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CO2-Abspaltung und -SpeicherungViele Wege, ein Ziel

Durch neue Technik und einen anderen Umgang mit dem Erdboden kann man der Atmosphäre CO2 entziehen: mit Pflanzenkohle und Humusanreicherung.

Der Erhalt humusreicher Böden ist am effizientesten, um CO2 langfristig zu binden Foto: Werner Wulf/imago

Berlin taz | Um den Klimawandel zu verlangsamen, muss der Ausstoß des klimaschädlichen Gases Kohlendioxid (CO2) reduziert werden. Zugleich propagieren Klimawissenschaftler aber auch Verfahren, der Atmosphäre bereits emittiertes CO2 wieder zu entziehen. Das kann mit unterschiedlichen Verfahren geschehen.

Eines nennt sich „Direct Air Capture (DAC)“. Bei dieser Technik wird CO2 physikalisch oder chemisch aus der Umgebungsluft abgeschieden. Das ist energieaufwendig und teuer: Pro Tonne CO2 kostet das 800 bis 1.000 Euro. Günstiger ist es, wenn man direkt in die Minderung von Emissionen investiert. Für rund 85 Euro pro Tonne kann man zum Beispiel derzeit Zertifikate im europäischen Emissionshandel kaufen und stilllegen – und so die insgesamt erlaubte Emissionsmenge reduzieren. Aus ökonomischer Sicht wird DAC erst dann rentabel sein, wenn dessen Preis pro Tonne niedriger liegt als jener im Emissionshandel.

Auch rein energetisch betrachtet ist das Verfahren aktuell wenig sinnvoll: Pro Tonne CO2 werden 1.000 Kilowattstunden Strom benötigt. Hinzu kommt ein mehrfacher Bedarf an Wärme. Um die nationalen Emissionen zu kompensieren, würde nicht einmal die hierzulande erzeugte Strommenge ausreichen. Fazit: Es ist erheblich günstiger, von fossilen auf erneuerbare Energien umzusteigen, als Öl, Kohle und Gas erst zu verbrennen und dann zu versuchen, die Emissionen wieder einzufangen.

Ein zweites Verfahren heißt „Bioenergy with Carbon Capture and Storage (BECCS)“, also „Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung“. Die Nutzung von Bioenergie ist – abgesehen von zusätzlicher Prozessenergie, etwa für die Ernte der Pflanzen – innerhalb des gesamten Wachstumszyklus der Pflanze CO2-neutral. Wenn man aber zum Beispiel bei einer Biogasanlage das entstehende CO2 abtrennt und endlagert (etwa in ausgebeuteten Gas- oder Erdöllagerstätten), entzieht man der Atmosphäre am Ende sogar CO2.

Mithilfe von Pflanzen CO2 entziehen

Das Problem jeder CO2-Abtrennung (CCS) aus Verbrennungsprozessen ist jedoch laut Umweltbundesamt „vor allem der enorme zusätzliche Energieaufwand für die Abscheidung, den Transport und die Speicherung“. CCS erhöhe – bei gleicher Ausbeute an Nutzenergie – den Verbrauch an begrenzt verfügbaren Rohstoffen um bis zu 40 Prozent.

Auch mithilfe von Pflanzen kann man der Atmosphäre CO2 wieder entziehen. Die machen das zunächst ganz automatisch. Das zeigt sich anschaulich am Jahresgang der globalen CO2-Konzentration: In der Vegetationsperiode der deutlich landreicheren Nordhalbkugel sinkt der atmosphärische CO2-Gehalt stets und liegt im September je nach Weltregion bis zu 18 ppm (parts per million) niedriger als zum Ende des hiesigen Winters. Pflanzenwachstum hat also großen Einfluss auf den atmosphärischen CO2-Gehalt.

Pflanzen, die verrotten, geben ihren gespeicherten Kohlenstoff aber wieder ab. Es sei denn, dieser wird fossil gebunden – wie es bei der Bildung der Kohle der Fall ist. Deshalb wird heute versucht, die alte Kunst des Köhlerhandwerks neu zu etablieren und Pflanzenkohle zu erzeugen. Anders als klassischerweise die Holzkohle soll diese aber nicht verbrannt werden, sondern im Boden verbleiben, um den Kohlenstoff langfristig zu binden.

Große Mengen Kohlenstoff im Humus

Auch im Humus sind große Mengen Kohlenstoff gebunden: Ackerböden speichern im Schnitt etwa 95 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar, Dauergrünland fast das Doppelte. Der ­Humusgehalt in Ackerböden liegt bei zumeist 1 bis 4 Prozent, bei humusbildender Bewirtschaftung sind je nach Bodenart auch Werte bis 8 Prozent möglich. Grünland kann sogar bis zu 15 Prozent Humus anreichern.

Würde man auf allen Ackerflächen in Deutschland den Humusgehalt um 1 Prozentpunkt erhöhen, würde man etwa so viel Kohlenstoff binden, wie Deutschland in einem Jahr in Form von CO2 ausstößt. Der Erhalt und der Aufbau humusreicher Böden – speziell von Grünland und Mooren – dürfte damit einer der effizientesten (auch kosteneffizientesten) Wege sein, CO2 langfristig zu binden.

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7 Kommentare

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  • Bei den immer wiederkehrenden Aussagen darüber, wieviel zusätzlicher Humus im Boden aufgebaut werden kann, bin ich mit meinem Wissen einfach skeptisch.



    Vielleicht gibt es hier ja einen Bodenkundler der mich beruhigen kann.

    Wenn Humus aus kommunalen Reststoffen, gleich welcher Art zugeführt wird, kann ich mir vieles auf kleinen Flächen vorstellen. Wenn es aber aus einer bewirtschafteten Fläche heraus selbst generiert werden soll, krieg ich im Kopf eine solche Bilanz nicht hin. Vor allem dann nicht, wenn gleichzeitig die Nahrungsmittelproduktion nicht zurückgehen soll.

    Das C/N Verhältnis im Humus (kein Torf!) sollte je nach Literatur sagen wir mal 12-8 : 1 betragen Teilweise kann der Stickstoff ja durch eine legume Zwischenfrucht beigesteuert werden. Das klappt aber nur, wenn ausreichend Feuchtigkeit und Tageslänge vorhanden ist.



    Wenn ich aber aus dem System des aktuell praktizierten Biolandbaus heraus denke, dann nehme ich diesen Stickstoff auch gerne, um ihn im nächsten Jahr den "cash crops" (Marktfrüchten) zur Verfügung zu stellen. Tue ich das nicht und manage meine Boden dahingehend, dass der Stickstoff in einem Dauerhumus fixiert wäre (rein theoretisch, schwierig genug), dann sinkt im Bioanbausystem automatisch der Ertrag.



    Wer kann mir diesen Konflikt bilanziell lösen? Und warum sagten zu meiner Zeit die Bodenkundler immer: Humusaufbau ist schwierig und nur begrenzt möglich?

    Ich habe jetzt kein 20 Jahre altes Agroforstsystem vor Augen. Da könnte ich mir einiges vorstellen.

  • Müll den man vermeidet muss man nicht "speichern".



    Diese Idee ist trotzdem gut, nur wird sie dem Kostendruck des "Hauptsache billig"-Konsumverhaltens nicht standhalten.

  • Guter Beitrag!



    Humusgehalt steigern auf den Äckern hätte zudem den Vorteil dem Boden eine höhere Wasserspeicherkapazität zu verpassen. Somit weniger Trockenstress für die Pflanzen.

    • @Tom Farmer:

      Wieviel % Humus ist denn zurzeit im Boden 1%Punkt mehr klingt ja recht wenig und leicht umsetzbar.

      • @Jesus:

        Steht alles oben im Artikel. Je nach Standort und Bewirtschaftung 2-10%. In jahrelangen Mais Monokulturen ganz unten.



        Erntereste einarbeiten, Kompost aufbringen, Dünger aus Viehhaltung besser verteilen.

  • Danke dafür, dass Sie mal die Grössenordnungen übersichtlich aufreihen.

    CCS ist ein Ding, nur nicht /statt/, sondern /zusätzlich/ und /nach/ der Energiewende. Das mögen sich die vielen "Fachleute" mal hinter die Ohren schreiben.