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Asyl für Ira­ne­r*in­nenKein bisschen besser geschützt

Das iranische Regime geht brutal gegen die Protestierenden im Land vor. Auf deutsche Asylentscheidungen hat das bisher offenbar keinen Einfluss.

Demonstration in Solidarität mit den Frauen in Iran im November in Berlin Foto: Mauersberger/imago

Berlin taz | Zwei Menschen ließ das iranische Regime bereits hinrichten, die sich an den Protesten nach dem gewaltsamen Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini im September beteiligt hatten. Viele weitere sind zum Tode verurteilt. Auf die Entscheidungen über Asylanträge von Ira­ne­r*in­nen hat das bisher keinen Einfluss. Das belegen Antworten der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion, die der taz vorliegen.

Das Bundesinnenministerium (BMI) erklärt darin, auf Grundlage des neuen Lageberichts aus dem Auswärtigen Amt von Ende November überarbeite das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) derzeit seine „internen Herkunftsleitsätze Iran“. Um ein „umfassendes Lagebild zu erhalten“, beobachte das Bamf zudem „fortlaufend die allgemeine Entwicklung im Land und wertet zusätzlich eigenständig Daten und Quellen aus“, so das BMI.

Handlungsbedarf hat das Bamf daraus bisher offenbar keinen abgeleitet: Die bereinigte Schutzquote für Ira­ne­r*in­nen schwankte in den Monaten September, Oktober und November zwischen 39,3 und 42,3 Prozent. Sie lag damit sogar etwas niedriger als im Durchschnitt der ersten elf Monate des Jahres 2022 (44,7 Prozent).

„In Anbetracht des Charakters des Regimes im Iran sind die aktuellen Schutzquoten viel zu gering“, kritisiert Clara Bünger, fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. Bünger hatte die Kleine Anfrage gestellt, in der es neben Asylentscheidungen vor allem um die Bedrohungslage in Deutschland lebender Exil-Iraner*innen ging, über welche die taz diese Woche berichtete hatte.

Bünger zufolge habe das Bamf noch im Oktober 2022 in der Begründung eines ablehnenden Asylbescheids erklärt, „geringfügigste Aktivitäten“ wie das Mithelfen bei Demonstratio­nen für eine kurdische Organisation im Iran seien kein Asylgrund, da sie keine verfolgungsrelevanten „Eingriffe“ seitens des Regimes nach sich ziehen würden. „Dass etwas, was im Iran für ein Todesurteil reicht, in Deutschland kein Asylgrund ist, kann man niemandem erklären“, so Bünger.

Dem BMI zufolge hat Bayern im Oktober noch eine Person in den Iran abgeschoben. „Spätestens seit Beginn der Proteste im Iran ist deutlich geworden, dass jede Abschiebung in den Iran eine konkrete Lebensgefahr für die Betroffenen bedeutet“, kritisiert Bünger. Zumindest vorübergehend wird es dazu nicht mehr kommen: Im Dezember einigten sich die Länder auf der Innenministerkonferenz darauf, vorerst keine Menschen mehr in den Iran abzuschieben – mit Ausnahmen für Ge­fähr­de­r*in­nen und Tä­te­r*in­nen schwerer Straftaten. Ein formaler Abschiebestopp, wie ihn die SPD-Länder gefordert hatten, ist das allerdings nicht.

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7 Kommentare

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  • Frau Baerbock, entscheiden Sie endlich und stoppen den Handel mit dem Iran, egal ob die Nachbarstaaten hier mitzhiehen. Gründ für einen Stopp gibt es mehr als genug! Sie wollen doch ihre Glaubwürdigkeit behalten, oder?

  • Die Bundesregierung tut alles, um das iranische Regime nicht - zu verärgern.

    Ausflüchte, was wirksame Sanktionen gegen die Revolutionsgarden angeht, nicht viel mehr als das Beobachten geheimdienstlicher Tätigkeiten hierzulande, kaum wirksamer Schutz für die Betroffenen, und das Bamf wird voraussichtlich noch ewig prüfen.

    Der Grund für dieses Aussitzen dürfte strategischer Natur sein: alles wird der Unterstützung der Ukraine untergeordnet, in der Folge haben Gaslieferungen aus nichtrussischen Quellen höchste Priorität.

    Und LNG aus Katar muss durch die Straße von Hormuz - die der Iran blockieren kann.

    Inzwischen finde ich es schade, dass nicht Union und FDP die Bundestagswahl gewonnen haben: die Politik wäre die selbe, aber es gäbe wenigstens neben der Linkspartei noch eine Oppositionspartei, die Menschenrechte auf der Agenda hätte und kraftvoll ihre Stimme erheben könnte.

    So sind SPD und vor allem Grüne in dieser Hinsicht ein Totalausfall.

  • Nach internationalem, europäischen und deutschen Recht dürfen Menschen nicht in drohende Todesstrafe oder Folter abgeschoben werden. KEINE Menschen, auch keine "Täter und Gefährder". Mit dieser Praxis verstößt Deutschland schon lange gegen das eigene Grundgesetz, die EU-Menschenrechtscharta und die UN-Antifolterkonvention. Dass Politiker:innen versuchen die Gefahr von Todesstrafe und Folter auch im Iran kleinzureden gelang in den letzten Jahren weil die ständigen Menschenrechtsverletzungen im Iran keine Öffentlichkeit in Deutschland hatten. Es war also schon immer menschenverachtend und bedient vor allem dumpf-rassistisches Klientel in der deutschen Wählerschaft in den Iran (und andere Länder mit ähnlicher Situation) abzuschieben. Im Iran sind Todesstrafe und Folter schon lange eine allgemeine Gefahr für alle, wer immer ins Visier gerät (wie nun weltweit bekannt wurde reicht dafür auch schon ein angeblich falsch getragenes Kopftuch um zu Tode misshandelt zu werden und auch zuvor wurden willkürlich Todesurteile z.B. wegen angeblicher Beleidigung des Propheten verhängt auch gegen Minderjährige). Siehe z.B. den Iran Bericht von Amnesty International zum Jahr 2021. Dass auch jetzt nachdem Folter und Todesurteile noch zunehmen und vom Iran zur Unterdrückung der eigenen Bevölkerung eingesetzt werden weiterhin abzuschieben ist eindeutig Rechtswidrig.



    Das Deutsche Strafrecht hat ausreichende Instrumente, um überführte Täter:innen zu verurteilen und in Deutschland begangene Straftaten sollten auch hier geahndet werden, unabhängig der Herkunft. Man schiebt ja auch keine in Deutschland verurteilten Täter nach Frankreich ab, obwohl dort nicht generell jeder Person im Gefängnis Folter oder Todesstrafe droht.

    • @Nina Janovich:

      „Man schiebt ja auch keine in Deutschland verurteilten Täter nach Frankreich ab“

      Doch, sehr wohl. S. z.B.

      www.presseportal.d.../pm/116094/4982238

      www.businessinside...en-konnte-2018-12/

      Ich vermute zwei Ursachen warum man davon nicht so oft hört:

      1.Ein französischer Staatsbürger lässt es wahrscheinlich gar nicht erst soweit kommen, dass die Abschiebung unter Zwang erfolgt, sondern verlässt vorher noch Deutschland

      2.Es ist derart selbstverständlich und vernünftig, dass keinem Einfällt es in Frage zu stellen, zumal nicht anzunehmen ist, dass einem in Frankreich Folter oder ungerechte Inhaftierung droht. Wenn dies aber bei einem französischen Staatsbürger gegenüber rechtens ist, warum auch nicht jedem anderen Staatsbürger gegenüber, sofern es keinen begründeten Verdacht für Folter, Todesstrafe oder Inhaftierung im Falle einer Abschiebung gibt?

    • @Nina Janovich:

      „dürfen Menschen nicht in drohende Todesstrafe oder Folter abgeschoben werden.“

      Natürlich nicht. Ist auch gesetzlich verankert. In §60 Abs. Aufenthaltsgesetz sind 1 anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte im Allgemeinen von einer Abschiebung ausgeschlossen.

      Erst wenn ein Asylantrag abgelehnt wurde (d.h. festgestellt wurde, dass die Person gar nicht schutzbedürftig ist) kommt es zur Aufforderung das Land zu verlassen und wenn keine Folge geleistet wird, zur Abschiebung.

      Ein Asyl oder Anerkennung als Flüchtling kann zwar bei einer schweren Straftat widerrufen oder verweigert werden, das Refoulment-Verbot gilt aber weiterhin. (Subsidiärschutz). Das wird auf entsprechenden Antrag ja auch geprüft. Wenn einer doch abgeschoben wird, dann kann man davon ausgehen, dass entweder kein solcher Antrag gestellt wurde, oder dass es geprüft und als unbegründet befunden wurde.

      Fehlentscheidungen können zwar vorkommen (in den Behörden arbeiten ja auch nur Menschen), mir ist aber kein einziger Fall bekannt, wo einer als Schutzbedürftiger mit anerkanntem Asyl oder Flüchtlingsstatus abgeschoben wurde. Mit Hilfe von Google konnte ich bei so vielen erfolgten Abschiebungen in all den Jahren (zigtausende) nur einen einzigen! Fall recherchieren, wo einer abgeschoben wurde, obwohl vielleicht Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit bestand: den Fall Muhammad Tunc. Ich habe aber nichts im Internet gefunden, dass ihm auch wirklich etwas zugestoßen wäre.

      Von einer „Praxis“ Leute in drohende Todesstrafe oder Folter abzuschieben kann also keine Rede sein.

      Für Leute die im Iran nach dortigem Maßstab kein Verbrechen begangen haben, besteht ja auch keinerlei Gefahr dieser Art. S. z.B. diesen Fall hier:

      www.t-online.de/re...choben-werden.html

    • @Nina Janovich:

      Danke für diese Klarstellung und Grundinformation!

  • ja zwick mich doch einer wer regiert nochmal aktuell?