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UN-Report zum Gefangenenlager GuantánamoStachel im eigenen Fleisch

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

In US-Lager Guantánamo werden weiter Menschenrechte verletzt. Es steht für das Totalversagen eines sich selbst als Rechtsstaat verstehenden Systems.

US-Fahne und Stacheldraht am Camp VI der US-Militärbasis in Guantanamo 2016 Foto: Lucas Jackson/reuters

D as eigentlich Bedrückende an dem vernichtenden Report der UN-Sonderberichterstatterin Fionnuala Ní Aoláin über die Zustände im US-Haftzentrum Guantánamo ist, dass nichts davon überrascht. Seit über zwei Jahrzehnten besteht dieses Gefangenenlager, und alle wissen, dass es sämtliche Rechtsnormen verletzt.

Guantánamo – oder genauer: das US-Gefangenenlager auf dem Gelände der US-Militärbasis nahe der kubanischen Stadt Guantánamo – steht für das Totalversagen eines sich selbst als Rechtsstaat verstehenden Systems. Menschenrechte gehören auch dann gewahrt, wenn das eigene Land brutal angegriffen wird wie bei den Anschlägen vom 11. September 2001. Sie gelten auch im Konflikt- und Ausnahmefall.

Die schlimmsten Auswüchse des seinerzeit von der Bush-Regierung erklärten „Kriegs gegen den Terror“ – CIA-Geheimgefängnisse, Entführungen, Folter und Verschwindenlassen – mögen inzwischen abgestellt sein. Und es sind nicht mehr 780, sondern heute nur noch 30 Gefangene, die in Guantánamo einsitzen. Aber das macht es nicht besser: Das Lager ist von Beginn an so falsch und widerrechtlich konzipiert, von diesem Lager gingen und gehen noch immer so viele Menschenrechtsverletzungen aus, dass seine pure Existenz eine fortwährende Schande ist.

Folgen über die Betroffenen hinaus

Und die hat Folgen. Auch über die unmittelbar betroffenen aktuellen und ehemaligen Gefangenen und ihre Familien hinaus. Was sich die US-Regierung nach den Anschlägen von 2001 herausnahm – und das war mehr als Guantánamo –, fand Nachahmer weltweit und erodierte den seinerzeit mit der erst kurz zurückliegenden Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag initiierten Versuch einer weltweiten Durchsetzung menschenrechtlicher Standards nachhaltig.

Und wenn heute darüber diskutiert wird, warum so viele Länder des globalen Südens sich nicht im Sinne einer regelbasierten internationalen Außen- und Sicherheitspolitik der westlichen Position anschließen und Russland wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine isolieren, dann gehört zur Antwort auch: Guantánamo.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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3 Kommentare

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  • Seltsam, der kollektive Westen ist von Europa nach Amerika geflüchtet, um dort die "Freiheit" zu finden -



    und hat Guantanamo erfunden.

  • Gut, dass die taz und Bernd Pickert hier weiter am Thema festhalten. Präsident Obama konnte seine Ankündigung nicht erfüllen. Die sog. Rechtsstaatlichkeit kennt offenbar Doppelstandards in einzelnen "westlichen Ländern".



    //



    "Guantanamo: 17 Männer gelten als „Endlosgefangene“



    Für das Haupthemmnis, das einer zügigen Abwicklung des Prozesses gegen die Hauptangeklagten bis heute im Wege steht, haben die USA selbst gesorgt. KSM und Co. wurden in Geheimgefängnissen der CIA „erweiterten Verhörmethoden“ unterzogen. Ihre dabei erzwungenen Aussagen dürfen im Gericht keine Rolle spielen. Unter dem beschönigenden Etikett verbarg sich tagelanger Schlafentzug, Höllenlärm, Prügel, Erniedrigungen und immer wieder Waterboarding – das simulierte Beinahe-Ertrinken von Häftlingen."



    www.waz.de/politik...r-id233277099.html

  • Derweil planen wir selbst Internierungslager. Nicht für mutmaßliche Terroristen und Mörder, sondern für Flüchtende und deren Kinder. Der "Versuch einer weltweiten Durchsetzung menschenrechtlicher Standards" ist offensichtlich auf ganzer Linie gescheitert.