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Schäden nach der Corona-ImpfungGericht prüft Haftung

Eine junge Frau klagte zunächst erfolglos gegen den Hersteller eines Covid-19-Impfstoffs. In zweiter Instanz will ein Gericht die Hinweise nun prüfen.

Eine Ampulle mit dem Covid-19 Impfstoff von AstraZeneca Foto: Fotostand/imago

berlin taz |Rund 65 Millionen Menschen haben sich seit Dezember 2020 in Deutschland gegen einen schweren Verlauf von Covid-19 impfen lassen. In sehr seltenen Fällen hatte diese Impfung dramatische Folgen für die Geimpften. Einige dieser möglichen Impfschäden werden aktuell vor Gerichten verhandelt, bislang gab es in erster Instanz mehrheitlich Klageabweisungen. In zweiter Instanz hat nun das Oberlandesgericht Bamberg entschieden, der Klage einer jungen Frau gegen einen Impfstoffhersteller weiter nachzugehen.

Der Berliner Fachanwalt für Medizinrecht, Volker Loesch­ner, vertritt die Interessen der 33-jährigen Klägerin. Nach seinen Angaben hatte sich die junge Frau am 10. März 2021 mit dem Impfstoff Astrazeneca impfen lassen. Kurz darauf erlitt sie eine Darmvenenthrombose, habe tagelang im Koma und Wochen im Krankenhaus gelegen. Große Teile des Darms mussten entfernt werden, die Schädigung werde die Frau ein Leben lang begleiten.

In diesem Fall besonders interessant ist der genaue Zeitpunkt der Impfung.

Das britisch-schwedische Unternehmen Astrazeneca war einer der Hersteller, die sehr früh eine Impfung gegen Covid-19 auf den Markt brachten. Ende Januar 2021 lag die bedingte Zulassung der Europäischen Arzneimittelbehörde vor, kurz darauf begannen auch in Deutschland die Impfungen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfahl die Impfung mit Astrazeneca zunächst nur für Menschen zwischen 18 und 64. Das für Arzneimittelsicherheit zuständige Paul-Ehrlich-Institut verwies zu diesem Zeitpunkt lediglich auf stärkere Impfreaktionen wie Fieber und Krankheitsgefühl direkt nach der Impfung.

Als die Klägerin, die zu dem Zeitpunkt bei der Diakonie arbeitete, am 10. März 2021 mit dem Impfstoff geimpft wurde, habe es keine Therapiefreiheit gegeben und auch keine angemessene Aufklärung, so Anwalt Loeschner.

Tatsächlich waren kurz zuvor erste Fälle schwerer Thrombosen nach der Impfung mit As­trazeneca bekannt geworden. Ein kausaler Zusammenhang mit der Impfung galt zu dieser Zeit als unklar.

Verfahren „noch nicht entscheidungsreif“

Nachdem weitere Thrombosen gemeldet wurden, setzten diverse Länder die Impfung mit Astrazeneca aus, am 15. März auch Deutschland. Nach einer Sicherheitsprüfung stufte die Europäische Arzneimittelbehörde die Impfung mit Astrazeneca am 18. März weiter als sicher ein, nahm aber einen Warnhinweis auf sehr seltene Fälle spezieller Thrombosen auf. Am 30. März 2021 beschloss die Stiko, den Impfstoff nur noch für Personen ab 60 Jahren zu empfehlen.

War es am 10. März 2021 im Sinne einer sorgfältigen Risiko-Nutzen-Abwägung angemessen, eine selbst weniger gefährdete gesunde junge Frau mit dem Impfstoff zu impfen? Hatte der Hersteller zu diesem Zeitpunkt bereits Hinweise auf schwere gesundheitliche Gefährdungen zu beachten und darüber aufzuklären? Das sind Fragen, die die Klägerin und ihr Anwalt vom Gericht nun in zweiter Instanz geklärt wissen wollen. Das Landgericht in Hof hatte die Klage noch ohne weitere Beweiserhebung abgewiesen.

Dass die Darmvenenthrombose in diesem Fall eine direkte Folge der Impfung ist, hat laut Anwalt Loeschner bereits das Versorgungsamt Bayern anerkannt. Die Klägerin erhalte seit vergangenem Jahr eine monatliche Zahlung von 283 Euro. Davon könne die Frau, die aufgrund der Schädigung derzeit nur 10 Stunden pro Woche arbeiten könne, nicht einmal die Miete bezahlen. Auch bei nachgewiesener Impfschädigung zahlen die Versorgungsämter weder vollen Verdienstausfall noch Schmerzensgeld. Deshalb klage seine Mandantin nun direkt gegen den Impfstoffhersteller.

Das Oberlandesgericht Bamberg wies die Klage am Montag nicht ab, sondern befand das Verfahren für „noch nicht entscheidungsreif“. Zwar sah das Gericht keine Hinweise auf eine Haftung wegen „unvertretbarer schädlicher Wirkungen“ des Impfstoffs. Ob die Klägerin aber dem damaligen wissenschaftlichen Stand entsprechend über das Risiko einer Darmvenenthrombose aufzuklären gewesen sei, will das Gericht nun mittels Sachverständigengutachten herausfinden.

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17 Kommentare

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  • Der Impfschaden ist im vorliegenden Fall klar. Dürfte bei Astra Zeneca Geimpften eine höhere zweistellige Zahl in Deutschland sein. (das ist wenig!)



    Die monatliche Entschädigung ist ein Hohn.



    Es wird interessant, ob im Rahmen der Ermittlung herauskommt, dass Astra Zeneca schon früher davon wusste. Ich glaube es nicht.

    Was wir bei der Sache nicht vergessen sollten: in Indien wurde dieser Impfstoff hunderte Millionen Mal verabreicht, es dürfte dort eine deutlich höhere Zahl an Betroffenen geben. Trotzdem kräht kein Hahn danach. Denn dort sind die katastrophalen Folgen der Deltawelle bei größtenteils ungeimpfter Bevölkerung unvergessen. Zu der Zeit als Delta nach Deutschland kam waren die meisten Impfwilligen bei uns bereits 2x geimpft. Heißt, der Preis selbst dieser potentiell tödlichen Impfnebenwirkung des Astra-Zeneca Impfstoffes ist weit geringer als der Preis für die Auswirkungen von Delta auf eine ungeimpfte Bevölkerung. Wir haben sehr viel Glück in Deutschland gehabt!

    Essenz: wir sollten angesichts des Wohlstands in Deutschland diese Fälle großzügig entschädigen, das sind wir als Gesellschaft den Menschen schuldig.



    Es ist aber mit Sicherheit kein Massenphänomen.

  • Was man hier wieder lesen muss....

    Nein, die "Impfaktion" war nicht zu schnell.



    Und nein, Menschen mit Vorerkrankungen wurden nicht gedrillt zum Impfen.

    Was ist los mit den Deutschen?



    Kennt ihr den Begriff "Eigenverantwortung" nicht?

    Ist ja nicht das erste Mal, dass so substanzloses Jammern von Deutschen kommt...

    • @Tyramizou:

      Sie müssen auch nichts lesen.



      Doch, es war teilweise zu schnell und es gab öffentlichen Druck sich impfen zu lassen.



      Was das ganze mit Deutschen zu tun hat weiß ich nicht, meiner Meinung nach sind Deutsche genauso dämlich wie alle anderen auch.

      • @Jesus:

        Es war ja auch ne Pandemie.



        Natürlich ist da der Druck groß.

        Es leben so viele Millionen in Deutschland, eng an eng... und in Deutsche haben es ja nicht einmal hinbekommen, eine Maske richtig zu benutzen!

        Klar, dass da der Impfdruck groß ist, während einer Pandemie, von einem Ausmaß, das man nicht so leicht überblicken kann.

        Das letzte Ereignis dieser Art ist über 100 Jahre her. Klar, dass man da nicht gewappnet ist.

        Genau deswegen ist das Impfen, sobald es einen Impfstoff gibt, oberste Priorität.

        Das sollte jedem Menschen mit ein klein wenig Verstand, klar sein.

        "Was das ganze mit Deutschen zu tun hat weiß ich nicht, meiner Meinung nach sind Deutsche genauso dämlich wie alle anderen auch."

        ...ich sag nur "Querdenker" und "AfD"



        nichts aus der Geschichte des EIGENEN Landes lernen ist schon besonders dumm.

        • @Tyramizou:

          Was hat das Ganze mit Deutschlands Geschichte zu tun?

          • @Jesus:

            Einiges.

  • Wünsche sehr viel Erfolg!



    Diese ganze Impfaktion war zu schnell und ohne wirkliche Aufklärung.



    Bevor jetzt Protest kommt.



    Bin 3mal geimpft und kämpfe immer noch mit daraus hervorgegangenen Problemen.



    Sind allerdings nicht so gravierend.

    • @H.L:

      "Diese ganze Impfaktion war zu schnell und ohne wirkliche Aufklärung."

      Wie kommst du zu dieser Aussage, was für Referenzen hast du um diese Aussage zu treffen, es wäre zu schnell gewesen?

      AUFKLÄRUNG gab und gibt es zuhauf. Auch schon vor Covid-19 hat man gewusst, wie Impfungen funktionieren.

      Und nach 2 Jahren Pandemie sollte es auch der letzte Nachzügler begriffen haben.



      Eigenverantwortung? Wo ist die nur geblieben?

    • @H.L:

      "Diese ganze Impfaktion war zu schnell und ohne wirkliche Aufklärung."

      Und dennoch hat sie allemal eine halbe Million Leben gerettet.

      • @Ajuga:

        Es gibt ja nicht nur die zwei Möglichkeiten einfach alle zu impfen oder niemanden.



        Menschen mit Vorerkrankungen die die Impfung nicht gut vertragen, hätten nicht auf teufel komm raus geimpft werden müssen.



        Die halbe Million ist wahrscheinlich eh aus der Luft gegriffen.

        • @Jesus:

          man kann auch genauer werden:

          "64,9 Mio. Menschen (77,9 % der Bevölkerung) haben eine Impfdosis erhalten."

          Wieviel Millionen davon das Leben gerettet wurden... nun ja, spielt das bei solch einer Zahl echt noch eine Rolle?

        • @Jesus:

          Wurden denn Menschen, von denen man wusste oder vermutete, dass sie die Impfung nicht gut vertragen, auf Teufel komm raus geimpft?

        • @Jesus:

          "Menschen mit Vorerkrankungen die die Impfung nicht gut vertragen, hätten nicht auf teufel komm raus geimpft werden müssen."

          Diese Gruppe ist auch nicht 'auf Teufel komm raus' geimpft worden, das ist jedem Menschen selbst überlassen worden.

          Warum so viele unbelegte Behauptungen?

          • @Tyramizou:

            Zum Beispiel Menschen die in der Pflege gearbeitet haben mussten sich impfen lassen, auch wenn vorher klar war das es nicht gut für sie ist.



            Und das es großen Druck gegeben hat sich impfen zu lassen, außerdem davon gesprochen wurde es gäbe gar keine Nebenwirkungen habe ich schon so wahrgenommen.



            Ich hätte mich sowieso impfen lassen, andere aber vielleicht nicht.

            • @Jesus:

              Falsch! Die Impfpflicht im Gesundheitswesen war erst viel später in Kraft. Im März war es lediglich so, dass Pflegekräfte zu den Hochpriorisierten gehörten, die die Impfung bereits bekommen durften. Zu der Zeit wurde sich freiwillig darum gerissen!

              Menschen mit Vorerkrankungen sind selbstverständlich frühzeitig geimpft worden, weil sie viel stärker durch COVID gefährdet waren.

              Es gab so gut wie keine Gruppe, die eine erhöhte Gefährdung für Impfnebenwirkungen hatte, außer:



              Astra-Zeneca: Menschen (v.a. Frauen) unter 60 - sofortige Reaktion nach Erkentniss war die Anpassung der Impfempfehlung



              Moderna: junge Männer unter 30 - ebenfalls dort wurde die Empfehlung schnell angepasst

            • @Jesus:

              wer sich während einer Pandemie bewusst nicht impfen lässt obwohl medizinisch nichts im Wege steht, der gefährdet alle anderen Menschen.

              Und er müsste dafür eigentlich die Konsequenzen tragen.

              Nur nicht in Deutschland - "Konsequenzen" gibt's da nicht.

              • @Tyramizou:

                Ok, wir sind da unterschiedlicher Meinung, sie sagen alles war toll, ich sehe einige kritische Punkte.



                Einig sind wir uns wohl darin das es geholfen schnell Impfstoffe zu entwickeln und diese kostenlos zu verteilen.



                In welchen anderen Land gab es den Konsequenzen, oder mögen Sie einfach Deutschland nicht?