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Fotografin über Mensch und TierDie Gefährtinnen

Yana Wernicke hat zwei Frauen begleitet, die Kühe, Schweine und Gänse vor dem Schlachter retten. Es geht um die Beziehung zwischen Mensch und Tier.

Foto: Yana Wernicke courtesy Loose Joints
Lin Hierse
Interview von Lin Hierse

wochentaz: Yana Wernicke, wir finden es okay, Schweine und Kühe zu essen – aber Hunde und Katzen nicht. Warum?

Yana Wernicke: Das ist mir ein Rätsel, und das war ein Ausgangspunkt meiner Arbeit. Auf der Rückseite des Buches habe ich alle Namen der Tiere aufgelistet, die ich fotografiert habe. Es war mir wichtig, dass sie für sich selbst stehen. Sie sind letztlich auch Haustiere, domestiziert und abhängig von uns Menschen.

Wie ist die Arbeit entstanden?

Das Buch

Yana Wernicke: „Companions“, Loose Joints Publishing 2023, 112 Seiten, 47 Euro

Ich wollte mich mit der Beziehung zwischen Mensch und Tier auseinandersetzen, auch in Bezug auf care. Was bedeutet es, sich um andere Lebewesen zu kümmern? In Deutschland habe ich verschiedene Lebenshöfe besucht, wo Tiere vor dem Tod gerettet werden, und dabei Julie kennengelernt. Sie war damals 19, lebte in der Stadt und hat eine Wiese für Kühe gepachtet, die sie ganz allein gerettet hat. Ihr Mut und die Verantwortung, die sie für andere Lebewesen übernimmt, haben mich beeindruckt. Julie hat mich dann auch an Rosina weiterempfohlen, die neben Kühen auch Gänse und zwei Schweine gerettet hat. Da war für mich klar, dass es in der Fotoarbeit um diese beiden Frauen und ihre Beziehungen zu den Tieren gehen wird.

Foto: Yana Wernicke courtesy Loose Joints

Was zeichnet diese Beziehungen aus?

Es geht viel um Freundschaft. Dazu gehört, dass man gemeinsam einen Weg beschreitet. Und dass diese Frauen und die Tiere voneinander lernen.

Was lernen sie?

Mich interessiert, wie Tiere in unserer menschengemachten Welt zu leben haben. Julie und Rosina versuchen, den Tieren Freiraum zu schaffen und zu erkennen, dass auch sogenannte Nutztiere unterschiedliche Charaktere haben, die sich nicht in jede Struktur hineindrängen lassen. Nicht jede Kuh mag Nähe, nicht jedes Schwein will kuscheln. Da geht es auch um Akzeptanz.

Foto: Yana Wernicke courtesy Loose Joints

Auf Ihren Fotos liegen die Frauen oft neben den Tieren auf der Erde. Auf Augenhöhe also?

Manche sehen darin eine kritische Vermenschlichung von Tieren. Aber ich will nicht zwingend das Menschliche in den Tieren zeigen. Es geht mir eher um Empathie und darum, das Tier auch es selbst sein zu lassen. Und andersherum haben wir ja auch tierische Eigenschaften. Viele Menschen trauen sich nur nicht mehr, diese zuzulassen. Dabei wäre das wichtig.

Foto: Yana Wernicke courtesy Loose Joints

Warum?

Der Kulturökologe und Philosoph David Abram hat mal gesagt: „Menschen sind wir nur im Austausch mit allem, was nicht menschlich ist.“ Je weniger Kontakt wir mit der Umwelt und folglich auch mit Tieren haben, desto weniger Kontakt haben wir zu uns selbst. Wir verarmen als Menschen, wenn wir uns nur noch mit uns selbst beschäftigen. Ich trage schon eine Sehnsucht in mir, im Austausch mit Tieren zu sein. Was nicht heißt, dass ich genauso leben muss wie Julie und Rosina. Aber ich kann mich selbst in den Bildern wiederfinden – und eine schönere Welt.

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6 Kommentare

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  • Wie schön. Leider schaffe ich es immer nur über eine gewisse Zeit, vegetarisch zu leben.

  • Wow. Größten Respekt. Wunderschön.

    Da fällt mir ein uralter Satz von Buddha ein, in 2500 Jahren Jahren an Güte, Einsicht und Mitgefühl nicht getoppt:

    "Die Wesen mögen alle glücklich leben, und keines möge ein Unheil treffen! Möge unser ganzes Leben Hilfe sein an anderen. Ein jedes Wesen scheuet Qual, und jedem ist sein Leben lieb. Erkenne dich selbst in jedem Sein, und quäle nicht und töte nicht."

    Für mich liegt die besondere Betonung auf "Erkenne dich selbst in jedem Sein". Vielen Menschen gelingt dies spontan, kommt ja auch in dem Artikel sehr gut rüber.

    Die meisten sind weit davon entfernt, deswegen geht diese elende Tierquälerei weiter und weiter.

    Vielleicht geht es bei Tierethik weniger um Philosophie und auch nicht um Vermenschlichung, sondern um die Sprache des Herzens.

    Besser noch um deren Verbindung.

    "Fühlende Wesen" drückt das sehr gut aus.

    "Fühlende Wesen" tötet man nicht. Man begegnet ihnen in Freundschaft.

  • Größten Respekt vor den Einsichten der Fotografin. Danke für den Artikel.

    "... habe ich alle Namen der Tiere aufgelistet, die ich fotografiert habe..."



    Endlich jemand, der öffentlich klarstellen will, dass Tiere Individuen mit eigener Persönlichkeit sind.

    "...Mut... und Verantwortung für andere Lebewesen übernimmt..."



    Darum geht es. Der überfällige Wandel in der gesellschaftlichen Sicht der Menschen auf die Tiere. Weg vom "Nutztier", das gnadenlos ausgenutzt und gequält wird, hin zum Mitgeschöpf mit Individualität, Gefühl und eigenen Rechten.

    "...neben den Tieren auf der Erde. Auf Augenhöhe..." ... "kritische Vermenschlichung..."



    Da ist er, in der Frage des Interviewers, der allgegenwärtige, nie hinterfragte, anthropozentrische Blick auf Tiere, den die gesamte Gesellschaft für normal erachtet.



    Wer müsste oder sollte ein Tier vermenschlichen! Es ist eine eigenständige Persönlichkeit, ein Mitgeschöpf, anders als der Mensch, aber nicht weniger.

    Von sich selbst absehen und den anderen in seiner Eigenart, Persönlichkeit, Würde sehen und leben lassen können. Eine Kunst, die die Menschheit noch erlernen muss.

  • Find ich gut.

  • Das klingt schön



    und



    sieht auch so aus!

  • >Beziehung zwischen Mensch und Tier

    > Auf der Rückseite des Buches habe ich alle Namen der Tiere aufgelistet, die ich fotografiert habe. Es war mir wichtig, dass sie für sich selbst stehen

    > In Deutschland habe ich verschiedene Lebenshöfe besucht, wo Tiere vor dem Tod gerettet werden, und dabei Julie kennengelernt. Sie war damals 19, lebte in der Stadt und hat eine Wiese für Kühe gepachtet,

    Im letzten Satz glaubt man bis zu den letzten vier Worten angesichts der vorherigen Einstimmung, dass Julie selbst eher ein Tier wäre - und dann ist sie doch ein Mensch.

    Inspirierend zu lesen. Dass dies Missverständnis nicht vorher durch Erklärung vermieden, zeigt, dass es dann doch nicht so weit her ist mit der Vermenschlichung der Tiere, und das ist auch gut so.