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Munitionsbeschaffung der EUTempo für die Kriegswirtschaft

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Mit 500 Millionen Euro will die EU die Munitionsproduktion für den Krieg in der Ukraine ankurbeln. Doch so rasch wie gewünscht ist das kaum machbar.

Die USA sind schneller: Produktion von Artilleriemunition in Scranton, Pennsylvania Foto: Matt Rourke/ap

E uropa krempelt die Wirtschaft um – schon wieder. Doch diesmal geht es nicht um die klimafreundliche Transformation, sondern um den Einstieg in die Kriegswirtschaft. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron spricht seit Monaten davon, der französische EU-Kommissar Thierry Breton macht jetzt Ernst. Mit 500 Millionen Euro aus dem EU-Budget will Breton die europäische Munitionsproduktion ankurbeln, um der Ukraine im Krieg gegen Russland zu helfen.

Eine Million Artilleriegranaten im Jahr soll die Industrie künftig liefern. Bisher waren es 300.000 – viel zu wenig für die hohe Nachfrage aus dem umkämpften Osten. „ASAP“, so heißt der Gesetzentwurf. Das steht für „Act in Support of Ammunition Production“ aber auch für „as soon as possible“: so schnell wie möglich. Der Name ist Programm. In Rekordzeit will die EU ihre vorwiegend zivile Industrie auf Kriegsproduktion umstellen.

Doch schnell geht hier gar nichts. Aus gutem Grund. Die EU wurde als Friedensunion gegründet, sie kann aufgrund der EU-Verträge nicht einfach auf Kriegswirtschaft umschalten. Und das Geld ist auch nicht da. Für seinen Plan musste Breton sogar Finanzmittel aus dem Corona-Aufbaufonds zusammenkratzen. Zudem streiten die EU-Staaten immer noch darüber, wem der warme Segen aus Brüssel zugutekommen soll.

Dürfen nur europäische Unternehmen gefördert werden, wie Frankreich sagt – oder können mit dem Geld auch Käufe in Übersee getätigt werden, wie es sich Deutschland wünscht? Seit Wochen liegen Paris und Berlin über Kreuz. Selbst wenn der Streit morgen beigelegt werden sollte, wäre die Munition noch lange nicht vorrätig. Das für die Granaten benötigte Pulver muss ein halbes Jahr ruhig lagern, bevor es verwendet werden kann.

Die europäische Industrie muss die Produktion nicht nur umstellen, sondern auch hochfahren. Das dauert. ASAP heißt eben nicht „schnell“ – sondern nur „so schnell wie möglich“. Das hätte die EU der Ukraine sagen sollen, bevor sie großartige Versprechen macht. Nun kann sie sich ­eigentlich nur noch blamieren.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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5 Kommentare

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  • "Das hätte die EU der Ukraine sagen sollen, bevor sie großartige Versprechen macht. Nun kann sie sich ­eigentlich nur noch blamieren."



    Und welche, von dem, was geschieht, abweichende Versprechen hat die EU gemacht? Wäre schön gewesen, wenn Herr Bonse das erläutert hätte.



    Dass das Hochfahren der Rüstungsproduktion Zeit braucht, ist Allgemeinwissen, auch in allen seriösen ukrainischen Medien, die zu dem Thema berichten. Es ist einfach ein objektives Problem, was gelöst wird. Die naive Erwartung der Ukrainer, die Herr Bonse nun enttäuscht sieht - sie bekämen übermorgen eine Mio Stk. Artilleriemunition aus Brüssel - existiert nicht.

    • @Barbara Falk:

      Hinterher ist man natürlich immer schlauer, aber die Frage warum solche Planungen nicht schon nach dem Angriff auf Georgien 2008, nach dem Überfall auf die Krim und dem verdeckten Einmarsch im Donbass 2014 oder nach dem misglückten Sturm auf Kiew 2022 aufgestellt wurden darf man trotzdem stellen.

      • @metalhead86:

        Gehen sie ins taz Archiv und lesen sie sich die Kommentare durch. Die Deutschen wollten in ihrer Märchenwelt leben und es gibt einen substantiellen Teil an Leuten die sind wütend auf die Ukrainer das sie sich wehren anstatt, sich einfach zu ergeben damit die Deutschen weiter in ihrer Märchenwelt leben können.

  • Die Definition von Kriegswirtschaft passt nicht zu dem EU-Plan. Und die Subventionierung einer Branche, die gerade Rekordgewinne einfährt und langfristig übervolle Auftragsbücher hat, darf durchaus hinterfragt werden.

  • Im.Artikel über den Sudan steht, dass dort eine deutsche bundeseigene Firma eine Munitionsfabrik gebaut hätte.



    Wie wäre es, wenn die das hier auch machen, statt v.a. Anreize unklarer Wirkung zu verteilen???