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Verwaltungsgericht Trient urteilt über BärinJJ4 darf weiterleben

Ein Gericht in Norditalien verbietet erneut, die „Problembärin“ JJ4 zu töten. Das Tier hatte Anfang April einen Jogger umgebracht.

„Problembärin“ JJ4 darf leben, hier ihre erleichterte Mutter Jurka Foto: Antonio Pisacreta/Ropi/picture alliance

Rom taz | Die „Problembärin“ JJ4 wird vorerst nicht umgebracht. Am Freitag räumte ihr das Verwaltungsgericht Trient eine weitere Gnadenfrist bis zum 27. Juni ein und setzte den von der norditalienischen Provinz Trentino gefällten Entscheid zur Tötung des Tiers aus.

Das Gericht begründete die einstweilige Verfügung damit, dass die Provinzregierung die Gefährlichkeit des Braunbären zwar in ihrem Beschluss behauptet, jedoch nicht umfassend begründet habe; „ernsthafte Prüfungen“, die eine Tötung rechtfertigen könnten, seien nicht erfolgt.

Zum Abschuss sollte JJ4, auch Gaja genannt, freigegeben werden, weil sie am 5. April in dem Alpental Val di Sole einen 26-jährigen Jogger angefallen und tödlich verletzt hatte. Am 17. April wurde die Bärin, eine Schwester des 2006 in Bayern getöteten „Problembären“ Bruno, dann eingefangen und in ein Wildgehege gebracht. Als sie in die Falle tappte, war sie mit drei Jungtieren unterwegs, die sie 15 Monate vorher zur Welt gebracht hatte – und ihr mütterlicher Schutzinstinkt dürfte auch ihren Angriff auf den Jogger erklären.

Schon am 22. April hatte das Verwaltungsgericht Trient den Abschussbefehl der Provinzregierung suspendiert, während das Umweltministerium in Rom sich auf die Suche nach Wildgehegen machte, die womöglich zur Aufnahme von JJ4 bereit waren. In Trient gingen in der Folge sowohl die Be­für­wor­te­r*in­nen eines Abschusses – unter dem „Slogan „Zuerst wir, dann die großen Fleischfresser“ – als auch die Tier­schüt­ze­r*in­nen auf die Straße. Sie werfen der Provinzregierung vor, sie habe nichts getan, um die örtliche Bevölkerung über korrektes Verhalten gegenüber den Bären aufzuklären oder auch den Bären vorbehaltene Wildpfade einzurichten.

Bärin hatte bereits vor drei Jahren Menschen angefallen

Im Trentino leben mittlerweile bis zu 120 Braunbären; angesiedelt wurden sie vor gut 25 Jahren, als einige Exemplare aus Slowenien in die italienische Alpenregion gebracht wurden. Die 17-jährige JJ4 hatte schon im Jahr 2020 zwei Männer angefallen; auch damals verhinderte das Verwaltungsgericht den Abschuss des Tieres, verfügte aber, dass es mit einem elektronischen Halsband ausgestattet wurde, um seinen Standort peilen zu können; dieses Halsband war jedoch schon Monate vor ihrem tödlichen Überfall auf den Jogger außer Funktion.

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5 Kommentare

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  • Zuerst wir, dann die großen Fleischfresser?



    Die größten Fleischfresser sind wohl die Menschen.



    Biologisch gleichen wir einer Heuschreckenplage.



    Allerdings beschränken wir uns mit der Zerstörung der Lebensgrundlage nicht auf ein Gebiet oder Land, sondern nutzen die ganze Welt.



    Es wäre erstrebenswert , auch anderen Tieren ein Leben neben uns zu ermöglichen.



    Es gibt ja ähnliche Diskussionen hierzulande beim Thema Wolf.



    Die Hinterbliebenen sind natürlich zu bedauern.



    Allerdings: wie Viele Menschen sterben im Straßenverkehr?



    Werden Autos deshalb verboten?

  • Abknallen, nur so kann der Bär aus seinem Verhalten lernen.

    • @perebor:

      Wir müssen uns von der Idee verabschieden, der Wald sei ein weiteres Event-Gebiet zur Menschheitsbespaßung. Respekt ist dringend angebracht. Dann klappt es auch mit den Tieren.



      Und ganz ehrlich - in den letzten Jahren hatte ich von der Menschheit so oft die Nase voll, daß mir ein Bärenbesuch im Wald als ausgesprochen gute Idee erscheint. Und wenn der/die BärIn mir dann versichert, ich solle noch ein wenig weiterleben, dann sehe ich das dann auch ein. Und wenn nicht, dann hat das Orakel gewiss auch recht gehabt.

    • @perebor:

      Genau. ;-)



      Und immer schön in neonfarbigen Jogginganzügen herumtrampeln, dabei die Stöpsel in den Ohren mit lauter "Musik", die so erfahrene gefühlte Realität ist viel wirksamer als solch ein Bärchen. Gut - Bären haben Geschmack, von daher ...



      Aber Spaß beiseite. Wir doofen Menschen sollten dringend verstehen lernen zu teilen. Auch mit Bären, Luchsen und Wölfen. Die haben mindestens so viel recht auf den Wald wie wir. Ganz zu schweigen von solch ekelhaftem Jagdverhalten, wie es zumeist in Deutschland verbrochen wird. Drückjagden, bei denen der Ganze Wald geschädigt wird und massenhaft herum geballert wird. Anschließend liegen überall die toten Tiere herum. Nein, Menschen haben ziemlich perverse Angewohnheiten.

  • Ist denn mittlerweile klar, dass JJ4 den Jogger getötet hat? Angeblich waren die Bissverletzungen so breit, dass sie nur von einem männlichen Braunbären stammen konnten. (Aber ich hab die Daten nicht gesehen.)

    Bei einer so kleinen Population ist es essentiell, nicht aus Versehen weniger aggressive Individuen abzuschießen, denn ob ein Braunbär Menschen aus dem Weg geht oder auf sie zurennt um irgendwelchen Spökes mit ihnen zu treiben, hängt zwar primär von der exakten Situation ab, hat aber offenbar auch eine starke genetische Komponente - und soweit bekannt, sind Menschen die einzige Art, bei der die individuelle Neophilie/Neophobie regulär so stark vom frühkindlichen Sozialumfeld beeinflusst werden kann, dass genetische Faktoren völlig im Hintergrundrauschen untergehen. Bei Bären geht das allenfalls in Gefangenschaft, und wenn sie von klein auf auf Menschen geprägt werden, aber diese Form der Hälterung ist zum Glück in der EU verboten.

    Das Problem ist bekannt (für ein vergleichbares Beispiel siehe zB www.ncbi.nlm.nih.g...ticles/PMC3857173/, aber ich weiß nicht, inwieweit es die italienische Justiz auf dem Schirm hat.