49-Euro-Ticket revolutioniert ÖPNV-Tarif: Hamburg so günstig wie 1993
Hamburg ermöglicht ein rabattiertes Ticket für Berufstätige. Schüler und Sozialhilfeempfänger fahren bundesweit für 19 Euro im Monat.
Der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) umfasst den Stadtstaat und reicht weit in die benachbarten Landkreise hinein – bis hinter Itzehoe, Henstedt-Ulzburg, Lüneburg, Soltau und Stade. Der neue Tarif reduziert ein Angebot, das heute zig verschiedene Tickets vorsieht, auf zwei Hände voll. Basis ist dabei das Deutschland-Ticket, das Bund und Länder jeweils mit anderthalb Milliarden Euro finanzieren. Damit kann man für 49 Euro im Monat deutschlandweit alle Busse und Bahnen benutzen, mit Ausnahme der ICs, ICEs und Fernbusse. Mit dem Ticket sparen Kunden, die das HVV-Gesamtnetz nutzen 165,80 Euro im Monat, im Kernbereich AB immerhin noch 47,90 Euro.
An dieses Ticket docken verschiedene Vergünstigungen an: Für Hamburger Schüler subventioniert der Senat das Monatsticket auf 19 Euro herunter – wie Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) sagte, „ein großer Schritt hin zu einem kostenlosen Schülerticket“. Auch Hamburger Sozialhilfeberechtigte bekommen das Ticket für 19 Euro. Schüler aus armen Familien bezahlen gar nichts. Studenten können für rund 18 Euro Zuschlag im Monat ihr nur im HVV gültiges Semesterticket zum Deutschland-Ticket pimpen.
Jobticket auch für Kleinbetriebe
Dazu kommen verschiedene Varianten eines Job-Tickets („Profi-Tickets“), die der HVV alle um 5 Prozent rabattiert. Zahlen Arbeitgeber 12,25 Euro dazu, ergibt sich für den Arbeitnehmer ein Monatspreis von 34,30 Euro. Zahlt der Arbeitgeber 21,55 Euro dazu, reduziert sich das auf 25 Euro, wobei die Beschäftigten dann auch noch an Wochenenden und Feiertagen einen Erwachsenen und drei Kinder mitnehmen dürfen. Letzteres gilt auch für das Azubi-Ticket für 29 Euro bei einem Arbeitgeberzuschuss von 17,55 Euro. Neu ist dabei auch, dass die bisher geltende Zahl von mindestens 20 Beschäftigten als Voraussetzung für das Jobticket entfällt.
Der Verkehrsverbund Bremen/ Niedersachsen (VBN) ermöglicht seinen Kunden einen Wechsel per Mausklick oder Fingertipp zum Deutschland-Ticket. Sein Tarifsystem hat er nicht umgebaut. Noch nicht geklärt ist laut der Website, ob das Ticket direkt aufs Smartphone gebucht werden kann oder eine Chipkarte erforderlich ist. Das teuerste Ticket im Verkehrsverbund kostet 268,20 Euro. Das Bremer Stadtgebiet können Sozialhilfeberechtigte heute schon für 25 Euro im Monat befahren.
Der Großraum-Verkehr Hannover (GVH) wird zum 49-Euro-Ticket Vergünstigungen anbieten: Das Hannover Jobticket und das Hannover Sozialticket für jeweils 30,40 Euro im Monat. Gegen einen monatlichen Aufpreis von 4,90 Euro kann man im Gebiet des GVH einen Erwachsenen oder drei Kinder montags bis freitags ab 19 Uhr sowie an Wochenenden und Feiertagen ganztägig mitnehmen. Beim Jobticket müssen Firmen 60 Prozent zahlen, der GVH erlässt den Rest – die Arbeitnehmer fahren kostenlos.
Auch in Zukunft wird es in den S-Bahnen des HVV eine Erste Klasse geben. Dafür braucht man eine Ergänzungskarte für 47,20 Euro. Wer auf seinem Deutschland-Ticket an Wochenenden und Feiertagen jemanden mitnehmen möchte, muss 15 Euro im Monat zuzahlen.
Das Deutschland-Ticket wird es allerdings nur im – monatlich kündbaren – Abo geben. Wer sich darauf nicht einlassen möchte, kann für 29 Euro eine Wochenkarte für das HVV-Gesamtnetz kaufen oder für 69 Euro eine Monatskarte.
Die Vergünstigungen lässt sich der Stadtstaat einiges kosten. Zusätzlich zur mit dem Bund und den anderen Ländern ausgehandelten Kofinanzierung des Deutschland-Tickets von gut 86 Millionen Euro pro Jahr zahlt der Stadtstaat 2023 ab Mai noch 28 Millionen Euro für Schüler und Sozialhilfeberechtigte. 2024 steigt dieser Betrag auf knapp 44 Millionen Euro. Dazu kommen weitere Kosten, sodass der Senat bis 2025 mit insgesamt einer halben Milliarde Euro rechnet.
Finanzsenator Dressel mahnt, der Bund dürfe nicht nur den Einstieg in das Deutschland-Ticket finanzieren. „Wir brauchen ab 2026 eine dauerhafte dynamische Beteiligung des Bundes“, sagt er. Mancherorts werde schon diskutiert, Verkehrsangebote abzubestellen, weil die Kofinanzierung des 49-Euro-Tickets so ins Kontor schlage.
Die Hamburger Linksfraktion begrüßte das Ticket mit seinen Sozialrabatten. Es sei „wirklich eine Umwälzung im Tarifdschungel – und das ist gut“, sagte die Bürgerschaftsabgeordnete Heike Sudmann. „Erst attraktive und letztendlich kostenlose Angebote im HVV machen den dringend notwendigen Ausstieg aus dem größten Teil des Autoverkehrs möglich.“
Die CDU warf dem rot-grünen Senat vor, er habe den öffentlichen Nahverkehr in den vergangenen Jahren „überteuert gestaltet“. Die Entlastungen seien für die Nutzer erfreulich. Es sei aber völlig unklar, wer „die rot-grüne Mobilitätsfantasie“ nach 2025 finanziere.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht