Rentenreform in Frankreich: Zwei Jahre länger arbeiten

Nach 2030 sollen Fran­zo­sen erst ab 64 Jahren mit voller Rente in den Ruhestand gehen. Die linke Opposition und Gewerkschaften sind dagegen.

Portrait

Premierministerin Elisabeth Borne am Dienstag in Paris Foto: François Mori/ap

PARIS taz | Mit 64 oder 65 Jahren? Das war noch bis zum Wochenbeginn die Frage in Paris. Dass das Ruhestandalter zur Finanzierung des staatlichen Systems der Altersvorsorge erhöht werden muss – ähnlich wie in anderen Ländern –, das stand für die Regierung und auch für die oppositionelle konservative Partei Les Républicains (LR) fest. Entgegengesetzter Meinung sind die Gewerkschaften und die politische Linke, die diese Reform als finanziell unnötig und sozial ungerecht ablehnen.

Am Dienstagabend hat die Premierministerin Elisabeth Borne die Details enthüllt. Die schrittweise Einführung des Rentenalters 64 bedeutet, dass bereits die ab 1961 Geborenen länger arbeiten müssen. Quasi als soziale Abfederung dieser bitteren Pille für die heutigen Erwerbstätigen soll die Vorlage neu eine Mindestvollrente von 1.200 Euro pro Monat garantieren und zudem Arbeitnehmern in besonders ermüdenden Berufen (wie zum Beispiel den Schwerarbeitern) eine frühere Pensionierung ermöglichen. Die Details dazu stehen aber noch in Diskussion und dürften erst ab dem 6. Februar im Parlament Gegenstand von zahlreichen Änderungsanträgen sein.

Die kommende Parlamentsdebatte droht sehr lebhaft zu werden. Zudem sind massive Protestkundgebungen angekündigt. Zum ersten Mal seit zwölf Jahren sind dabei die sonst rivalisierenden Gewerkschaftsverbände im Widerstand geeint, denn für sie sind diese am Dienstag enthüllten Maßnahmen ein frontaler Angriff. Ohne viel Hoffnung hatte die Regierung versucht, die Gegner vom Sinn der Reform zu überzeugen.

Für die linken Oppositionsparteien gab es allerdings nichts zu diskutieren. Diese Vorlage ermöglicht es ihnen im Gegenteil, mit der demonstrativen Geschlossenheit auf der Straße ihre Allianz NUPES (Neue Ökologische und Soziale Volksunion) im Parlament zu wahren. In den vergangenen Wochen ging dieser Bund wegen Meinungsverschiedenheiten immer mehr in die Brüche.

Rentenreform, seit Jahren im Programm der Konservativen

Mehr Erfolg hatte Premierministerin Elisabeth Borne bei ihrem Werben um Stimmen bei den Konservativen. Das war zu erwarten, denn wie könnten die LR-Abgeordneten einen Vorschlag ablehnen, der genau die Punkte enthält, die seit Jahren in ihrem Programm stehen? Rechte Präsidentschaftskandidaten wie François Fillon 2012 oder erneut 2022 Valérie Pécresse hatten die Erhöhung des Pensionsalter auf 65 Jahre sowie eine längere Beitragsdauer verlangt. Die extreme Rechte dagegen lehnt diese Reform ab.

In der französischen Gesellschaft ist die Reform sehr unpopulär. Laut einer vom Fernsehsender BFMTV veröffentlichten Befragung des Instituts Ipsos sprechen sich 79 Prozent gegen die geplante Erhöhung des Rentenalters aus. Laut einer anderen Umfrage von Odoxa für das Wirtschaftsmagazin Challenge wären sogar 83 Prozent gegen den Ruhestand mit erst 65 Jahren. Für Macron war die Rentenreform aber ein Kernpunkt seines Wahlprogramms.

Kein Gehör findet in der französischen Debatte das Argument, dass inzwischen im Land, wie in zahlreichen europäischen Ländern, die Lebenserwartung gestiegen ist. Während in Frankreich das Rentenalter eine heilige Kuh ist, wurde bereits in anderen Nachbarländern eine Altersgrenze von 67 beschlossen. Der sozialistische Präsident François Mitterrand führte im Rahmen diverser Sozialreformen die Pensionierung mit 60 Jahren nach 37,5 Jahren Versicherungsdauer ein.

Dies galt, nicht nur den Gewerkschaften, als „Errungenschaft“, an der nicht gerüttelt werden durfte. Nachdem rechtskonservative Regierungen mit Anläufen zu einer Reform mehrfach scheiterten, beschlossen schließlich die Sozialisten unter François Hollande zur Sicherung der langfristigen Finanzierung eine bis 2035 schrittweise längere Lebensarbeitszeit als Bedingung für eine Vollrente.

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