Tickets nur online: Vom Filmfest ausgeschlossen
Wer online kein Ticket kaufen kann, bleibt immer öfter draußen. Warum eine Verkaufspolitik wie zuletzt auf der Berlinale diskriminierend ist.
E in Mensch steht vor dem Kino, es gibt noch Karten für den in Kürze startenden Film – und doch keine Möglichkeit, diesen zu sehen. Denn die Tickets dafür sind ausschließlich online zu erwerben, und der Mensch besitzt kein Smartphone.
Was wie eine Szene aus Absurdistan anmutet, war während der elftägigen Berlinale mehr als eine theoretische Möglichkeit. Viele Menschen sahen sich zumindest teilweise von den Filmfestspielen ausgeschlossen, weil sie über kein modernes Handy verfügen. Sei es, weil sie das aus Altersgründen ablehnen, weil sie aus Sicherheitsgründen nicht online bezahlen wollen oder weil sie aufgrund unfreiwilliger Einschränkungen mit der Technik schlicht nicht klar kommen.
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Die Abschaffung aller analogen Ticketschalter (und damit auch der legendären Schlangen der Filmfans davor) durch die Festivalleitung wurde jedenfalls immer wieder harsch kritisiert: In persönlichen Gesprächen auf dem Festival und auch in vielen Zuschriften von betroffenen Leser*innen an die taz. Derweil rühmte sich die Berlinale am Dienstag, dass sie mit rund 320.000 verkauften Karten fast so viele Menschen in die Kinos locken konnte wie vor der Coronapandemie.
Letzteres ist ein passendes Stichwort. Während Corona haben zwar weite Teile der Gesellschaft und Politik Rücksicht genommen auf jene Gruppen, die durch die Krankheit besonders verletzlich oder benachteiligt waren. Aber auch damals wurden bereits Online-only-Ticketverkäufe eingeführt, etwa für den Besuch von Schwimmbädern. Und mit der Rücksicht ist es nach dem faktischen Ende der Pandemie vorbei – weil Minderheiten eben Minderheiten sind und auf Dauer nicht die Gewohnheiten der Mehrheit definieren können.
Es geht um soziale Teilhabe
Ähnlich ließe sich beim ausschließlich digitalen Ticketverkauf – nicht nur auf der Berlinale – argumentieren: Jene, die noch immer kein Smartphone nutzen und im Internet konsumieren, sind eine überschaubare Gruppe geworden. Und angesichts der rapide fortschreitenden Digitalisierung werden sie nicht umhin kommen, sich ein entsprechendes Gerät zu kaufen, wenn sie nicht auch auf viele andere Möglichkeiten sozialer Teilhabe verzichten wollen.
Das mag zu guten Teilen stimmen – dennoch ist es diskriminierend. Denn beim Online-only-Verkauf sind jene, die diesen nicht nutzen können oder wollen, auf Unterstützer*innen angewiesen, die den Einkauf besorgen. Weniger Selbstständigkeit geht kaum.
Wahrscheinlich ist die Forderung vermessen, privaten Vermarkter*innen von Tickets für Veranstaltungen vorschreiben zu wollen, künftig auch alternative Vertriebsangebote jenseits von online anbieten zu müssen. Aber zumindest bei staatlichen, sprich von den Steuerzahler*innen finanzierten Veranstaltungen wie der vom Bund getragenen Berlinale, müsste das eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Schließlich ist es Aufgabe des Staates, Diskriminierung durch solche Barrieren abzubauen, und nicht neue zu errichten.
Das Problem dürfte in Zukunft noch häufiger auftauchen und auch Bereiche jenseits der Kultur betreffen. Der Drang der Deutschen Bahn und anderer ÖPNV-Anbieter, kosten- oder wartungsintensiven Verkauf am Schalter und Automaten zu reduzieren und Online-Angebote auszubauen, ist offensichtlich. Was also, wenn man irgendwann vor einem halbleeren Zug oder Bus steht, aber trotzdem mangels Handy nicht mitfahren kann?
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