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Umweltwissenschaftler über Hoffnung„Bin nicht der Schwarzseher-Typ“

Lesung in Osnabrück: Warum der Umweltwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker trotz allem Hoffnung für die Weltgesellschaft aufbringt.

Peinlich, wer sich nicht an alte Beschlüsse hält: Ober-Bayer Markus Söder (CSU) vor Atomkraftwerk Foto: Peter Kneffel/dpa

taz: In Tagen wie unseren Umweltschutz-Mahner zu sein: Kann das etwas anderes bedeuten als Frustration, Herr von Weizsäcker?

Ernst Ulrich von Weizsäcker: Ich bin nicht der Schwarzseher-Typ. Außer Klima gibt’s viele andere Themen, etwa die Ukraine und den Frieden. Und beim Klima müssen wir weltweit denken. Also Realpolitik.

Sie lesen aus einem Buch, dessen Titel mit „So reicht das nicht!“ beginnt und mit „Was wir in der Klimakrise jetzt wirklich brauchen“ endet. Was reicht denn nicht – und was brauchen wir?

Eigentlich wollte ich gar kein neues Buch schreiben. Aber der Verleger hat mich gefragt: Gibt es etwas, über das Sie sich gerade ärgern? Das war im Wahlkampfjahr 2021. Die Vertreter der vernünftigen Parteien haben alle gesagt: Wir wollen Klimaschutz machen! Das hat mich sehr gefreut. Dann habe ich mir die Details angesehen. Und alles, was denen eingefallen ist: Deutschland, Deutschland, Deutschland. Das hat mich enttäuscht. Die deutschen Emissionen machen zwei Prozent der Emissionen der Welt aus. Wenn es uns wirklich ernst ist mit dem Klima­schutz, müssen wir auch Klima-Außenpolitik machen.

Das Buch

Lesung: Sa, 22. 4., 19 Uhr, Botanischer Garten Osnabrück, Bohnenkamp-Haus

Ernst Ulrich von Weizsäcker, „So reicht das nicht. Aufkärung, Außenpolitik und Affront – Was die Klimakrise jetzt wirklich braucht“. Bonifatius-Verlag 2022, 160 S., 20 Euro, E-Book 15,99 Euro

Was braucht es jetzt?

Wir müssen uns physikalisch und meteorologisch klar machen, was sich in den vergangenen 50 Jahren verändert hat. Und wir müssen wissenschaftlich erkennen, wie man der Verschlechterung Herr wird.

Geht das denn?

Das ist nicht ganz einfach. Aber es gibt positive Beispiele. Ich war im Bundestag, als wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz beschlossen. Wir haben durchgesetzt, dass eine kostendeckende Vergütung an alle gezahlt wird, die unseren Energiehunger mit Solar- und Windenergie, mit Biomasse und Wasserkraft befriedigen. Viele fanden das finanziell riskant. Aber wenn Millionen Deutsche sich Fotovoltaik aufs Dach oder auf ihren Acker setzen, wird das immer billiger. 20 Jahre später kostete eine Kilowattstunde Fotovoltaik nicht mehr 1 Euro, sondern 5 Cent. Eine fantastische Leistung!

Apropos reichen: Viele sagen derzeit, es reiche jetzt langsam mit den Klimaprotesten. Was sagen Sie den Klimaprotestierenden da draußen?

Zu denen bin ich betont freundlich. Ich sage zu ihnen: Wenn ich in eurem Alter wäre, wäre ich auch besorgt. Ich weiß ja ganz genau: Wenn diese globale Erwärmung sich fortsetzt, kann es geschehen, dass der Meeresspiegel so steigt, dass es für manche Städte schwierig wird; dass Äcker und Wälder verdorren. Da würde ich auch auf die Straße gehen. Ich finde es richtig, dass die junge Generation eine Kehrtwende fordert. Das ist legitim.

Wir leben in Tagen, in denen vermeintliche Sachzwänge dazu führen, dass Fracking-Gas kein Tabu mehr ist, FDP und CDU über eine AKW-Laufzeitverlängerung reden. Was muss geschehen, damit dieser Backlash nicht siegt?

David Young/dpa
Im Interview: Ernst Ulrich von Weizsäcker

84, Umwelt­wissenschaftler, ist einer der wirkmächtigsten Klimaschutz-­Verfechter Deutschlands. Er saß von 1998 bis 2005 für die SPD im Bundestag und war von 2012 bis 2018 Co-Präsident des Club of Rome, dessen Ehrenpräsident er heute ist.

Eine sehr gute Frage. Ich habe da keine gute Antwort. Wenn ich mir Bayerns Ministerpräsidenten anhöre in Sachen Kernenergie, muss ich sagen: Peinlich, dass Leute sich an alte Beschlüsse nicht halten wollen. Die friedliche Kernenergie ist physikalisch eng mit der kriegerischen verwandt. Ich möchte nicht, dass man aus Gründen des Energiehungers auf einmal mühelos fürchterliche Atomwaffen machen kann. Für mich ist der Ausstieg aus der Atomenergie ein Glücksfall auch für den Frieden.

Sie sind SPD-Mitglied. Sind Sie derzeit stolz auf Ihre Partei?

In der Geschichte der SPD ging es historisch in erster Linie um soziale Verbesserungen. Inzwischen ist die SPD die Partei, die – mit den Grünen – europaweit die ehrlichste und klimafreundlichste Politik macht.

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