Essen auf Weihnachtsmärkten: Ist das bio? „Keine Ahnung“
Fleisch aus Massentierhaltung dominiert das Angebot auf vielen Weihnachtsmärkten. Von Öko- oder Tierschutzsiegeln fehlt oft jede Spur.
BERLIN taz | Die Frage muss jetzt mal sein: „Ist das bio?“, frage ich den Verkäufer an einem Grillstand des Weihnachtsmarkts auf dem Berliner Alexanderplatz, als er mir gerade eine Thüringer Rostbratwurst ins Brötchen packt. Nein, antwortet er. Warum nicht? „Wissen wir nicht.“ Aus welcher Haltungsform kommt das Fleisch? „Wir sind nur die Verkäufer“, ruft eine Kollegin des Mannes von der Seite. „Wir verkaufen, was da ist. Aber gute Frage eigentlich.“
Die Wurst schmeckt wie jede x-beliebige, das Brötchen scheint normale Backindustrieware zu sein. Kostenpunkt für alles: 4,50 Euro.
Weit und breit sind an den mit vielen Lichtern dekorierten Holzbuden weder Biosiegel noch Tierschutzangaben zu entdecken. Auch nicht an der laut Betreiber „größten Erzgebirgspyramide Europas“, in deren Erdgeschoss unter anderem Glühwein, Longdrinks und Bier vom Fass ausgeschenkt werden.
Arnold Bergmann, der Inhaber der Eventfirma, die den Markt organisiert, sagt auf Anfrage, er wisse nicht, wie die Tiere für das Fleisch gehalten wurden. Er verweist auf den Großhändler, der aber auf eine Mail bis Redaktionsschluss nicht antwortet.
Das Schwein hat nur 0,75 Quadratmeter Platz
Vermutlich kommt das Fleisch also aus den üblichen Ställen: Ein 110 Kilogramm schweres Schwein hat dort nur 0,75 Quadratmeter Platz. Es gibt keinen Auslauf, keinen Zugang zu frischer Luft, keine Stroheinstreu als Beschäftigungsmaterial. Damit sich die Tiere in dieser Monotonie und Enge nicht aus Langeweile und Frustration die Ringelschwänze gegenseitig abfressen, werden sie ihnen abgeschnitten. Auch wenn nur wenige Tiere erkranken, bekommt der ganze Stall Antibiotika.
Sollten die Tiere aus besserer Haltung stammen, wäre das ein Verkaufsargument, das der Betreiber des Weihnachtsmarkts sicherlich nutzen würde.
„Currywurst“, „Nackensteak“, „Hähnchenpfanne“ steht auf brauen Holzschildern, die am Vordach einer Bude hängen. Fleisch dominiert das Angebot an herzhaften Speisen auf diesem Weihnachtsmarkt bei Weitem. Der Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Alexanderplatz ist wie viele andere nichts für Veganer, Tier- oder Umweltschützer.
Es gibt aber wenige Ausnahmen: Ein Stand hat Vegetarisches aus Indien im Angebot, eine Pizzazunge ohne Fleisch, eine „Tornado-Kartoffel“ – Kartoffelscheiben, die auf einen Spieß geschoben und anschließend frittiert werden.
In einer Bude packt eine Verkäuferin gerade Maiskolben auf einen Grill. Sie kommen direkt aus der Tiefkühltruhe, das weiße Eis klebt noch an der Oberseite der Kolben, was nicht so appetitlich aussieht.
Die Tornado-Kartoffel-Bude überrascht
Überraschung an der Tornado-Kartoffel-Bude: „Die sind bio“, behauptet der Verkäufer felsenfest, als ich für meine elfjährige Tochter einen Spieß bestelle. Warum schreiben Sie das nicht auf die Schilder? „Keine Ahnung. Interessiert hier niemanden.“ Da dürfte er recht haben. Aber wer nachhaltige Lebensmittel essen möchte, kommt wohl auch deshalb nicht zu diesem Weihnachtsmarkt, weil das Angebot so mau ist.
„Lecker“, sagt meine Tochter über die Tornado-Kartoffel. „Schmeckt wie Kartoffelchips.“ Und: „Gefühlt alles ist in Fett getränkt.“
Fett ist ein Geschmacksträger, macht aber auch „pappsatt“, wie die Elfjährige an sich selbst bemerkt, als sie dann auch noch eine Tüte gebrannte Mandeln verputzt hat, die schön viel Zucker enthalten. An dem Stand hat der Verkäufer für die Biofrage nur ein Lachen übrig.
Mein achtjähriger Sohn verschlingt derweil eine Portion klebriger Zuckerwatte mit rosa Farbstoff und Erdbeergeschmack, die größer ist als sein Kopf. Im Crêpes-Stand nebenan türmen sich die Nutella-Gläser auf drei Etagen.
„Wenn man das jeden Tag isst, wird man bestimmt total dick“, sagt die Tochter. Womit sie recht haben dürfte – aber wir gehen ja nicht jeden Tag auf den Weihnachtsmarkt.
Leser*innenkommentare
c.c.
Wie der Herr so´s Gescherr !
Herry Kane
Das Gesetz der Profitmaximierung gepaart mit Weihnachtsdideldum.
Schön, oder doch nicht?
Günter Witte
Wenn alle für BIO sind, WARUM kauft dann es ( zurzeit ) niemand ??
BIO ist der Verlierer der Inflation und Ukraine Krise !! Bio Fleisch ist mit 3,6 % ein Nischenprodukt, Bio Eier, die einen Anteil von über 12% hatten sind unverkäuflich, Bio Milch, die sind bei 4 % Anteil, kostet regional weniger als Konventionelle Milch. Dafür erhalten die Erzeuger über 100 % mehr Ausgleichszahlungen als ihre Konventionellen Kollegen, eine Schieflage die immer weiter ausgebaut wird. An der Kasse stimmt der Verbraucher ab, was er haben möchte. Und Bio ist es ( momentan ) nicht.
Ingo Bernable
@Günter Witte Wo hat denn die 'Abstimmung an der Kasse' schon mal funktioniert und zu besseren Verhältnissen geführt? Bei DDT, Asbest, FCKW, verbleitem Benzin, bei Stopfleber, dem Wildfang von Singvögeln, dem Kükenschreddern, der Ferkelkastrtion, ...? Natürlich wird da mehrheitlich immer das Billigste gekauft? Wenn man das aber als demokratische Entscheidung interpretiert und daraus ableitet, dass keine gesetzlichen Mindeststandards nötig wären, müsste man eben auch DDT und Asbest wieder freigeben.
Günter Witte
@Ingo Bernable Die Sachen die Sie aufführen wurden aus berechtigten Gründen verboten, und das war richtig so. Bio aber wird von der Politik und Medien gepuscht und auch finanziert, nur der Verbraucher kauft es halt nicht. Natürlich könnte man jetzt darüber streiten ob die Verbraucher nur geizig sind oder ob Konventionelle Produkte, vor allem die Deutschen, doch nicht so schlecht sind wie gewisse Kreise gerne behaupten.
Birgit Deter
Soso, und wenn es auf allen Weihnachtsmärkten nur noch Biofleisch gäbe, wäre alles paletti?
Wer‘s glaubt, wird selig:
www.biowahrheit.de/schweine/
Der dreckich Katz
Und dann kommt man in die Situation - seit zwei Jahren Vegetarier, Kind jammert auf der Kirmes nach einer Bratwurst, beisst einmal rein und meldet "bin satt!" Naja, bevor das Essen in den Müll wandert, wird Papa halt mal rückfällig und isst den Rest.
Aber auch da nach dem ersten Bissen die Frage "Wieso eigentlich?" Am Geschmack kann es ja nicht liegen. Der ist bei den bleichen, röhrenförmigen Dingern im Pappbrötchen ja durchgehend unterirdisch. Salz, Fett und ein paar Gewürze, mehr kommt da nicht rüber.
Daher hätte die Anfangsfrage durchaus lauten können "Schmeckt das denn?" Und die Antwort dann: „Wissen wir nicht. Wir sind nur die Verkäufer. Wir verkaufen, was da ist. Aber gute Frage eigentlich.“
V M
Hab selbst mal auf Festen (Kieler Woche) gearbeitet. Wenn ich gefragt wurde ob das Fleisch bio ist, habe ich freundlich geantwortet: Ja, alles hier. Wie beziehen den unser Ware von regionalen Bio-Landwirt*innen aus dem Kreis RD.
Na und? Wenns dann gleich viel besser schmeckt.
Ingo Bernable
@V M Wenn es nicht wahr war, fällt das vermutlich unter Betrug oder arglistige Täuschung.
Jim Hawkins
Das ist doch alles pillepalle und der Unterschied besteht im Ausmaß der Qual, das man den Tieren zufügt.
Oder anders gesagt, Hersteller und Verbraucher lügen sich gemeinsam in die Tasche.
Zudem werden die meisten Tiere, egal aus welcher Produktion, in denselben Schlachthäusern am Fließband geschlachtet.
Wie es da zugeht, das man mit drei Klicks herausfinden. Diese Zustände gehören abgeschafft, genauso wie die beschissenen Weihnachtsmärkte.
"Einem 50 bis 110 Kilogramm schweren Mastschwein müssen demnach mindestens 0,75 Quadratmeter zur Verfügung stehen. Dem Mastschwein aus ökologischer Haltung stehen mindestens 1,3 Quadratmeter und zusätzlich ein Quadratmeter Auslauf im Freien zu."
www.bmel.de/DE/the...eine/schweine.html
mike müller
In der Gastro ist das Angebot ja auch eher weniger bio etc. Daher sollte man die Erwartung schon mal mit der Realität abgleichen.
Es wäre spannend gewesen zu schauen, ob bspw. auf dem Weihnachtsmarkt auf dem RAW-Gelände oder in Spandau nachhaltigere Alternativen gibt.
maestroblanco
Ist denn das jetzt nicht etwas naiv, auf einem Weihnachtsmarkt nach BIO zu fragen? Die Aussteller brauchen nach Corona und hohen Eneergiekosten billigst eingekaufte Ware um eine gute Marge zu bekommen. Hier besonders sorgfältig ausgesuchte Lebensmittel zu bekommen halte ich für aussichtslos, eagal ob Fleisch, Brötchen oder die Phosphatschläuche Rote/Thüringer etc.). Die Erwartungshaltung hierzu, wie gesagt, naiv.
Felis
Ich esse gar kein Fleisch/ Fleischprodukt mehr außerhalb meines eigenen Haushalts, und im eigenen nur sehr selten und vom Biometzger meines Vertrauens. Das geht ganz einfach und erspart das Nachfragen und ggf. Beschwindeltwerden...
IBAN-pruefen
Traurig, dass auf Weihnachtsmärkten keine (oder kaum) Bio-Produkte zu finden sind. Andererseits waren die Preise auf Weihnachtsmärkten schon vor der hohen Inflation teils unangemessen hoch. Durch die hohe Inflation ist es noch schlimmer geworden. Bio-Produkte sind in der Regel teurer als die nicht-bio-Produkte. Vermutlich wäre kaum noch jemand bereit, diesen Bio-Aufschlag auf die ohnehin sehr hohen Preise zu bezahlen.