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Informatik als Pflichtfach in der SchuleGedrängel im Stundenplan

Hamburg plant Informatik als Pflichtfach. Doch weil es noch das „Turbo-Abitur“ hat, müssen andere Fächer Platz machen. Bremen geht einen anderen Weg.

Soll demnächst Pflichtfach werden: Informatik Foto: Marijan Murat/dpa

Hamburg taz | Schleswig-Holstein verkündete es schon vor einem Jahr, Niedersachsen gar ein Jahr früher. Klar, da steht auch Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) nicht zurück: Ab dem Schuljahr 2024/25 wird an Hamburgs weiterführenden Schulen Informatik Pflichtfach – wahrscheinlich je zwei Stunden die Woche in Klasse 8 und 9 oder 9 und 10.

Das Problem nur: Es gibt an Hamburgs Gymnasien schon einen ziemlich vollen Stundenplan, weil es dort – anders als in Niedersachsen und Schleswig-Holstein – noch immer das „Turbo-Abitur“ gibt, sprich: Die Schüler legen nach zwölf Schuljahren die Abiturprüfung ab und haben ein Jahr weniger Lernzeit als im Abitur nach 13 Jahren.

Sieht die Stundentafel in Niedersachsen für Mittelstufler am Gymnasium maximal 32 Pflichtstunden die Woche vor, sind es in Hamburg 34. Und die sollen auch nicht mehr werden, damit den Kindern neben Hausaufgaben und Übe-Stress etwas Freizeit bleibt. Das war kein Thema, als Hamburgs Bürgerschaft im März Rabe mit dem neuen Fach beauftragte.

Nun legt die „Vereinigung der Leitungen Hamburger Gymnasien und Studienseminare“ (VLHGS) den Finger in die Wunde. Die Stärkung der „informatorischen Grundbildung“ sei zu begrüßen, heißt es in einer Stellungnahme. Nur werde die Einführung eines neuen Pflichtfachs anderen Fächern Unterrichtsstunden nehmen und damit „Bedeutung“ im Bildungsgang der Schüler.

Ärger mit Fächer-Kürzung

Da dies aber in Hamburg „politischer Wille“ von Senat und Bürgerschaft ist, sollte nun die Schulbehörde klar festlegen, welche Fächer stadtweit Unterrichtzeit hergeben müssen. Denn die einzelnen Schulen könnten nicht entscheiden, „was für die Gesellschaft künftig weniger wichtig ist“.

Von der taz damit konfrontiert, erläutert Ties Rabe die Notwendigkeit des Pflichtfachs, welche auch ein Gutachten der Kultusministerkonferenz empfiehlt. Informatik sei Zukunftstechnologie. Sie habe beinahe den Stellenwert wie „Lesen, ­Schreiben und Rechnen“. Als Wahlfach, was es bisher war, habe es sich zu einer männlichen Domäne entwickelt. Mit dem Pflichtfach sei dafür gesorgt, dass sich alle Schüler gleich welchen Geschlechts mit Informatik auseinandersetzten.

Rabe sichert zu, die Schulbehörde werde sich in den nächsten Monaten „auch der sehr schweren Frage stellen, welche Fächer dann einen Schritt eingeschränkt werden müssen“.

Ties Rabe könnte aus seiner Zeit als Abgeordneter noch erinnerlich sein, welchen Ärger es gab, als sein Vorgänger 2011 versuchte, das Fach „Theater“ in Hamburgs Grundschulen zu verankern und dafür bei Musik und Kunst zu kürzen. Letztlich bekamen alle drei Fächer feste Stunden.

An den Gymnasien, wo auch die zweite Fremdsprache Pflicht ist, gibt es wenig Spielraum

Aber an den Gymnasien, wo auch die zweite Fremdsprache Pflicht ist, gibt es wenig Spielraum. Die Hauptfächer Deutsch, Mathe und Englisch will Hamburg ohnehin stärken, ebenso die Naturwissenschaften. Das Recht auf Religionsunterricht ist im Grundgesetz abgesichert und die Hand an Geografie, Geschichte oder Politik zu legen, dürfte auch strittig sein.

„Es ist schon mal gut, wenn die Schulbehörde eine zentrale Vorgabe machen will“, sagt der VLHGS-Vorsitzende Christian Gefert. Denn was nicht gehe, sei die schwierige Frage, was wegfällt, auf die einzelne Schule zu schieben. Dazu muss man wissen: Hamburgs Stundentafel enthält noch einen kleinen Gestaltungsraum, in dem Schulen Schwerpunkte bilden können, etwa musische. „Auf keinen Fall darf das neue Pflichtfach auf Kosten dieser Profile gehen“, warnt Gefert.

Auch der Zeitplan gilt als ungünstig, da Rabe gleichzeitig für alle Fächer neue Bildungspläne in petto hat, die mehr Faktenwissen und Klausuren vorgeben. Geht es nach Rabe, müssen die Schulen diese im nächsten Schuljahr in ihrem Unterricht umsetzen und schon im Jahr darauf die Fächer für den Informatikunterricht beschränken.

„Da mutet Rabe den Schulen viel zu“, sagt die Elternkammer-Vorsitzende Alexandra Fragopulos. Ohnehin seien die Kammern mit Rabes Bildungsplänen gar nicht einverstanden. „Wir fühlen uns mit unserer Kritik nicht gehört und diskutieren gerade, ob und wie wir weitere Schritte unternehmen.“

Informatik in allen Fächern

In Schleswig-Holstein, das zum 13-jährigen Abitur zurückkehrte, läuft eine Pilotphase zum Informatikunterricht, bevor der 2023/24 in die Fläche geht. Mit dem Wegfall eines anderen Fachs ist dort an den Gymnasien nicht zu rechnen.

In Bremen steht das Thema auf Antrag der CDU nächste Woche auf der Tagesordnung der Bürgerschaft. Doch dort geht SPD-Senatorin Sascha Aulepp statt der Einführung eines Informatik-Pflichtfachs einen anderen Weg. „An unseren Schulen wird die informatorische Grundbildung als Querschnittsaufgabe in allen Fächern bearbeitet. Damit sind im Moment alle sehr zufrieden“, sagt ihre Sprecherin Maike Wiedwald. Man sehe sich im Einklang mit den Empfehlungen der Kultusministerkonferenz.

Gleichwohl gebe es in Bremen Informatik als Wahlfach, als Projekt und als Fach in der Oberstufe, mit dem Schüler Abitur machen können. Zudem, das sei wichtig, erhalte jeder Schüler ein eigenes Endgerät.

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8 Kommentare

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  • Viel spannender wäre was man in diesem Fach denn wohl vermitteln will.

    Denn eines ist klar: Wenn es dieses Fach gibt werden alle Lehrer die nicht mit "digitaler Kompetenz" gesegnet sind das Thema komplett aus ihrem Unterricht verbannen und alles dem "Info"-Lehrer aufdrücken.

    Ich frage mich ohnehin, ob man in "Deutsch" nicht auch "Textverarbeitung" lernen sollte.



    Oder in Mathe "Tabellenkalkulation"



    Oder in Erdkunde Satellitendienste.



    Oder in Sachkunde wie ein Taschenrechner von innen aussieht.



    Oder in Chemie Molekular-Visualisierungssoftware

    Und wenn ich sehe, was da so im Abitur in Info auf dem Leerplan steht (Stichwort "Volladdierer") klicke ich innerlich mindestens zehn Mal auf das Face-Palm Emoji.

  • Mein Gott, kann man dieses 12-jährige Abitur nicht endlich abschaffen.

    In Berlin gibt es das auch noch, weil es der Linken und der SPD schwerfällt zuzugeben, dass ihre Schulreform Mist war.

    Kein Mensch braucht das 12jährige Abi. Es ist dadurch nichts besser geworden, aber manches schlechter.

    Kein Mensch

    • @rero:

      Wer nach 13 Jahren Abitur machen will, kann das doch in der Stadtteilschule machen. Warum soll man die Unterschiede zwischen Gynasium und Stadtteilschule weiter nivelieren?

      • @Ruediger:

        Weil die Unterschiede soziale Exklusivität bedeuten.

        Die Durchmischung in Schulen bringt es aber.

        Und weil, wie im Artikel steht, ein Zeitdruck entsteht, der wichtige Fächer, z. B. Informatik, unmöglich macht.

        • @rero:

          Hätten wir am Gymnasium auch 13 Jahre, wäre der Unterschied zwischen Stadteilschule und Gymnasium tatsächlich nur ein sozialer. So ist das Gymnasium eine Schule für wirklich starke Schüler unabhängig von ihrer sozialen Herkunft (denen man durchaus auch ein bisschen Zeitdruck zutrauen kann) und die Stadtteilschule wird auch für Leute attraktiv, die Abi machen wollen, weil sie ein Jahr mehr Zeit haben, statt eine verkappte Hauptschule zu sein.

          Es wird immer wieder neue Inhalte geben, die die Schulen vermitteln müssen, da müssen immer wieder neue Prioritäten gesetzt werden. Das kann man doch nicht dadurch lösen, dass man die Zahl der Schuljahre erhöht, schon gar nicht an der Schulart, die sich an dir Leistungsfähigsten richtet

          • @Ruediger:

            Je mehr man den Druck im Gymnasium erhöht, um so stärker ist die Exklusion.

            Und die ersten, die dabei exkludiert werden, sind die mit der schlechteren sozialen Herkunft.

            Derzeit gibt es ein Zwei-Klassen-Abitur.

            Das auf der Stadtteilschule und das "richtige" Abitur. Ein wunderbares Distinktionsmerkmal.

            In Berlin schickt inzwischen, jeder, der irgendwie kann, sein Kind aufs Gymnasium.

            Das Gymnasium ist noch interessanter geworden.

          • @Ruediger:

            "So ist das Gymnasium eine Schule für wirklich starke Schüler unabhängig von ihrer sozialen Herkunft"

            Das ist natürlich eine Illusion.



            War es immer und ist es immer (noch)

            Eine Abhilfe böten flächendeckende Intelligenztests - aber das will ja vor allen die Finanzelite nicht.

            Denn dann würde ja u.U. rauskommen das die hohlsten Birnen auf den höchten Plätzen sitzen ...

  • Mit Informatik in Politik und Sozialwissenschaften lässt sich dann hoffentlich auch Medienkompetenz vermitteln - sofern die Lehrer über solche verfügen.