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Spanien verbietet RiesenfarmenEin Schritt gegen Massentierhaltung

In Spanien dürfen Agrarbetriebe künftig höchstens 850 Milchkühe haben. Das hilft Klima- und Umweltschutz – und bedeutet das Aus für eine Riesenfarm.

In Spanien werden künftig nur noch Farmen mit bis zu 850 Milchkühen zugelassen Foto: Elsa A Bravo/imago

Madrid taz | Es sei „eine sehr gute Nachricht nicht nur für unser Dorf Noviercas, sondern für ganz Europa“, sagt Armando Pérez Ruiz sichtlich zufrieden. Die spanische Linksregierung hat zwischen den Jahren fast unbemerkt von der großen Öffentlichkeit ein Dekret erlassen, das Massentierhaltung im großen Stil untersagt. Künftig werden nur noch Farmen mit bis zu 850 Milchkühen zugelassen. Das dient Klima-, Umwelt- und Tierschutz.

Pérez lebt als Bauer vom Getreideanbau und ist Sprecher einer Bürgerinitiative, die gegen die sogenannten Macrogranjas – zu Deutsch: Riesenfarmen – kämpft. Sein Heimatort Noviercas in der zentralspanischen Provinz Soria ist Synonym für Tierhaltung ohne Grenzen. Das Gesetz „stärkt die kleinen und mittleren Landwirte und schützt die Umwelt“, so glaubt Pérez.

In Noviercas sollte eine Macrogranja mit 23.520 Kühen auf einer Fläche etwas größer als die Hälfte des Berliner Tiergartens entstehen. Es wäre die größte in Europa und die Nummer 5 weltweit gewesen. Die Gegner fürchten um Natur, Wasser und Luft, kurz: um ihre Zukunft.

„Jetzt kann der Betrieb nicht gebaut werden“, sagt Pérez. Denn alle Projekte, die nicht bereits im April 2022 sämtliche Baugenehmigungen beisammenhatten, fallen unter das neue Gesetz. Auch der Ausbau bestehender Großbetriebe ist künftig nicht mehr möglich. Aktuell betriebene größere Massentierhaltungen dürfen weitermachen, sollen künftig aber strengeren Kontrollen unterliegen.

Zu hohe Obergrenze

Weitere Erklärungen will Pérez aber nicht abgeben. Das Thema Massentierhaltung hat im 156-Seelen-Ort Noviercas für zu viel Ärger zwischen den Gegnern und denen, die ihr Land an das Projekt verkauft haben, gesorgt.

Das neue Gesetz sieht vor, dass maximal 850 sogenannte große Viehzuchteinheiten in einem Betrieb gehalten werden dürfen. Eine Milchkuh oder ein ausgewachsener Bulle sind jeweils eine Einheit. Bei Mastkälbern ist das je nach Alter unterschiedlich. So gelten ganz junge Kälber nur als 0,4, schlachtreife Kälber als 0,7 Einheit.

Für Luis Ferreirim, Viehzuchtspezialist bei Greenpeace Spanien, ist das neue Gesetz „ein klares Signal“, aber er sieht dennoch einen „weiten Weg zu einem wirklich nachhaltigen und klein- und mittelgroßen Tierhaltungsmodell“. Greenpeace und die Vereinigung kleiner und mittlerer Landwirte (COAG) hatten eine Begrenzung auf die maximale Kapazität von 180 Einheiten gefordert.

Außer den zu hohen Obergrenzen macht Ferreirim eine Lücke im Gesetz aus. „Es geht nicht auf die Gesamtbelastung einer Region ein“, sagt er. 25 Betriebe mit jeweils 850 Einheiten ergäben zusammen auch ein Volumen ähnlich dem gestoppten Großbetrieb in Noviercas. Dieser habe jährlich 574.200 Tonnen CO2 ausgestoßen, so viel wie 122.000 Autos. „Wir brauchen weniger Tiere und nicht ständig mehr“, sagt Ferreirim.

In Spanien werden jährlich rund 900 Millionen Tiere geschlachtet, 58 Millionen davon sind Schweine, aber auch Kaninchen, Hähnchen, Lämmer und Kühe werden getötet. 66 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche dienen der Produktion von Tierfutter.

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16 Kommentare

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  • Ich sehe es jetzt schon kommen, dass die Tiere von den Fleischkonzernen so umverteilt werden, dass wir nichts erreichen werden. Statt einige hunderte Bauernhöfe (= Schlachtbetriebe = Fleischkonzerne) mit tausenden Tieren werden es tausende Höfe mit 850 Tieren.



    Der spanische McDonalds wird weiterhin im Minutentakt Cheeseburger servieren.

  • Immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Fleisch und Milchprodukte werden so wahrscheinlich teurer werden, dann verbraucht man eben weniger davon, aber in höherer Qualität. Es bleibt aber noch viel zu tun in Richtung Umweltschutz, besseren Produkten und mehr Tierwohl.

  • Mensch!

    ... und nochmal: Mensch!

    Schaue dir nur das Foto an! (1)

    Sensible Kreaturen werden für dein billiges Joghurt (etc.) misshandelt!



    Willst du damit leben?



    Wie willst du damit leben?

    (1) Zwar erkenne ich da keine Ketten um die Hälse, aber ich weiß, dass Millionen von weiblichen Rindern so eng fast ihr ganzes Leben verbringen müssen!

    • @tsitra:

      Das sehe ich ganz genauso. Wir können es ja weitgehend vermeiden, daß Tiere für unsere Ernährung leiden müssen. Das liegt innerhalb unserer Möglichkeiten. Es braucht hierfür aber weitere gesetzliche Regelungen, alleine über den Markt wird sich das nicht erreichen lassen.

  • Was haben denn die bisherigen Landwirtschaftsminister*innen bislang gemacht, außer warme Worte abzusondern? Die Klöckner wollte ein Gesetz machen, wie lange Hundehalter mit ihren Vierbeinern Gassi gehen sollen müssen. Wie krank muss man eigentlich als Minister*in sein?



    Gegen Massentierhaltung und die unglaublichen Tierquälereien in den meisten Großbetrieben hat sie nichts, aber auch garnichts gemacht.



    Wir Verbraucher sollten mal 14 Tage keine Tierprodukte konsumieren, egal ob Milch, Käse, Eier, Fleisch oder Folgeprodukte. Nur so ließe sich etwas bewegen.

    • @Levithian:

      Zwei Vorschläge erkenne ich in Ihrem Beitrag, LEVITHIAN:

      1.) Politiker*innen sollen etwas dagegen unternehmen

      2.) Wir Verbraucher sollen etwas dagegen unternehmen.

      Falls unsere Demokratie nur HALBWEGS funktioniert, dann ist das was die Politiker*innen tun, ziemlich genau das was wir Verbraucher*innen wollen.

  • Obergrenzen sind immer ein Fest für Berater und Advokaten...

  • In den 60ern waren wir in den Sommerferien immer auf einem grossen Gutshof in Bayern.



    Dort gab es um die 50 Milchkühe.

    Die Begrenzung auf Grosstiere sollte heute, wo die jetzt als klein geltenden Betriebe oft gar keine Kühe mehr haben, auch auf Pferde ausgedehnt werden.

    Pferdehaltung ist zwar keine Landwirtschaft, aber die Futterproduktion für diese gilt immer noch als Landwirtschaft und ermöglicht damit das privilegierte Bauen im Aussenbereich nach § 35.

    Die Begrenzung auf 1000 Einheiten pro 10 qm2 könnte ein sinnvoller Weg sein.

  • Große Betriebe sind oft sowieso auf mehrere Standorte aufgeteilt. So hat man eben 850 Kühe pro Standort und trennt die Unternehmen auf dem Papier auf.

    • @Gunnar Grannis:

      Ihre Ansicht mag logisch sein, für einen effizienten und damit kostengünstigen Betrieb allerdings nicht. Und daher wird es in der Praxis dazu auch nicht kommen.

      • @Mopsfidel:

        Also Tatsache ist, dass es bereits in der Praxis genau dazu kommt, siehe das Beispiel mit den Legehennen....siehe dazu die ARD-Reportage "die Eierlüge".

      • @Mopsfidel:

        Schauen Sie sich mal einen Bioland Hühnerstall an. Max Größe 3000 Legehennen, genau das halten die auch ein und alle 3000 Legehennen folgt ein Zaun aus Maschendraht, oder ne Leichtbauwand...

  • Diese Obergrenzen sind wirklich heftig.

    Anfang der 90er waren Bauernhöfe mit 48 Kühen noch ausreichend..

    Logistisch ist es bestimmt einfacher und sogar umweltschonender, wenn größere aber dafür insgesamt weniger Höfe angefahren werden.

    Nichtsdestotrotz wäre es eventuell sinnvoller, die Anzahl der Tiere pro Fläche zu begrenzen, nicht nur pro Betrieb. Z.B. im Umkreis von 10 km darf es maximal 1000 Kühe geben. Dabei sollten bestimmte Flächen selbstverständlich "Nutztier"-frei bleiben, Naturschutzgebiete z.B..

    Trotzdem ist jeder stärker einschränkende Schritt bei diesem Thema zu begrüßen.

  • Ich hoffe es gibt da keine Schlupflöcher. Mal als Beispiel: ein Bio-Legehennenbetrieb in Deutschland darf maximal ich glaube 10000 Tiere haben (die Zahl ist jetzt einfach Beispielhaft). Habe in einer Doku gesehen, dass dann einfach ein riesiger Stall gebaut wurde, der Platz für 50000 Tiere hat und einfach Wände gezogen wurden um die Tiere in jeweils 10000 Stück zu unterteilen.



    Somit galt das ganze dann als fünf einzelne Ställe und das Gesetz wurde schön umgangen. Das Resultat ist das gleiche: Massentierhaltung.

  • Sehr gut.



    Ich befürchte aber, die machen aus einer großen Farm zwei kleinere.

  • Gute Idee, könnte man auch gleich EU-weit einführen.