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Kein Bleiberecht für Nicht-UkrainerHamburg lässt Geflüchtete im Stich

Studierende aus der Ukraine ohne ukrainische Staatsbürgerschaft müssen um ihren Aufenthalt bangen, weil ihre Aufenthaltsgenehmigungen auslaufen.

Bleiben dürfen erstmal nur Ukrainer: Studierende im Hörsaal Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

HAMBURG taz | Noch immer ist Krieg. Noch immer müssen die einen mehr um ihr Bleiberecht in Hamburg kämpfen als die anderen. Es ist bald ein Jahr her, seit Russland die Ukraine angegriffen hat. Seitdem sind Tausende Geflüchtete nach Hamburg gekommen. Darunter auch Menschen, die keine ukrainische Staatsbürgerschaft besitzen, aber in der Ukraine gelebt, studiert oder gearbeitet haben. Sie müssen nun um ihren Aufenthalt bangen. Denn ihre vorübergehenden Aufenthaltsgenehmigungen, sogenannte Fiktionsbescheinigungen, laufen aus.

Die Situation ist deprimierend und frustrierend“, findet Carola Ensslen, Fachsprecherin für Flucht und Migration der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft. Aktuell gebe es für Personen aus Drittstaaten keine Möglichkeit, ihre Fiktionsbescheinigungen zu verlängern.

Wie das Amt für Migration auf taz- Nachfrage mitteilt, wird es dafür auch keine neuen Regelungen geben. Studierende aus Drittstaaten würden nun eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis erhalten, sofern alle „Erteilungsvoraussetzungen vorliegen“. Anforderungen für eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung sind in erster Linie: Sprachkurse und Geld.

Laut Ensslen sei es kaum möglich, diese Voraussetzungen zu erfüllen. Das liege vor allem daran, dass die Fiktionsbescheinigungen nur für sechs Monate ausgestellt wurden. Dadurch bliebe nur begrenzt Zeit, um die Anforderungen für einen Aufenthaltstitel zu erfüllen. Ensslen findet das unverständlich, Niedersachsen habe Fiktionsbescheinigungen für zwölf Monate ausgestellt.

Hohe Hürden

Neben der begrenzten Zeit seien die Anforderungen selbst die Tücke, sagt Asmara Habtezion, Gründerin der Hamburger Geflüchteten-Hilfsorganisation Asmaras World: „Die erwarten Sachen, die kann niemand erreichen“, sagt sie. Seit Anfang des Jahres hätten bereits über 200 geflüchtete Drittstaatler*in­nen ihre Organisation um Hilfe gebeten.

Alle hätten eine Anordnung erhalten, Deutschland zu verlassen, da sie die Anforderungen für eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis nicht erfüllen. Die Betroffenen stammen ursprünglich aus Ländern wie dem Jemen, Marokko, Iran oder Irak. Sie hielten sich bis zum Kriegsbeginn legal in der Ukraine auf.

Insgesamt, hätten bis zum 23. Januar dieses Jahres in Hamburg bereits 624 Dritt­staat­le­r*in­nen eine solche Ausreisean­ordnung erhalten, so das Amt für Migration. Eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis würde all denjenigen zustehen, die studien­vorbereitende Maßnahmen und eine Lebensunterhaltssicherung nachweisen können.

Habtezion lobt zwar, dass der Hamburger Senat als erstes Bundesland die Fiktionsbescheinigungen eingeführt hat. Doch „was nützen ein paar Monate, wenn die Anforderungen nicht erfüllt werden können“, bemängelt sie. Die für die Aufenthaltserlaubnis geforderten Sprachkurse würden nicht ausreichend angeboten werden, also könne man sie auch nicht absolvieren.

„Der Innensenator sollte diesen ganzen Wahnsinn stoppen“

Carola Ensslen, Fachsprecherin für Flucht und Migration der Linksfraktion in der Bürgerschaft

Das sah auch die Hamburger Wissenschaftsbehörde ein. Sie stellt über 400.000 Euro bereit, um Angebote für Sprachkurse an Hamburger Hochschulen zu unterstützen. Die Förderung wurde im vergangenen Jahr bewilligt. Laut Wissenschaftsbehörde werden die ersten Maßnahmen „voraussichtlich in Kürze“ anlaufen.

Die Ablehnungsbescheide lägen jedoch jetzt vor, beklagt Habtezion. Deshalb müssten Organisationen wie Asmaras World nun die Aufgaben der Behörde übernehmen. Jeden Tag sei sie damit beschäftigt, Widersprüche gegen Ausreiseverfügungen einzulegen.

Neben den fehlenden Integrations- und Sprachkursen stehen Geflüchtete aus Drittstaaten vor einem weiteren Problem: Lebensunterhaltssicherung. Und das Problem ist ziemlich teuer, 11.208 Euro müssen für eine Aufenthaltserlaubnis nachgewiesen werden. „Wer es sich leisten kann, kann hierbleiben“, beklagt die Linken-Politikerin Ensslen.

Für jene, die es sich nicht leisten können, habe es bislang die Möglichkeit gegeben, einen freiwilligen Dienst zu absolvieren. Doch auch das reiche nicht aus, um die Lebensunterhaltssicherung gewähren zu können. Auch Sprachkurse könnten neben der Arbeit nicht belegt werden. Diese seien wiederum für eine Aufenthaltsgenehmigung nach dem freiwilligen Dienst gefordert.

Viele Widersprüche zu erwarten

„Eigentlich kann man das alles nur als kompletten Irrsinn bezeichnen“, sagt Ensslen. Abgesehen davon sehe sie die Behörden auf weitere Probleme zu steuern. Es sei davon auszugehen, dass die meisten der Betroffenen einen Widerspruch einlegen werden. Wenn der Widerspruch von dem Amt für Migration abgelehnt wird, dann kann in einem letzten Schritt eine Eingabe gemacht werden.

Damit würde der Fall noch ein letztes Mal von der Hamburger Bürgerschaft geprüft werden. Meistens seien diese Verfahren hoffnungslos, so Ensslen. Doch sie verschaffen den Geflüchteten mehr Zeit. Die Konsequenz sei jedoch: totale Überforderung aller Betroffenen.

In 320 Fällen sei bereits Widerspruch eingelegt worden, das geht aus einer Kleinen Anfrage Ensslens an den Hamburger Senat hervor. Mit einer Verlängerung der Fiktionsbescheinigung könne man allen Beteiligten eine Menge Arbeit abnehmen. Die Fachsprecherin der Linken findet: „Der Innensenator sollte diesen ganzen Wahnsinn stoppen.“

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