Gerhard Polt in den Kammerspielen: Die Erben singen tralala

Der Humorist Gerhard Polt bringt sein neues Stück auf die Bühne der Münchner Kammerspiele – gewohnt bitter, gewohnt böse behandelt er dabei den Tod.

Gerhard Polt mit Bierglas steht zwischen zwei Musikern mit Akkordeon und einem Blasinstrument

Gerhart Polt und seine musikalischen Begleiter in „A scheene Leich“ Foto: M. Korbel

Mehr braucht’s eigentlich nicht: eine Bühne, den Polt, ein paar gekonnt musizierende Mitglieder der Familie Well und ein dankbares Münchner Publikum. Ein Flop bei dieser Melange? Ausgeschlossen. So wurde denn auch die Premiere des neuen Stücks von Gerhard Polt in den Münchner Kammerspielen mit begeistertem Applaus, Pfiffen und dem anschließenden Kommentar einer euphorisiert das Theater verlassenden Zuschauerin bedacht: „Sag a mal, das war ja fulminant.“

Endlich. Es ist dieses Wort in seinem doppelten Sinne, das wohl den Abend am besten beschreibt. Auf der einen Seite ist das letzte große Polt-Programm „Ekzem Homo“ schließlich schon fast acht Jahre her. Auf der anderen Seite ist es die Endlichkeit, die der mittlerweile 80-jährige Kabarettist mit seinen Mitstreitern nun auf die Bühne des Schauspielhauses gebracht hat. „A scheene Leich“ heißt das neue Stück und behandelt den Tod in seinen Facetten.

„A scheene Leich“. Münchner Kammerspiele, Vorstellungen im Februar sind ausverkauft, Karten gibt's wieder ab 8. 3.

„A scheene Leich“ nennt der Bayer anerkennend bilanzierend eine, nun ja, gelungene Beerdigung, die es weder an Würde dem vorausgeeilten Protagonisten gegenüber fehlen lässt noch an einer lebensbejahenden Selbstbesinnung der Zurückgebliebenen. Letzterer sind vor allem Leichenschmaus und Bier zuträglich.

Zur Kurzweil hat der Tod aka Boandlkramer in Bayern seit jeher getaugt, man denke nur an den jahrzehntelangen Erfolg des „Brandner Kaspar“. Bei Polt und seinen Bühnengefährten darf der Terminus der „scheenen Leich“ jedoch durchaus ironisch verstanden werden, denn an Würde fehlt es hier hinten und vorne: Der Brenner Pius ist gestorben, der Chef des örtlichen Bestattungsimperiums. Und dass es ihm selbst bei der Ausübung seines Berufes stets weniger um die Würde seiner „Klienten“ als um den eigenen Profit gegangen ist, wird schnell überdeutlich.

Zwei Schweizer und ein Laienchor

Etwa in einer Szene, in der die angehenden Karrieristen des Bestattungsbusiness im Fachgebiet Urnen geschult werden. Hier doziert Schulungsleiter Polt nicht nur über die neuesten Urnenmodelle, sondern auch über den geistigen Ausnahmezustand der Menschen, die sich wegen eines Trauerfalles an die Pietas Ruhe GmbH & Co. KG wenden, und wie es diesen pekuniär auszunützen gelte. Einer Mitarbeiterin, die es geschafft hat, einen Marmorsarg im Wert von 72.000 Euro nach Liechtenstein zu verkaufen, wird denn auch der „silberne Sargnagel in Bronze“ verliehen. „Da sieht man wieder“, sagt der Dozent., „dass bei uns in der Bestattungsbranche der Humor nicht ausstirbt.“

Gerhard Polt und die Brüder Stofferl, Michael und Karli Well haben sich für „A scheene Leich“ noch zwei Schweizer mit an Bord geholt: den Regisseur Ruedi Häusermann und den Schauspieler Stefan Merki aus dem Ensemble der Kammerspiele. Dazu einen Laienchor, der singt, spielt, musiziert und Kulissen umherschiebt.

Die Wells selbst wiederum greifen zu Trompete, Akkordeon, Tuba, Klarinette, Harfe und auf allerhand Altbewährtes zurück, versehen etwa Klassiker aus dem Repertoire der Biermösl Blosn mit neuen, dem Sujet entsprechenden Texten. Sehr vergnüglich ein parodistisches Medley à la Comedian Harmonists. „Ein Heim, ein gutes Heim, das ist das Beste auf der Welt“, stimmen sie darin an. Oder: „Veronika, der Arzt ist da. Die Erben singen tralala.“

„Wir bauen viel, aber wir hinterlassen nichts“

Vorlage für die Geschichte, die letzten Endes mehr als Rahmenhandlung für eine lose Nummernrevue dient, war der Skandal um ein Altenheim in Polts Wohnort Schliersee, den der Bayerische Rundfunk vor zwei Jahren aufgedeckt hatte. Die Bewohner waren chronisch unterversorgt, bekamen noch nicht einmal genügend zu essen.

Wunden wurden nicht behandelt, verwahrloste Menschen vegetierten vor sich hin und starben oft unter obskuren Umständen. In Polts sarkastischer Antwort auf den Skandal wird die dem Heim nachempfundene Seniorenresidenz Sonnenstrahl, quasi als Warteschleife, von Pius Brenner mit ins Bestattungsgeschäft integriert.

Es ist gewohnt bitter, gewohnt böse, nicht immer appetitlich. Auch Erkenntnisse fehlen nicht: „Der Tod verdankt dem Leben seine Existenz“, konkludiert Polt, und ein andermal: „Wir bauen viel, aber wir hinterlassen nichts.“ Wortspiele rund um die Finalität des Lebens runden das Ganze ab. Das schönste: „Das neue Testament werden wir nicht anerkennen“, sagt der Anwalt von Brenners Ex-Frau auf der Beerdigung zu dessen junger Witwe – während der Pfarrer sich gerade in eine Lesung aus dem Neuen Testament hineinsteigert.

Polt ist ein Menschenbeobachter und -darsteller ganz besonderer Güte. Es ist schade, dass dies in der neuen Aufführung etwas zu kurz kommt. Vielleicht auch aus Ermangelung an so großartigen Partnerinnen, wie es Gisela Schneeberger in der Vergangenheit oft eine war. Den Vergleich mit früheren Stücken wie „Kehraus“, „Die Exoten“, „Diridari“ und „Tschurangrati“ muss das neue Werk bei aller bescheinigter Fulminanz dann doch scheuen.

Aber ist der ewige Vergleich mit früher nicht auch ein bisschen wohlfeil und ohnehin immer voller Verklärung? Wer schafft es schon, so hohe Maßstäbe zu setzen, dass er selbst keine Chance mehr hat, ihnen gerecht zu werden? Eine Gaudi ist die „Leich“ in jedem Fall. Braucht’s mehr?

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