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Christian Lindner auf dem FDP-ParteitagVerhindern statt gestalten

Jasmin Kalarickal
Kommentar von Jasmin Kalarickal

Lindner will mit seiner Partei für ein „nicht-linkes Deutschland“ kämpfen. Die Polemik der Liberalen gegen die Partner kommt bei seiner Klientel gut an.

Christian Lindner auf dem FDP-Parteitag am Samstag Foto: dpa

D ie Ansage von Finanzminister Christian Lindner auf dem Bundesparteitag, für ein nicht-linkes Deutschland kämpfen zu wollen, muss sich für die Koalitionspartner SPD und Grüne wie eine Provokation anhören. Sie atmet den Geist: Verhindern statt gestalten. Lindner hätte genauso gut sagen können: Für ein liberales Deutschland, wollte aber ein schmissiges Signal an die Basis senden, dass die FDP in der Ampel als marktwirtschaftliches Korrektiv wirkt.

Gleichzeitig verdeutlicht „nicht-links“, wie wenig Gestaltungsmacht die FDP hat. Seit die Partei in Regierungsverantwortung ist, muss sie den Balanceakt schaffen zwischen Regierungsdisziplin und eigener Profilierung. Wie sie das umsetzt, ist oftmals nur eine Frage der Rhetorik. Der stellvertretende Parteivorsitzende Wolfgang Kubicki musste sich entschuldigen, nachdem er vor ein paar Wochen Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin verglich. Und es war nicht der erste verbale Ausrutscher.

Dass er nun in seinem Amt bestätigt wurde, spricht dafür, dass Kubickis Stammtischgebaren und Populismus in der FDP durchaus gut ankommen. Lindner selbst sparte scharfe Kritik an SPD und Grünen weitgehend aus, er musste seiner Doppelfunktion als Finanzminister und Parteichef gerecht werden. Die Rolle des bad cops müssen andere übernehmen.

Lindner stört es nicht, dass sich seine Partei gegen den Gesetzentwurf zum Heizungsaustausch stellt, dem er selbst als Kabinettsmitglied unter Vorbehalt zugestimmt hatte. Im Gegenteil. Der Entwurf von Habeck stehe für „dogmatische Vorfestlegungen auf einzelne Technologien, planwirtschaftliche Regelungswut bis ins Detail und ignorante Überforderung der Betroffenen“, heißt es in einem Dringlichkeitsantrag, der Zustimmung fand.

Irreführung der eigenen Klientel

Dass der jetzige Gesetzentwurf „dogmatisch Vorfestlegungen“ enthält, stimmt nicht. Doch der eigentliche Skandal ist, dass die FDP ihre eigene Klientel in die Irre führt und suggeriert, die Politik der FDP würde eine finanzielle Überlastung der Ei­gen­tü­me­r*in­nen verhindern. Technologieoffenheit und mehr Marktwirtschaft beim Klimaschutz mag in liberalen Ohren wunderbar klingen.

Der durchaus effiziente Zertifikatehandel bedeutet aber, dass der Co2-Preis steigen wird – und damit die Belastungen für Au­to­fah­re­r*in­nen und Ei­gen­tü­me­r*in­nen. Ein sozial ausgleichendes Konzept für ein Klimageld gibt es aber noch nicht. Zur Erinnerung: Als der Benzinpreis zuletzt stieg, fiel der FDP der Tankrabatt ein. Klimapolitische Glaubwürdigkeit sieht anders aus.

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Jasmin Kalarickal
Redakteurin
Jahrgang 1984, ist Redakteurin im Parlamentsbüro der taz.
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11 Kommentare

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  • ..." Christian Lindner " hat sich für die FDP zu einer Kunstperson stilisieren lassen...da ist nichts mehr echt und hat mit dem Christian Linder von vor 20 Jahren nix mehr zu tun, ausser das der Mann einfach nur Anerkennung sucht und etwas Karriere geil ist - dafür verkauft er nicht nur seine Großmutter, sondern glatt sich selbst...

  • "Doch der eigentliche Skandal ist, dass die FDP ihre eigene Klientel in die Irre führt und suggeriert, die Politik der FDP würde eine finanzielle Überlastung der Ei­gen­tü­me­r*in­nen verhindern."

    So isses, bin mal gespannt wie Lindner aus der Zwickmüle herauskommen will, wenn das überhaupt möglich sein sollte. Der spielt mit der Existenz der FDP ohne es zu merken. Aber, wie gesagt: jemand der seine Hochzeit wie ein B- oder C- Promi auf Sült feiert dem fehlen halt alle Maßstäbe..

  • Zusammengefasst:



    In der FDP nichts Neues. Worthülsen, Narrative, fehlende Antworten auf die drängenden Zukunftsfragen und der volle Einsatz für die Vermögenden.



    Natürlich mit Unterstützung des Springer-Konzerns.

  • Wenn die FDP nicht noch mehr Wähler verlieren will, dann muss sie so handeln. Dann muss Schluss mit als Sondervermögen getarnten Schulden sein. Und all die "sozialen" Ausgleiche und Subventionen zahlen doch eh wir mit unseren Steuern, das muss den linken und grüne Wählern doch auch mal klar sein.



    Dass dies allen linken Wählern zu tiefst widerspricht liegt doch in der Natur der Sache.



    Logisch bekommt man als linker und grüner einen dicken Hals auf die FDP, so wie ein FDP'ler einer Hals auf die Linken und grünen bekommt.

    Die FDP wäre nicht die FDP, wenn die die Politik der Grünen einfach so laufen lassen würde.



    Dass die FDP hier im taz gerne schlecht dargestellt wird, ist doch auch klar, die taz ist nicht das FDP-Parteiblatt sondern links.

    • @Rudi Hamm:

      Wasn Quark.

      • @sedeum:

        Getroffene Hunde bellen

  • Ich wäre ja dafür verLindnern anstatt verhindern zu benutzen

  • Die FDP ist eine Werbeagentur [1]: wem wundert's dann, dass sie ein... sagen wir mal pragmatisches Verhältnis zur Wahrheit haben?

    [1] und Lindner deren elf-Minuten-Mann

  • taz: "Die Ansage von Finanzminister Christian Lindner auf dem Bundesparteitag, für ein nicht-linkes Deutschland kämpfen zu wollen, muss sich für die Koalitionspartner SPD und Grüne wie eine Provokation anhören."

    SPD und Grüne wussten doch, mit wem sie sich da an den Tisch setzen. Die FDP - der es immer nur um Macht und lukrative Posten geht, und die sich nicht für Klimaschutz oder einfache Leute interessiert - hätte niemals wieder über 5 Prozent kommen dürfen. Aber jetzt hat man sie nun einmal 'an der Backe' und muss das Beste daraus machen. Wenn der Klimawandel in den nächsten Jahren zunimmt, dann werden aber wohl auch die verblendetsten FDP-Fanboys/Fangirls endlich merken, dass man sich mit Geld keinen neuen Planeten kaufen kann.

    taz: "Als der Benzinpreis zuletzt stieg, fiel der FDP der Tankrabatt ein. Klimapolitische Glaubwürdigkeit sieht anders aus."

    FDP und klimapolitische Glaubwürdigkeit? Die FDP hatte doch schon in den Sondierungsgesprächen erreicht, dass SPD und Grüne auf ein Tempolimit auf Autobahnen verzichten. Übrigens wurde das 9-Euro-Ticket im letzten Sommer nur von der FDP "genehmigt", weil die FDP dafür den Tankrabatt bekommen hat, von dem aber nicht der autofahrende Bürger, sondern nur die Mineralölkonzerne profitiert haben.

    • @Ricky-13:

      ...die Begrifflichkeit " Glaubwürdigkeit " mit der FDP - oder sogar mit C. Lindner in Verbindung zu bringen - schon sehr gewagt...

  • Die FDP ist im Grunde zu einer unehrlichen ja undemokratischen Interessengemeinschaft mutiert. Das wird schon daran deutlich, dass sie die Koalition überhaupt eingegangen ist, um diese Destruktionspolitik zu betreiben. Sie belügt ihre eigenen Leute und die gesamte Öffentlichkeit. Sie verlässt die Koalition nicht, weil sie dann als "Königsmörder" abgestraft wird. Der einzige Zweck der "liberalen" Nomenklatur ist der Machterhalt. Von den Ideen der wirklichen Freiheit, die sie so gerne wie unpassend bemüht, ist längst nur noch das Ziel des Profites geblieben.