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Trans* in den Medien„Berichterstattung schürt Angst“

Vor einem Jahr lancierten Trans*­ver­ei­ne eine Petition für bessere Berichterstattung über Trans*themen. Jenny Wilken über den Stand der Debatte.

Eine Frage des Respekts: Eine falsche Anrede hat psychische Konsequenzen Foto: IMAGO/Annie Mulligan for The Texas Tribune
Interview von Eva Keller

taz: Trans*­feind­li­che oder zumindest unsensible Beiträge sind in deutschen Medien leider keine Seltenheit. Was löst das in Ihnen aus?

Jenny Wilken: Es ärgert mich. Solche Beiträge erscheinen immer noch in schöner Regelmäßigkeit. Von rechten Medienbeiträgen mal abgesehen. Oft sind die Sendung oder auch die Jour­na­lis­t:in­nen sehr uninformiert. Im besten Fall wissen sie es nicht besser. Im schlimmsten Fall machen sie es mit Absicht. Inklusion von queeren Menschen ist nicht erst seit gestern ein Thema. Es gibt schon seit über zehn Jahren gute Medien-Leitfäden. Der Bundesverband Trans* hat viel dazu gemacht. Und ich weiß, dass die Öffentlich-Rechtlichen, also ARD und ZDF, diesen Sommer eine Schulung zum Thema trans*­sen­si­ble Sprache und Berichterstattung angeboten haben.

Die Petition der dgti mit Namen „Transmedienwatch“ wurde vor einem Jahr veröffentlicht. Was war der konkrete Anlass dafür?

Zum einen eben genau solche diskriminierenden Beiträge. Zum anderen hat uns die Berichterstattung rund um das damals entstehende Selbstbestimmungsgesetz zur Petition getrieben. Es war so viel Meinung im Umlauf und so wenig Wissen. Dem wollten wir zusammen mit den anderen Institutionen etwas entgegensetzen.

Im Interview: Jenny Wilken

leitet die Bundesgeschäftsstelle der dgti e.V. (Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität).

Sind Sie zufrieden mit dem Outcome?

Jein. Gerade öffentlich-rechtliche Medien nehmen die dgti immer stärker als Vertretung wahr und fragen uns für Berichte, Recherchen und Interviews an. Das ist gut. Andererseits gibt es immer noch viele unsensible, unreflektierte Beiträge, bei denen man sich denkt: Sind die in den Fünfzigern stecken geblieben?

Anscheinend werden zumindest vermehrt Betroffene als Ex­per­t:in­nen angefragt.

Und das ist absolut wünschenswert. Wir haben das Fachwissen und geben es gerne weiter, wenn wir gefragt werden.

Was sind im Moment noch die größten Probleme in der Berichterstattung über trans* Personen?

Es wird Angst geschürt. Ganz beliebt ist das „Bedrohungs­framing“ à la: Jetzt kommt etwas ganz Schlimmes auf uns zu. Dabei geht von queeren Menschen keinerlei Gefahr aus. Wir wollen niemandem etwas Böses. Außerdem werden trans* Personen oft einseitig und eindimensional porträtiert. Die Tran­s*­Iden­ti­tät steht im Fokus und nicht der Mensch dahinter. Die Person wird zu etwas Exotischem gemacht. Dass eine trans* Frau durchaus erfolgreich sein kann, ein Unternehmen leitet oder sonst irgendetwas Großartiges macht, darüber wird nicht berichtet. Als wäre die Tran­s*­Iden­ti­tät allein das, was sie ausmacht.

Fällt Ihnen ein Fauxpas ein, der wirklich einfach zu vermeiden wäre und trotzdem immer wieder gemacht wird?

Die Benennung des „Deadname“. Das ist der abgelegte Name, der nicht mehr verwendet werden sollte. Ein banales Beispiel: Vera Müller, vorher Peter Müller, hat eine Geschlechtsangleichung hinter sich. Dann steht in der Schlagzeile: Peter lebt jetzt als Frau. Das ist plakativ gesprochen, passiert aber genau so. Der Name hat aus guten Gründen nichts in der Öffentlichkeit zu suchen, weil es nicht der Name ist, der zur Identität passt.

Trans* Personen haben in den letzten Jahren trotz allem mehr Sichtbarkeit in den Medien erfahren. Eine wichtige Entwicklung, die anscheinend auch im deutschen Fernsehen angekommen ist.

In der Fernsehlandschaft hat sich einiges getan. Trans* Personen werden in Filmen und Serien auch von real life trans* Personen gespielt. Im „Polizeiruf“ hatten sie letztes Jahr den trans* Mann Jonathan Perleth in der Hauptrolle. Diese Sichtbarkeit ist vor allem für junge Menschen enorm wichtig, die mit ihrer Identität hadern. Und für den Rest dreht sich die Welt doch trotzdem weiter.

Hat die erhöhte Sichtbarkeit Konsequenzen für queere Menschen?

Es kommen mehr Anfeindungen. Das liegt aber nicht allein an der erhöhten Sichtbarkeit, sondern auch am gesellschaftlichen Rollback. Alles, was mit Vielfalt und Offenheit zu tun hat, wird angegriffen. Konservative Kräfte drehen das Rad zurück, kommen mit dem Wandel nicht zurecht. Auch die Pandemie, wirtschaftliche Krisen und soziale Ungleichgewichte sind Nährboden für Unzufriedenheit. Große Anti-Gender-Kampagnen aus den USA oder Russland, die massiv mit Geldern gefördert werden, unterstreichen das.

Unzufriedenheit ist bekanntlich ein guter Nährboden für Hass. Von bösen Zungen wird oft behauptet, dass die queere Community zu stark polarisiere.

Sie kann gar nicht genug polarisieren. Queere Menschen sind nach wie vor rechtlich gesehen im Nachteil. Ihnen wird keine volle Gleichberechtigung zuteil. Darauf aufmerksam zu machen, diese Missstände immer wieder zur Sprache zu bringen, das ist notwendig und hat nichts mit radikalen Forderungen gemein. Wenn das schon „zu viel“ ist, dann weiß ich auch nicht weiter.

Eine beliebte Kritik, auch in Bezug auf die leidige Gender-Debatte, ist, dass Menschen mit Lernschwäche oder Migrationshintergrund bei dem „Wirrwarr“ ja gar nicht mehr durchblicken. Wie nehmen wir alle Le­se­r:in­nen mit auf die Reise zu einer inklusiven und sensiblen Sprache?

Sensibilisierung und Aufklärung, also Bildungsarbeit letztlich. Es gibt wunderbare Materialien zu LSBTI und auch für Deutsch als Fremdsprache und Zweitsprache. Mit der Einführung der dritten und vierten Option im Personenstandsregister – also divers und freilassen – hat der Gesetzgeber versäumt, für Klarheit zu sorgen, was sprachliche Regelungen betrifft. Das müssen wir jetzt nachholen. Denn es ist schlicht eine Frage des Respekts, Menschen, die weder männlich noch weiblich sind, entsprechend richtig anzusprechen und auch mittels Gendersternchen mit zu nennen. Deswegen bin ich auch die Debatte übers Gendern leid. Sprache verändert sich schon immer. Heute wird keine junge Frau mehr als Fräulein angesprochen, hoffe ich jedenfalls. Die Rechtschreibreform hat auch je­de:r mitgemacht und verstanden.

An Schulen in Sachsen und Sachsen-Anhalt soll das Gendern verboten werden. Was würde die Unterlassung bedeuten?

Eine falsche Anrede hat psychische Auswirkungen auf Jugendliche, die in ihrer Findungsphase oder ihrem Coming-out stecken. Im schlimmsten Fall geht es hier um Leben oder Tod. Genau dafür müssen wir sensibilisieren. Queere Menschen wollen niemanden schikanieren. Wir haben vier Personenstände und die müssen sprachlich abgebildet werden. Das erkennt auch der Rat für deutsche Rechtschreibung an.

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13 Kommentare

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  • Ein nicht unerheblicher Teil der Gesellschaft ist wohl mit "Vielfalt und Offenheit" überfordert. Ein Kommentar aus meinem Umfeld, den ich sogar nachvollziehen kann:



    "Ich WILL gar nicht wissen, was mit dem / der ist. Welche sexuellen Vorlieben jemand hat, wie sich jemand selbst empfindet; das geht mich überhaupt nichts an. Also lasst mich damit in Ruhe!"

    • @Woodbine:

      "sexuelle Vorlieben"? Ich glaub das Problem ist nicht Überforderung, sondern Kontaktvermeidung als Ausdruck stumpfen Vorurteils. Ist denn die Partnerschaft der Personen aus Ihrem Umfeld bzw. deren partnerschaftliches Leben inmitten der Gesellschaft eine "sexuelle Vorliebe"?

      • @mats:

        Vielleicht falsche Wortwahl, Entschuldigung. Ich vermeide keinerlei Kontakte und wenn ich stumpfe Vorurteile bei mir entdecke, versuche ich, sie zu eliminieren.

        • @Woodbine:

          Das ist schön. Ich spielte auch auf den kolportierten Satz an, nicht auf Sie. Dass sich gleichgeschlechtliche Orientierung nur im Bett abspielte oder trans Sein nur in irgendwelchen ärztlichen Beratungszimmern ist eben jene Reduktion auf angeblich Privates oder Intimes. Doch das ist Quatsch. Es ist Teil der sozialen Person und somit immer da, wenn ich mich in der Öffentlichkeit bewege. Und dass darüber gesprochen wird, ist wichtig: Gerade junge queere Menschen sind großen inneren und äußeren Kämpfen ausgesetzt und brauchen die Sichtbarkeit der älteren Queers. Vielleicht kann man denen das einfach mal zugestehen und die Info überhören - so wie man jeden Tag 1000 Infos hört und überhört, weil sie einen nicht interessieren.

    • @Woodbine:

      Jenny Wilken bringt es doch selbst auf den Punkt: "Die Person wird zu etwas Exotischem gemacht. Dass eine trans* Frau durchaus erfolgreich sein kann, ein Unternehmen leitet oder sonst irgendetwas Großartiges macht, darüber wird nicht berichtet."

      Das ist für mich ebenfalls das große Problem bei der Berichterstattung. Die Information, ob jemand trans ist oder nicht, gehört nicht in den Wirtschaftsteil einer Zeitung. Das interessiert dort niemanden. Im Gegenteil: Es wirkt aufgesetzt und übergriffig, weil es bei einem Hetero-Unternehmer niemals auch nur erwähnt würde.

    • 6G
      652797 (Profil gelöscht)
      @Woodbine:

      Was hat das mit überfordert zu tun? Ich geh auch nicht hin und sage "Hey ich bin Hetero blablabla", es darf uns doch egal sein mit wem andere Menschen glücklich sind.

      • @652797 (Profil gelöscht):

        Falsch, laut Grundgesetz MUSS es uns egal sein.

        Überfordert, weil es manch einem zu viel ist, wie er plötzlich überall darauf hingewiesen wird, wie vielfältig und bunt das Leben ist.

        • 6G
          652797 (Profil gelöscht)
          @Woodbine:

          Warum wird man dann überall darauf hingewiesen wenn es uns egal sein MUSS? Wenn es egal ist muss man es nicht in die Welt hinaus schreien. Und damit meine ich nicht sie sollen sich verstecken, es ist aber wie beim hetero sein einfach unwichtig für unbeteiligte (nicht in einer Beziehung mit der Person).

  • Die Konsequenz, mit der der Deadname gelöscht werden soll, kann ich nicht nachvollziehen.

    Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass trans Personen mit dem neuen Namen passend zur Identität angeredet werden wollen.

    Aber dass jedes Dokument, jeder Hinweis auf den alten Namen verschwinden soll finde ich übertrieben. Der alte Name und die alte Identität sind Teil der Geschichte und man kann und sollte das nicht vollkommen tilgen.

    Macht man auch nicht, wenn man heiratet und einen neuen Namen annimmt.

    • @gyakusou:

      Sie berücksichtigen nicht, dass der alte Name in den Händen von Transphoben zur Waffe wird, mit der eine Person zwangsgeoutet werden kann.

      Und da Zwangsoutings nicht so fein oder angenehm sind, gibt es die Tendenz, den alten Namen eher nicht weiterzugeben.

      Es geht hier um Selbstschutz.

    • @gyakusou:

      Richtig. Seine Vergangenheit zu leugnen, hilft auch nicht für eine gesunde Identität in der Gegenwart.

      Schon der Begriff "Deadname" ist sehr problematisch. Der alte Mensch ist doch nicht tot! Es ist und bleibt derselbe Mensch. Das hat etwas selbstzerstörerisches.

      Übrigens: Wenn ich zum Klassentreffen komme, und es stellt sich mir eine Vera vor und sagt, dass sie doch einst mit mir zur Schule gegangen ist, dann wird sie die Fragezeichen in meinen Augen sehen und selbst sagen, dass sie ja damals der Peter war.

      • @Winnetaz:

        Hier zeigt sich mal wieder Unwissen oder im schlimmsten Fall sogar Ignoranz.

        Für trans Menschen ist die abgelegte Identität sehr oft eine psychisch schwer belastende Sache. Daher sollte es die Entscheidung der betroffenen Person sein, wie offen sie damit umgehen möchte.

        Oder würden sie einem Opfer eines Traumas ebenfalls unterstellen die Vergangenheit zu leugnen, nur weil es nicht mehr mit belastenden Erfahrungen konfrontiert werden möchte?

  • Das "Peter lebt jetzt als Frau"-Beispiel zeigt, dass es auch Herausforderungen bei der Berichterstattung gibt.

    Solche Überschriften kommen ja meist vor, wenn eine prominente Person einen Identitätswechsel vornimmt. Die Masse kennt die Person unter dem Deadname. Wie gestalte ich dann die Überschrift, dass trotzdem jeder weiß, wer gemeint ist, ohne in diese Falle zu tappen?

    Komplett "korrekte" Beispiele würden (zumindest in der Überschrift) nur den Nachnamen und den neuen Namen nennen. Wenn es sich um einen Allerwelts-Nachnamen gerade wie "Müller" handelt ist es aber trotzdem noch schwierig.

    Man kann sich natürlich teilweise behelfen, wenn die Person bekannt für die Mitarbeit etwa in einer Band oder einem Film ist ("FilmX-Star Müller" ...). Aber wenn das nicht der Fall ist, da würden mich knackige Beispiele für gute Überschriften interessieren.