Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes: Keine Inklusion von CDU und CSU

Das Selbstbestimmungsgesetz kann ein Fortschritt sein. Doch die Regierung setzt damit durch, was mit den Konservativen noch nicht fertig verhandelt ist.

Ein Papierfähnchen auf der Straße.

Grüne und Liberale wollen All-in gehen: Ein Progressive-Pride-Fähnchen beim CSD in Köln Foto: Christoph Hardt/imago

Das sogenannte „Selbstbestimmungsgesetz“, das „Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag“, dessen Entwurf steht und das ab sofort in die parlamentarischen Beratungen gehen wird, ist gewiss bestens gemeint: Transmenschen sollen alle Steine aus dem Weg geräumt werden, auf dass sie ihr soziales und kulturelles Geschlecht selbst wählen können.

Einem Mann, der seine Biologie für einen Irrtum hält und sich als Frau fühlt, soll es möglich sein, sich bei den Behörden als Frau zu melden – und umgekehrt. Psychiatrische Prüfungen, ob der Wunsch nach einem Leben im nichtgeborenen Geschlecht überhaupt legitim ist, darf es dann, so sieht das Gesetz es vor, nicht mehr geben, um im anderen Geschlecht zu leben.

Das kann als Fortschritt begriffen werden. Es handelt sich tatsächlich um eine krasse Minderheit an Menschen, die dieses Gesetzesvorhaben betrifft. In Wahrheit aber zielen zumindest die Grünen, überwiegend queeristisch orientierte Akteure bei diesem Projekt, auf eine andere gesellschaftliche Verfasstheit genderdemokratischen Lebens: Trans­frau­en sind Frauen – so sagen sie, aber das ist falsch. Transfrauen sind Transfrauen, aufgewachsen in männlicher Biologie und in Transition zu dem, was sie sein wollen, eine Frau. Gut so.

Aber abgesehen davon, dass dieses Gesetz die Geschlechterbinarität nachgerade feiert und – anders als die Feministinnen und ihre Alliierten von einst – zu wissen glaubt, was eine Frau (oder einen Mann) ausmacht, bringt das Projekt errungene Frauenschutzräume in Gefahr. Übergriffigkeiten, die aus anderen Ländern berichtet wurden, von als Frau sich erklärt habenden Männern an Frauen, nicht ausgeschlossen.

Kein sexualdemokratisches Vorhaben

Die – allerdings schweigende – Mehrheit der Transmenschen in Deutschland fürchtet dabei vor allem eines: dass ihr Leben nun atmosphärisch schwieriger wird, weil das „Selbstbestimmungsgesetz“ top down, also ohne die politische Inklusion der CDU/CSU, durchgesetzt wird.

Es ist, anders als bei der „Ehe für alle“, die im Jahre 2017 beschlossen wurde, kein sexualdemokratisches Vorhaben, das auch nur im mindesten probiert, die Konservativen einzubinden. Grüne und Liberale wollen „All In“ gehen – sie wollen fundamental am demokratischen Diskurs vorbei von oben herab durchsetzen, was noch lange nicht als lebensbessernde Reform fertig verhandelt worden ist.

Die Ampel trägt nun die Verantwortung, es den konservativen Ressentiments leicht zu machen – und den Rechtsextremen populismusfähiges Wahlkampffutter geschenkt zu haben.

So geht Inklusion nicht.

Im Gegenteil.

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Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Kurator des taz lab und des taz Talk. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders der Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. Er ist auch noch HSV-, inzwischen besonders RB Leipzig-Fan. Und er ist verheiratet seit 2011 mit dem Historiker Rainer Nicolaysen aus Hamburg.

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