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Übergewinnsteuer für EnergiekonzerneNoch weniger geht nicht

FDP-Finanzminister Lindner setzt die EU-Vorgaben zur Übergewinnsteuer für Energiekonzerne um. Die Grünen kritisieren den niedrigen Steuersatz.

Grüne und FDP wieder unseins: Finanzminister Lindner und Wirtschaftsminister Habeck im Bundestag Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Das könnte der nächste Koalitionskrach werden: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will die von der EU zwingend vorgeschriebene Übergewinnsteuer für Öl- und Gaskonzerne so niedrig ansetzen wie möglich. Das geht aus seinem Entwurf für die Umsetzung des sogenannten Energiekrisenbeitrags hervor, der auf EU-Ebene beschlossen wurde. Die Grünen fordern einen weitaus höheren Steuersatz.

Lindner hat sich stets gegen die zusätzliche Besteuerung von Erträgen ausgesprochen, die aufgrund der Energiekrise zustande gekommen sind. Die EU hat aber im Oktober beschlossen, dass der „Energiekrisenbeitrag“ bis Ende des Jahres umgesetzt werden muss. Ansonsten droht ein Vertragsverletzungsverfahren. Lindners Entwurf sieht vor, dass alle im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich tätigen Unternehmen die Profite der Jahre 2022 und 2023 zusätzlich versteuern sollen, die über dem durchschnittlichen Gewinn von 2018 bis 2021 liegen.

Der Steuersatz soll 33 Prozent betragen. Das ist der niedrigste Satz, der nach den EU-Vorgaben möglich ist, kritisiert die finanzpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion Katharina Beck.

Lindners Entwurf bleibe deutlich hinter dem Notwendigen zurück, sagt Beck. „In der jetzigen Form sind Gewinnverschiebungen ins Ausland zu befürchten, sodass die Abgabe wahrscheinlich großflächig umgangen werden kann und nur ein geringes Aufkommen zu erwarten wäre“, sagt sie. Vor allem fordert Beck einen höheren Steuersatz. „Im Strombereich plant die Regierung Abschöpfungen in Höhe von 90 Prozent – allerdings mit einem anderen technischen Ansatz“, erklärt sie.

Kritik von der Linkspartei

Aufgrund des anderen Ansatzes müsse Schätzungen zufolge die Höhe bei den Öl- und Gasfirmen in einer Größenordnung von 60 bis 80 Prozent liegen, um der Abschöpfung im Strombereich ungefähr zu entsprechen. Bei der Gewinnabschöpfung von Stromerzeugern, darunter fallen vor allem die Betreiber erneuerbarer Energien, geht die Bundesregierung von Einnahmen im zweistelligen Milliardenbereich aus. Das Aufkommen des Energiekrisenbeitrags werde bei etwa 1 Milliarde Euro liegen, hieß es aus Kreisen des Bundesfinanzministeriums.

Auch die Linkspartei kritisiert Lindners Entwurf. „Erst musste die Ampel von der EU zum Abschöpfen getragen werden, jetzt kommt dabei nicht mehr als der vorgeschlagene EU-Mindeststeuersatz raus“, sagte Christian Görke, finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion. „Wenn Deutschland Vorreiter in der EU sein will, sollte es hier ein Zeichen der Gerechtigkeit setzen und einen höheren Steuersatz veranschlagen.“ Die entstandenen und weiterhin entstehenden Übergewinne seien pure Bereicherung auf Kosten der großen Mehrheit.

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7 Kommentare

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  • "Geld? Brauchen wir nicht. Das holen wir uns bei den Hartzern!"

    Und oh, @DIMA, unser Experte in Reichtum: hier [1] das Original. Ich verwette meinen Hut darauf, dass Sie wesentlich weniger von "Steuersystematik" verstehen als Frau Beck.

    [1] nitter.namazso.eu/...595405461569867776

    • @tomás zerolo:

      Frau Beck ist "nur" Finanzbetriebswirtin und war nach Abschluss ihres Studiums nicht weiter in diesem Bereich tätig.



      DIMA ist unter anderem Rechtsanwalt und Steuerberater und in diesem Bereich ohne Unterbrechung seit dem Abitur tätig.

      Im Übrigen erklärt Ihr Kommentar nicht, weshalb Unternehmen wegen "zu niedrigen" Steuern Gewinne ins Ausland verlagern sollten.

  • »Einmal blockieren wie Christian Lindner«.

  • Der Skandal: Wind- und Solarfirmen werden erst mit 90% sonder-besteuert, dann kommt der normale Steuersatz noch hinterher. Verlieren sind daher auchdie Standortgemeinden der Windparks, denen jetzt auch noch die Gewerbesteuern vorenthalten werden, die einen gewissen Ausgleich für die verbaute Landschaft darstellen sollten.

    Die zusätzlichen Einnahmen des Bundes dienen vor allem der Subvention von Verbrauchern fossiler Energie.

    Wo die großen Gewinne gemacht werden, in der Förderung von Erdöl und Erdgas, kommt die Bundesregierung sowieso nicht hin, da im Ausland. Nimmt man alles zusammen, wird jetzt u.a. mit den weggefallenen Einnahmen der Standortkommunen die FIFA-WM im Gasland Qatar finanziert.

  • Die Ampel ist nach dem Scheitern des Bürgergeldes fertig. Faktisch reagiert jetzt die CDU über den Bundesrat mit und wird diesen auch weiterhin entsprechend mißbrauchen.



    Selbst wenn sich die Grünen bei der Übergewinnsteuer gegen Lindner durchsetzen könnte, wird das dann im Bundestag ausgebremst.



    Fertig ist auch die bundesdeutsche Demokratie-Simulation, spätestens seit Corona ist klar, dass die alten Köpfe und die alten Parteien zu langsam und ideologisch zu senil sind, um rechtzeitig und richtig auf Krisen zu reagieren.



    Die quasi flächendeckende Korruption in der Politik kommt da noch on top dazu.

  • Schade, da wurden viele Chancen verpaßt. Wenn die Sache mit dem Bürgergeld rechtmäßig ist, warum dann nicht auch derartige Regeln für Krisengewinnler und Spekulanten anwenden und solche als Wirtschaftsgemeinschaften betrachten, die sich mit einem absoluten Existenzminimum begnügen müssen, einschließlich der Option, daß sie sich das Verlassen der BRD oder das Transferieren von Geldern ins Ausland genehmigen lassen müssen?

    Richtig, so etwas sind irrationale Gedankenspiele, die ganz sicher nie verwirklicht werden. Aber sie klingen dennoch etwas besser, als z.B. extreme Übergewinne lediglich mit 33 % zu besteuern, was nur wenig mehr ist als das, was der den Durchschnittsbürgern an Steuern für Sparbuchzinsen u.ä. abverlangt.

    Ich meine, alle diese Probleme sind zu 80 % nur deshalb welche, weil sich die Idee der Demokratie niemals am Tierreich orientiert hat. Im Tierreich wählen die Gazellen nicht die Löwen zu ihren Anführern und überlassen auch nicht den Löwen die Entscheidung darüber, welches die besten Lebensbedingungen für die Gazellen sind.

  • Worin sollte der Anreiz zur Verschiebung von Gewinnen ins Ausland liegen, wenn der niedrigste mögliche Steuersatz angesprochen wird? Eine Gewinnverschiebung ins Ausland droht doch nur bei hohen Steuersätzen.

    Wenn Frau Beck die Steuersystematik irgendwann versteht und sie die Gewinnverschiebung vermeiden möchte, müsste sie dann ja auf auf die Linie der FDP umschwenken.