ein Haufen Holzpellets

Nachhaltiger als Kohle? Dank dieses Mythos werden Holzpellets immer beliebter Foto: ingimage/imago

EU-Subventionen für Pellets:Europa auf dem Holzweg

In Europas Kohlekraftwerken werden immer mehr Pellets verbrannt – subventioniert durch die EU. Dass das so bleibt, dafür sorgt auch die Holzlobby.

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10.7.2023, 13:26  Uhr

Man muss nicht lange suchen, um das Kraftwerk Amercentrale im beschaulichen Örtchen Geer­truidenberg zu finden. Der große Rauchschwaden, der aus dem 175 Meter hohen Schornstein von „Unit 9“ aufsteigt, ist unübersehbar. Inmitten der kleinen Backsteinhäuser und akkurat gepflegten Vorgärten sticht der Anblick hervor. Geertruidenberg liegt in der niederländischen Provinz Noord-Brabant, nur etwa 50 Kilometer von Rotterdam entfernt.

Marjanne van Ginkel-Vroom ist Pressesprecherin des Energiekonzerns RWE in den Niederlanden, der Amercentrale betreibt, und zeigt auf ein beladenes Schiff am kraftwerkseigenen Hafen. „Jeden Tag legt hier ein solches Boot an. Das sind im Schnitt 2.500 Tonnen Holzpellets. So viel verfeuern wir manchmal an einem Tag.“

Das Amer-Kraftwerk verbrennt jährlich 1,7 Millionen Tonnen der kleinen Holzstäbchen. Mit einem Durchmesser von weniger als 7 Millimeter sehen sie fast aus wie Tierfutter. Nur noch etwa 15 Prozent des im Amer-Kraftwerk erzeugten Stroms stammt aus Kohle. „Die Pellets lassen sich ähnlich wie Steinkohle verarbeiten und sind zudem viel sauberer. Ab Sommer 2024 wollen wir gar keine Kohle mehr verwenden“, erklärt die Holländerin stolz.

Doch was ist dran an der Sauberkeit der Pellets? Ziemlich wenig, wenn es nach dem Wetterexperten Jörg Kachelmann geht. „Nichts ist dreckiger als die Verbrennung von Holz oder Pellets.“ Es war 1984, als Kachelmann oberhalb der Gotthard-Autobahn in der Schweiz die erste Ozon-Messstation eingerichtet hat. Heute twittert er fast täglich Feinstaubdiagramme. Dabei prophezeit er Unheilvolles. „Wir steuern geradewegs auf eine lufthygienische Feinstaubkatastrophe zu. Die Obsession, Sachen zu verbrennen, hat katastrophale Auswirkungen auf Mensch, Umwelt und Klima.“

Der 64-Jährige sieht sich als Teil einer „Grünen Öko-Guerilla“ und wird nicht müde, Überzeugungsarbeit zu leisten. Was er von der Verbrennung von Holzpellets in Kraftwerken halte? „Nichts“, antwortet er knapp gegenüber der taz.

RWE hat bereits in den 1990ern erkannt, dass sich Holzpellets nicht nur als Wärmequelle in Privathäusern eignen, sondern auch zur Stromerzeugung in großen Kraftwerken genutzt werden können. Eine willkommene Möglichkeit, Kohlekraftwerke, die im Zuge der Energiewende abgeschaltet werden sollten, am Netz zu lassen und auf die Pelletverbrennung umzurüsten.

Das Kraftwerk in Geer­truidenberg ist nicht das einzige, das der Konzern auf Biomasse umstellt. Ein zweites niederländisches Kraftwerk, in Eemshaven an der Nordsee, soll in Zukunft ebenfalls ausschließlich organische Stoffe verbrennen – pünktlich zum in den Niederlanden für 2030 angepeilten Kohleausstieg. Der Konzern wolle schnellstmöglich weg von der schmutzigen Kohle, investiere auch viel in Solar und Wind.

„Doch was, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht?“, fragt van Ginkel-Vroom. Es brauche eine verlässliche Strom- und Wärmequelle und „die Verbrennung von Holz ist eine CO2-neutrale Alternative“, behauptet sie. Bei der Verbrennung werde „nur so viel Kohlenstoff freigesetzt, wie die Bäume vorher aufgenommen haben“.

Viel schlimmer als Gas oder Kohle

Michaela Kruse vom Naturschutzbund Deutschland Nabu weist das zurück. „Das Verbrennen von Holz setzt pro Energieeinheit sogar mehr CO2 frei als Kohle.“ Auf Webseiten der Holzlobby sind dazu Werte von nur 22 Gramm CO2 pro Kilowattstunde zu finden. Wolfgang Lucht vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung sagt hingegen, Pellets verursachen tatsächlich bei der Verbrennung die dreifache CO2-Menge wie Gas und doppelt so viel wie Kohle – rund 750 Gramm pro Kilowattstunde.

Kruse kämpft seit Jahren für den Kohleausstieg und eine nachhaltige Energiewende. „Es dauert Jahrzehnte, bis das ausgestoßene CO2 wieder in nachwachsenden Bäumen gebunden ist. Diese Zeit haben wir bei der Bekämpfung der Klimakrise nicht“, sagt sie. Doch da die Verbrennung von Holz in der EU „auf dem Papier klimaneutral ist, lassen sich so Klimabilanzen aufhübschen“.

Mehrere große Kohlekraftwerke, die auf Holzverbrennung umgerüstet wurden, wurden dabei durch staatliche Subventionen unterstützt. Darunter jene von RWE in den Niederlanden, das Kraftwerk Drax in England oder Ørsted in Dänemark. Dabei ist die Stromgewinnung aus Holzverbrennung sehr ineffizient. Das Kraftwerk Drax, welches die Prozesswärme einfach in die Außenluft ableitet, schneidet mit einem Wirkungsgrad von weniger als 40 Prozent besonders schlecht ab. Das bedeutet, dass sehr große Mengen Holz verbrannt werden müssen, um einen vergleichsweise geringen Teil an Strom zu erzeugen.

Die Genehmigung zur Kohleverbrennung der niederländischen Regierung für das Amer-Kraftwerk läuft 2025 aus. Ob der Umstieg auf alternative Energien – und der Kohleausstieg – wirklich so freiwillig ist, wie die RWE-Sprecherin van Ginkel-Vroom suggeriert, ist fraglich. Von dem 2019 gefassten Beschluss des niederländischen Parlaments zum Kohleausstieg war RWE jedenfalls wenig begeistert. Der Konzern verklagte die Niederlande deshalb 2021 auf Schadenersatz in Milliardenhöhe. „Ein Eingriff in Eigentum, ohne eine Entschädigung dafür zu erhalten, ist nicht akzeptabel“, so RWE. Die Klage wurde abgewiesen.

Zu schnell und zu viel abgeholzt

Die industriellen Kraftwerke verschlingen riesige Mengen an Holzpellets. In der gestiegenen Nachfrage auf dem Holzmarkt sieht Kruse eine Gefahr für die Wälder, die als eine der wichtigsten Treibhausgas-Senken, also Systeme, die Kohlenstoff binden können, unverzichtbar sind. Einige europäische Länder haben seit 2018 ihre Wald-CO2-Senken effektiv verloren: Die Entwaldung und der beanspruchte Boden setzen mehr Emissionen frei, als die Wälder binden. Das passiert dann, wenn zu viel abgeholzt wird und sich die Wälder nicht schnell genug erholen können.

Aussenaufnahme des Kraftwerks Amercentrale in den Niederlanden mit rauchendem Schornstein und Stromleitungen

Frisst bis zu 2.500 Tonnen Holzpellets an einem Tag: Das RWE-Kraftwerk Amercentrale Foto: Pro Shots/imago

Zum Beispiel in Estland, Europas größter Pellet-Exporteur, in dem jährlich zehn bis zwölf Millionen Kubikmeter Holz eingeschlagen werden. Hier, wie auch in den anderen baltischen Staaten, treibt die estnische Pellet-Firma Graanul Invest die Abholzung voran, um europäische Kohlekraftwerke zu beliefern. Auch in Finnland, das zu drei Vierteln von Wald bedeckt ist, ging die Waldsenke bereits verloren. In Rumänien, berühmt für Europas letzte Urwälder, droht das Szenario ebenfalls einzutreten.

Und nicht nur europäische Wälder leiden. „Drax, eines der weltweit größten auf Holzpellets umgerüsteten Kohlekraftwerke, verbrennt jedes Jahr mehr Holz, als im gesamten Vereinigten Königreich geerntet wird. Es handelt sich dementsprechend hauptsächlich um importierte Holzpellets“, so Kruse.

Auch RWE ist auf Lieferungen aus dem Ausland angewiesen: Estland, Lettland, Finnland und Nordamerika gehören zu den Hauptlieferanten. Alles Regionen, die wegen übermäßiger Rodungen in der Kritik stehen. Auf den Websites von RWE und Drax stehen neben Fotos von sattgrünen Wäldern vor allem Nachhaltigkeitsversprechen. Die verwendeten Holzpellets bestünden fast ausnahmslos aus gepressten Sägespänen und Holzresten.

Ganze Baumstämme gehen drauf

Dasselbe behauptet der US-amerikanische Pelletgigant Enviva, der sowohl RWE als auch Drax mit tonnenweise Pellets versorgt. Der Konzern ist auf Erfolgskurs, seit 2009 die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU in Kraft trat. Die Richtlinie stufte die Verbrennung von Holz pauschal als klimaneutral ein – die Nachfrage nach Holzpellets schoss in die Höhe und der ehemals kleine Pelletproduzent wurde zum Weltmarktführer.

Aber nicht nur Enviva ist seither gewachsen. Laut der Waldschutz-NGO FERN stieg auch der CO2-Ausstoß, der auf die Verbrennung von Biomasse in der EU zurückzuführen ist, seither um 50 Prozent an.

Heute produziert Enviva knappe 6,2 Millionen Tonnen Pellets pro Jahr – und zwar auf Kosten der Wälder, wie Recherchen des Deforestation Inc.-Projekts zeigen. Das internationale Rechercheteam deckte auf, dass nur wenig hinter den Versprechen der Konzerne steckt, und zeigt, wie Enviva in North Carolina Wälder kahlschlägt, ganze Baumstämme zerhäckselt und nebenher seine Fabriken in die direkte Nachbarschaft von vorwiegend schwarzen und armen Gemeinden setzt. RWE und Drax sind gute Kunden.

Nirgendwo ist die Nachfrage nach Holzpellets so hoch wie in den Ländern der EU und Großbritannien. Die Energiekrise und die hohen Energiepreise sorgen ebenso für hohe Pelletpreise. Das macht das Geschäft für Pel­le­ther­stel­le­r:in­nen lukrativ. Im letzten Jahr trieb der Ukraine­krieg die Preise sogar derart in die Höhe, dass „es für Sägewerke sinnvoller war, ihre Sägenebenprodukte an Pel­le­ther­stel­le­r:in­nen als an Spanwerke zur Herstellung von MDF-Platten zu verkaufen“, so Anemon Strohmeyer, Geschäftsführerin vom Verband der deutschen Holzwerkstoffindustrie.

Falschinformation und Unsicherheit
Michaela Kruse vom Nabu

„Es dauert Jahrzehnte bis das ausgestoßene CO2 wieder in nachwachsenden Bäumen gebunden ist. Diese Zeit haben wir nicht“

Mit der Mitte Juni vom Rat beschlossenen Überarbeitung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) hätte sich vieles ändern können. Es wurde neu verhandelt, ob und wie Holzverbrennung in Zukunft als erneuerbare Energie gezählt und gefördert werden kann.

„Doch die Holzlobby hatte einen starken Einfluss auf das Ergebnis“, sagt Martin Häusling. Der EU-Abgeordnete vertrat bei den RED-III-Verhandlugen die Anliegen der Grünen im EU-Umweltausschuss. „Zum einen waren da die Interessen von Schweden und Finnland. Das sind Länder, in denen die Forstwirtschaft eine so wichtige Bedeutung hat wie die Automobilindustrie in Deutschland.“ Schweden führte bis vor Kurzem den Vorsitz im EU-Rat.

„Doch auch die Kampagne der Waldbesitzer in Bayern und Österreich sorgte durch Falschinformationen für viel Unsicherheit“, so Häusling. Der Vorschlag des Parlaments richtete sich weitgehend nach den Empfehlungen des Umweltausschusses. Der wollte unter anderem Subventionen für die Verbrennung von Primärholz – also Holz, das weder Neben- noch Abfallprodukt ist – zukünftig nicht mehr erlauben. Außerdem sollten die EU-Mitgliedstaaten ihren Holzanteil am Erneuerbaren-Mix bis 2030 reduzieren.

Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzer setzte dagegen ein Protestschreiben auf, das von mehr als 250.000 Mitgliedern unterzeichnet wurde. Immer mehr besorgte Wald­be­sit­ze­r:in­nen meldeten sich bei den Abgeordneten. Martin Häusling schüttelt den Kopf. „Zu keinem Zeitpunkt wollten wir die Holzverbrennung verbieten. Kleinere Verbrennungsanlagen unter 5 Megawatt wären ohnehin unter eine Sonderregelung gefallen.“

Wachstum durch Kahlschlag?

Josef Ziegler sieht das anders. Er biegt mit seinem Geländewagen in ein Waldstück im Landkreis Cham in Bayern ab. Es ist still. Und düster. Dicht an dicht reihen sich hier hochgewachsene Fichten. Die Fichte ist mit einem Anteil von über 40 Prozent die am häufigsten vorkommende Baum­art in Bayern. Bis in die 70er Jahre herrschte Konsens darüber, dass dieser Baum die Lösung sei, um kahle Flächen wieder zu bewalden. Doch heute führen die Monokulturen zu Problemen.

Portrait von Josef Ziegler, der in einem Wald an einem Baum lehnt

Je beliebter das Holz, desto besser kümmern sich Besitzerinnen um ihren Wald, glaubt Josef Ziegler Foto: Franziska Gerneth

Josef Ziegler ist studierter Forstwirt und selbst Besitzer eines 2,3 Hektar großen Waldstücks. Er und andere Wald­be­sit­ze­r:in­nen in der Region seien dem Wald stark verbunden, schließlich würden die Waldstücke über Generationen weitervererbt. Doch in die Zukunft blickt er pessimistisch. „In 30 Jahren wird von diesen Bäumen nicht mehr viel übrig sein. Unsere Fichten sterben. Das 1,5-Grad-Ziel, von dem immer alle sprechen, haben wir hier schon überschritten. Die Natur macht das nicht mehr mit. Die meisten dieser Bäume werden der Dürre und Hitze zum Opfer fallen. Den Rest erledigt dann der Borkenkäfer.“

Ziegler setzt sich seit mehr als 20 Jahren für die Interessen der Kleinwaldbesitzenden ein. Eine letzte Hoffnung für die Wälder sieht der 55-Jährige in einem radikalen Waldumbau. Der Wald brauche mehr Vielfalt, um unter den neuen klimatischen Bedingungen zu überleben. Dafür müssen optimale Voraussetzungen für neue Baumarten wie die Eiche, Buche und Tanne geschaffen werden. Das Fällen von Bäumen sei dafür unbedingt nötig, alleine schon, um für Lichteinfall zu sorgen und so neues Wachstum zu fördern.

Ziegler, der selbst immer wieder in Brüssel war, um die Anliegen der Waldbesitzenden hinsichtlich der RED-III-Verhandlungen zu vertreten, ist aufgebracht. Er zeigt auf einen Holzhaufen am Wegrand: „Der Umweltausschuss, beeinflusst von radikalen Naturschutzverbänden, wollte uns mit der Wegdefinierung von Holz als erneuerbare Ressource das Verbrennen von Holz langfristig gesehen verbieten“, sagt er.

Unklare Herkunft, schwammige Formulierungen

Er selbst sei „auch kritisch hinsichtlich des enormen Verbrauchs von Industriepellets“. Doch die Diskussion über Holzenergie werde „zu pauschal betrieben“. Ziegler sieht in der energetischen Nutzung des Holzes einen Anreiz für die Waldbesitzer:innen, ihren Wald nachhaltiger zu bewirtschaften und so am Waldumbau mitzuwirken. Viele in der Region heizen ihre Häuser mit Holz. Geschlagenes Holz nicht verbrennen zu dürfen, wäre „irrsinnig“, so Ziegler.

Im Gegensatz zu Ziegler war Michaela Kruse vom Nabu mit dem Vorschlag des Parlaments zufrieden. „Wenn die Mitgliedstaaten zukünftig nicht noch mehr Holz als erneuerbar anrechnen dürfen, dann dürften keine Subventionen mehr gezahlt werden. In den Niederlanden ist das ein großes Thema, da gab es in der Vergangenheit sehr hohe Subventionen.“

Waldbesitzer Josef Ziegler

„Die meisten dieser Bäume werden der Dürre zum Opfer fallen. Den Rest erledigt der Borkenkäfer“

Trotzdem war der EU-Entscheid auch für deutsche Kraft­werks­be­trei­be­r:in­nen äußerst interessant. Denn bisher gibt es hierzulande nur sogenanntes Co-Firing, also das Mitverbrennen von Holz in Kohlekraftwerken – wie zum Beispiel bei Vattenfall im Berliner Stadtteil Moabit. Kraftwerksumrüstungen liegen noch in der Zukunft: So möchte der Energiepark Tiefstack, betrieben von den kommunalen Hamburger Energiewerken, zukünftig einen Teil der Fernwärme durch Pelletverbrennung decken.

Michaela Kruse ist besorgt über unscharfe Formulierungen bei der benötigten Menge und Herkunft der Holzpellets. Der veröffentlichte Biomasse-Kodex sei zu lasch und würde auch Pellets von Enviva und Graanul Invest nicht ausschließen.

Holzlobby am Werk

Eine noch höhere Menge an Pellets würde das neue Kraftwerk in Wilhelmshaven des Betreibers Onyx benötigen. Der Nabu schätzt den Verbrauch auf drei Millionen Tonnen pro Jahr. Da Deutschland aber insgesamt nur rund 3,5 Millionen Tonnen Pellets produziert, müsse man importieren. Eigentümer von Onyx ist die Riverstone Holding – und die gleichzeitig Hauptaktionär des weltweit größten Pelletunternehmens Enviva. Es liegt nahe, dass Enviva-Pellets verbrannt werden. „In Wilhelmshaven haben sie das schon zugegeben“, sagt Michaela Kruse vom Nabu.

Würde die Verbrennung von Holz nicht mehr pauschal als „erneuerbare Energie“ gelten, fiele eine CO2-Abgabe an. Viele große Kraftwerke wären dann schlichtweg nicht mehr rentabel. Um das abzuwenden, lobbyierten zahlreiche Verbände für eine Abschwächung der Nachhaltigkeitskriterien. Mit dabei war das „Forum für nachhaltige Holzenergie“, das vor allem die Interessen von Kraft­werks­be­trei­be­r:in­nen und Pel­le­ther­stel­le­r:in­nen vertritt.

Mitglieder sind etwa Enviva, Onyx und Wismar Pellets. Letzteres ist mit einer Produktionskapazität von 250.000 Tonnen im Jahr das größte Pelletwerk in Nord- und Ostdeutschland. Wismar Pellets gehört seit Frühjahr 2023 zum Braunkohlekonzern LEAG. Die Naturschutzorganisation Robin Wood wirft dem Unternehmen vor, auch aus Holzstämmen, mit denen sich langlebige Produkte herstellen ließen, Pellets zu produzieren.

Nach taz-Informationen war das „Forum für nachhaltige Holzenergie“ besonders gegen Ende der Verhandlungen sehr aktiv dabei, Abgeordnete davon zu überzeugen, Primärholz weiterhin als klimaneutral zu werten. Ihr Argument: Würde die Nutzung von minderwertigem Stamm- und Rundholz eingeschränkt, würden die Klimaziele nicht erreicht.

Gefakte Klimaneutralität

Der letzte Trilog zwischen EU-Parlament, -Rat und -Kommission fand Ende März statt. Verhandelt wurde hinter verschlossenen Türen. „Unsere Forderung, Primärholz als nicht nachhaltig einzustufen, wurde komplett gestrichen“, so Michaela Kruse. Zwar wurde das europäische Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien bis 2030 von 32,5 auf 45 Prozent anzuheben, festgelegt. „Aber die Ziele können auch durch den Ausbau von Holzverbrennung erreicht werden“, sagt sie.

Einzig Industrieholz bekomme keine direkte finanzielle Unterstützung mehr. „Die Frage ist, wie das von den Mitgliedstaaten definiert wird. ‚Rundholz, das industriell genutzt werden kann‘ – das ist eine schwammige Definition.“ Kruse befürchtet, dass so auch viele Naturwälder eingeschlagen werden könnten. Denn dort würde man besonders viele Bäume finden, die nicht so hochgewachsen und gerade sind wie Kiefern oder Fichten aus ehemaligen Forstplantagen.

Auch der grüne Abgeordnete Martin Häusling sieht das Ergebnis kritisch. „Es war fatal, dass Schweden die Verhandlungen geführt hat. Schweden hat eine sehr starke und bekanntlich wenig nachhaltige Forstwirtschaft und von Anfang an klar dafür plädiert, dass kein Interesse daran besteht, die Verbrennung von Holz irgendwie einzuschränken. Jetzt werden weiterhin massenweise Pellets importiert, die dann in Holland und Dänemark in Kraftwerken verschwinden.“

Die Mitgliedstaaten haben 18 Monate Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht zu überführen. Hier könnte man laut Kruse ansetzen. „Deutschland hat während der Verhandlungen eine ganz gute Position vertreten und sich stark dafür eingesetzt, dass die Holzverbrennung nicht mehr als erneuerbar gelten soll.“ Und in der Umsetzung können die Mitgliedsländer über die Richtlinie hinausgehen. Der Nabu fordert von der Ampel strengere Nachhaltigkeitskriterien oder aber einen Einbezug der Kraftwerksemissionen in den nationalen CO₂-Preis.

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