammt. Insofern ist das Plädoyer in dem Artikel im Ergebnis richtig. Verwunderlich ist nur, dass es bei so einem Identifikationsprodukt Jahrzehnte braucht, bis mal jemand auf den Trichter kommt.

  • Birkenstock ist bei uns in der Region ja einer der größten Arbeitgeber. Ja die produzieren in Deutschland allerdings bei uns mit größtenteils polnischer Belegschaft. "Die Weltmarke profitiert vom Arbeitskräftepotenzial diesseits und jenseits der Grenze." wie es auf der Firmenwebsite euphemistisch heißt. Nachdem die Geschäftsleitung jahrelang gegen die Gründung eines Betriebsrats agitiert hat, konnte dieser wenigsten vor 4 Jahren etabliert werden. Linke sollten diese Marke schon lange aus Solidarität meiden. Die Lage der ArbeiterInnen ist aber nichtmal ein Randthema scheinbar. Bezeichnenderwiese geht es im Artikel auch wieder nur um die eigene Nabelschau und irgendwas mit Öko und Feminismus.

  • Haflinger sind eine sehr gute Alternativen zu den "Birkis"! Die machen nicht nur Filzhausschuhe!

  • Birkenstocks können schon cool sein, das Unternehmen war jahrelang rüde gegen die eigenen Mitarbeiter, es gab nur mit viel Kraft 2018 einen Betriebsrat in einem Werk. Wer meint, dass sei eine coole, linksliberale Marke, der hat sich geirrt.



    "Stundenlöhne knapp über dem gesetzlichen Mindestlohn, kurzfristige Sonderschichten, rüder Umgangston der Vorgesetzten." So beschrieb die IG Metall das mal - das war Birkenstock. Ein deutsches Familienunternehmen mit einem tollen Produkt und hohen Gewinnen, die exklusiv bei der Inhaberfamilie gelandet sind.

    • @Andreas_2020:

      +1

  • Wahnsinnshype, damals ("Boom_er-Jugend") nicht nur alternativ, sondern alternativlos. Vormals gab es ähnliche Peaks, z.B. mit dänischen Clogs. Bequemlichkeit am Schuh ist hilfreich für's Hirn. Kant sagte, dass die Hand das äußere Gehirn des Menschen sei, so weit davon entfernt ist der Fuß wiederum nicht, wenn er richtig trainiert wurde,



    - und nicht nur mechanisch belastet wird.



    //



    taz.de/Zeigt-her-eure-Fuesse/!264095/



    //



    www.tagesspiegel.d...boden-3708904.html

    • @Martin Rees:

      Liggers & wenn wir mal akzeptieren -



      Daß Kantine nicht die Ehefrau vom ollen Kant is - hamer auch den Feminismus raus.



      Btw & entre nous only but not -



      Wenn die linksökoeso getunte Damenwelt mir allzusehr von alternativKram schwärmt - TCM zB -



      Dann frag ich gern: „Sie wissen aber schonn - daß gerade sojet auf ca 3000 ++ Jährchen Menschenversuchen basiert!“



      Und dann hängt aber der Haussegen oder was auch immer sowas von schief! Gellewelle&Wollnichtwoll •

      • @Lowandorder:

        Bin schon lange bei dem Mitbewerber mit dem klobigen Sohlen-Design und dem biomechanisch läuferischen Vorbild "afrikanische Barfußläufer:innen" als 'Adept' gelandet.



        Ist auch prophylaktisch wirksam gegen Zwacken im Rücken.

        • @Martin Rees:

          dazu vom alten bodyworker - gern mit Barfußschuhen - kl. Tipp: - nicht den ganzen Tag - variatio delectat - wußten schon die ollen Römer.



          servíce - 👣 -

  • Kann man nicht Schuhe oder Latschen nicht einfach Schuhe oder Latschen sein lassen? Muss da gleich eine Botschaft links-rechts-feministisch… verbaut werden? Birkenstock waren nie modisch, sie waren immer praktisch und wenn viele praktisch sind, wurde das gerne mit modisch verwechselt.

  • Die erwähnten Dr.Martens werden mittlerweile auch von einer amerikanischen Investmentheuschrecke verkauft. Sie verleugnen sogar ihre Wurzeln. Denn die Szeneläden die sie groß gemacht haben sind nicht mehr gut genug um ihre Schuhe verkaufen zu dürfen." weil das Markenumfeld nicht stimmt "(Originalzitat Dr. Martens) Der Punk oder sonstige Szenezugehörige wird nur noch für die coole Werbung verwendet. Kommerz ist alles, warum sollte das bei Birkenstock anders sein?

  • Ab Mitte der 70ger bis weit in die 80ger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, waren die Birkenstocksandalen in der 'links alternativen Szene' quasi ein Muss. Ich selbst konnte mich nie damit richtig anfreunden. Dann aber trug ich doch irgendwann selbst welche. Im Italienurlaub in Ligurien wurden wir mit unseren 'tedeschi Latschen' nur milde belächelt. Daraufhin entledigte ich mich dieser 'Unmode'. Mitte der 80er absolvierte ich dann ein Auslandssemester in Arezzo in der Toskana. Über eine Freundin landete ich in einer damals für Italien sehr seltenen WĢ. Und ich traute meinen Augen nicht. Die beiden männlichen Bewohner trugen Birkenstocksandalen: sie seien bequem, gesund und gut verarbeitet. Eccola!