FDP gegen Heizungsgesetz der Koalition: Im Vertrauen auf den Markt

Warum macht die FDP gegen das Heizungsgesetz mobil? Eine Antwort findet sich in einem Diskussionspapier. Doch die Idee hat einen Haken.

Ein mietshaus wird saniert, neue Fenster sollen eingebaut werden und stehen schon vor dem Haus auf der Straße

Energetische Sanierung eines Wohnhauses Foto: Jochen Tack/imago

BERLIN taz | Großer Trubel herrscht in der Energiepolitik der Ampelregierung. So beschloss der Parteitag der FDP am vergangenen Wochenende einen Antrag, der das Heizungsgesetz kritisiert, dem die FDP-Minister:innen im Kabinett selbst zugestimmt haben. Welche Logik verfolgen die Liberalen dabei?

Eine Antwort findet sich in einem Papier, das die FDP-Politiker Johannes Vogel und Lukas Köhler kürzlich veröffentlichten. Sie plädieren dafür, den Emissionshandel zu stärken, um im Gegenzug auf andere Regulierungen verzichten zu können.

„Wir schlagen vor, den Emissionshandel unter anderem für Gebäude und Verkehr auf 2024 vorziehen“, sagt Energiepolitiker Köhler. Er ist einer der Vizechefs der Bundestagsfraktion. „Statt einer Festlegung des Kohlendioxid-(CO2)-Preises kämen wir dann zu einer Regulierung ausschließlich über die regelmäßig sinkende Menge der CO2-Zertifikate.“ In Abhängigkeit von den Mengen würden sich die Preise für Heizenergie und Benzin, die die Ver­brau­che­r:in­nen zahlen, ausschließlich am Markt bilden.

„Der FDP-Vorschlag enthält Licht und Schatten, er bietet Anknüpfungspunkte“, erklärt dazu die grüne Energiepolitikerin Lisa Badum.

Momentan ist die Sache folgendermaßen geregelt: Das deutsche Brennstoffemissionshandelsgesetz legt derzeit einen Preis von 30 Euro pro Tonne Ausstoß klimaschädlicher Gase fest. Verschmutzungsrechte, sogenannte Zertifikate, zu diesem Preis müssen sie die Unternehmen erwerben, die Heizenergie und Benzin verkaufen. Die Kosten kommen bei den Privathaushalten und meisten Firmen an, indem diese pro Kilowattstunde Heizöl oder Heizgas knapp einen Cent zusätzlich entrichten. Bei Benzin und Diesel sind es knapp 10 Cent pro Liter.

Je teurer, desto sauberer

In den kommenden Jahren wird der politisch festgelegte CO2-Preis stufenweise auf 45 Euro pro Tonne steigen, damit im Einklang mit europäischen Vorschriften die verursachte Treibhausgasmenge sinkt. Je teurer, desto sauberer, lautet die Logik. Langfristig soll die Steuerung stärker über die politisch definierte, nach und nach abnehmende Menge der Zertifikate erfolgen, wodurch der Preis fossiler Energie deutlich zulegen dürfte.

Nun plädieren Köhler und Vogel jedoch dafür, die ausschließliche Mengensteuerung schon nächstes Jahr einzuführen und dafür die Preisstufen abzuschaffen. Auch der Antrag, den der FDP-Parteitag angenommen hat, erwähnt den Emissionshandel. Was wollen die Liberalen damit erreichen? Ihre Idee besteht darin, eher den Markt wirken zu lassen, als kleinteilig alles Mögliche politisch festzulegen. Im Gebäudeenergiegesetz müsse man dann beispielsweise nicht regeln, dass ab 2024 in neuen Wohnhäusern keine Heizungen mehr eingebaut werden dürften, die ausschließlich Erdgas verfeuerten, so Köhler.

Welche Technik sie verwenden, „sollen die Immobilienbesitzer selbst entscheiden, denn sie können ja wissen, dass das Erdgas wegen der sinkenden Menge der CO2-Zertifikate teurer wird“, begründet der FDP-Politiker.

Die grüne Energiepolitikerin Badum hält diesen Ansatz dagegen für problematisch: „Die Steuerung über die Menge kann zu erheblichen Preisschwankungen nach oben oder nach unten führen.“ Wenn der CO2-Preis niedrig liege, dann schwäche das den Anreiz zum Energiesparen. „Liegt er sehr hoch, hält die Regierung das möglicherweise politisch nicht aus“, warnt Badum.

Ökonomen sind skeptisch

Finn Wendland wird noch deutlicher. Der Ökonom am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sagt: „Eine ausschließliche Steuerung über die Menge ab 2024 könnte zu einem Preisschock führen.“ Heißt: Vielleicht springt der Gaspreis um mehrere Cent nach oben, der für Benzin um mehrere Dutzend Cent. Möglich wäre das – die Preisstufen, die so etwas verhindern, wären ja weg. Sein Kollege Karsten Neuhoff vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin sieht es ähnlich: „Ein Emissionshandel alleine ist nicht glaubwürdig. Wenn die Preise zu stark steigen, greift die Politik ein, um gesellschaftliche Akzeptanz sicherzustellen, siehe Gaspreisbremse.“

Beide Ökonomen halten es deshalb für besser, die Mengensteuerung mit weiteren Regulierungen zu verbinden. „Wahrscheinlich wäre es besser, zunächst preisliche Planungssicherheiten über ein Stufen- oder Korridorsystem zu gewährleisten und gleichzeitig deutlich mehr in alternative Infrastrukturen zu investieren, um den Marktteilnehmern den Umstieg auf alternative Techniken zu erleichtern“, sagt Wendland.

„Notwendig sind auch andere Maßnahmen“, ergänzt Neuhoff, „zum Beispiel Förderprogramme für energetische Gebäudesanierungen, damit auch ohne extrem hohe CO2-Preise glaubwürdig ist, dass die notwendigen Modernisierungen stattfinden werden.“

Das grundsätzliche Argument an dieser Stelle: Es ist unklug, die Privathaushalte in die Falle hoher Preise laufen zu lassen, wenn man ihnen auch vorher politische Hinweise geben kann, was sie tun sollten – etwa mit der Festlegung, dass ab kommendem Jahr keine neuen Heizungen mehr erlaubt sind, die ausschließlich mit Erdgas funktionieren.

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