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Waldschutzgesetz in ThüringenKarlsruhe kippt Windkraftverbot

Auch in Thüringer Wäldern dürfen Windenergieanlagen gebaut werden. Das entschied das Bundesverfassungsgericht.

Das ist nun auch in Thüringen erlaubt: Windkraftanlage in einem Wald Foto: Paul Langrock

Freiburg taz | Das generelle Verbot, in Thüringer Wäldern Windkraftanlagen zu bauen, ist verfassungswidrig. Das Bundesland Thüringen hatte keine Kompetenz, ein derartiges Gesetz zu erlassen. Das hat jetzt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden. Erfolg hatten dabei neun Thüringer Waldeigentümer.

Der Landtag in Erfurt beschloss im Dezember 2020 einstimmig eine Ergänzung zum Thüringer Waldgesetz, wonach in Wäldern des Bundeslandes keine neuen Windräder gebaut werden dürfen. Der Gesetzentwurf kam von CDU und FDP, die damit insbesondere „die Schönheit der Thüringer Wälder“ schützen wollten. Die regierende Minderheitskoalition aus Linken, SPD und Grünen lehnte den Gesetzentwurf zwar inhaltlich ab, stimmte aber zu, damit im Gegenzug die CDU-Fraktion dem Landeshaushalt 2021 zur Mehrheit verhilft.

Gegen dieses Gesetz erhoben später neun Thüringer Waldeigentümer Verfassungsbeschwerde. Sie mussten Waldflächen wegen Befalls mit Borkenkäfern roden und hatten die Flächen an Projektentwickler verpachtet, die darauf Windräder bauen wollten. Rechtlich galten die Flächen aber immer noch als Wald, so dass das neue Gesetz die Baupläne vereitelte. Die Waldeigner sahen im Windradverbot unter anderem einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihr Eigentumsrecht.

Ihre Verfassungsbeschwerde hatte nun Erfolg. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts erklärte den entsprechenden Passus des Thüringer Waldgesetzes für „nichtig“. Er begründete dies allerdings ausschließlich mit der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Landes. Ob das Gesetz inhaltlich zu sehr ins Eigentumsrecht der Waldeigentümer eingreift, blieb offen.

Das Urteil des Verfassungsgerichts könnte den Ausbau der Erneuerbaren Energien erleichtern

Entscheidende Frage war, ob die Thüringer Regel zum Bodenrecht gehört oder zum Naturschutz. Nur bei Naturschutzgesetzen dürfen die Bundesländer von Bundesrecht abweichen, nicht aber im Bodenrecht.

Bei dem Verbot, in Thüringer Wäldern neue Windräder zu bauen, ging es laut Gericht um Bodenrecht. „Der flächenbezogene Ausschluss bestimmter Nutzungsarten ist ein typisches Instrument zum Ausgleich bodenrechtlicher Spannungslagen“, heißt es in dem 39-seitigen Beschluss, der am Donnerstag veröffentlicht worden ist. Gegen die Einstufung als Naturschutz spreche, dass das Verbot unabhängig vom Zustand der jeweiligen Waldfläche gilt und auch Flächen erfasst, auf denen nur noch Totholz liegt oder die sogar ganz kahl sind. Außerdem werden nur Windkraftanlagen verboten, nicht aber andere Nutzungen wie zum Beispiel Stromtrassen und Industrieanlagen.

Das Verfassungsgericht stellte in einem zweiten Schritt fest, dass Bundesrecht für die Windkraftnutzung außerhalb von Städten eine abschließende Regelung getroffen hat. So gelten Windräder als privilegierte Bauten, die auch im „Außenbereich“ zulässig sind. Diese Regelung steht in Paragraf 35 des Baugesetzbuchs. Es fehle jedes Anzeichen, dass der Bund eine Landesregelung ermöglichen wollte, wonach im gesamten Wald eines Landes Windräder verboten sind. Dagegen spreche auch, so die Richter:innen, „dass der Ausbau der Nutzung der Windkraft einen faktisch unverzichtbaren Beitrag zu der verfassungsrechtlich durch Art. 20a Grundgesetz und durch grundrechtliche Schutzpflichten gebotenen Begrenzung des Klimawandels leistet“. Artikel 20a erklärt den Schutz der Umwelt zum Staatsziel.

In Thüringen können nun auch in Wäldern neue Windräder geplant werden. 34 Prozent der Landesfläche Thüringens besteht aus Wald. Teilweise ist jedoch wegen Sturmschäden oder Schädlingsbefall eine forstwirtschaftliche Nutzung nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich.

Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) erklärte, das Gericht habe der „ideologisch getriebenen Verbotsregelung“ die Verfassungswidrigkeit attestiert.

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16 Kommentare

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  • Der Ausgleich des CO2-Rucksacks aus der Materialproduktion dauert schon mindestens 10 Jahre (Tendenz stark steigend), aber im Wald wird die Klimabilanz noch schlechter. Wenn man wenigstens Ersatzwälder in windstillen Regionen anlegen müsste, aber nein - nichts...

    Und Rücklagen für die Entfernung des Fundaments aus mehreren tausend Tonnen Stahlbeton gibts auch nicht. Die werden einfach da bleiben wie die Nazibunker in Frankreich.

    Tut mir leid, grüne Umweltpolitik hab ich mir anders vorgestellt.

    • @elektrozwerg:

      Energetische Amortisation von Windenergieanlagen liegt bei 3 bis 7 Monaten und nicht 10 Jahren.

      www.umweltbundesam...rgie-an-land#strom

      "Windenergieanlagen haben sich bereits nach etwa drei bis sieben Monaten energetisch amortisiert. Das heißt, nach dieser Zeit hat die Anlage so viel Energie produziert wie für Herstellung, Betrieb und Entsorgung aufgewendet werden muss."

      • @Ingenieur für Energiesystemtechnik:

        Traue keiner Studie die Du nicht selbst gefälscht hast ;)

        Wir reden hier von 7 bis 10 tausend Tonnen Stahlbeton, je nach Grösse des Windrads - die nächste Generation hat Eifelturmgrösse. Turbine, Rotorblätter und Transport kommen noch dazu.

        Die entscheidene Frage ist was man als Vergleichswert bei der Einsparung von CO2 heranzieht.

        Nimmt man Atomkraft, dann holt das Windrad den CO2-Rucksack Jahrzemte später raus, weil Atomkraftwerke zur Laufzeit kein CO2 ausstossen un in der Herstellung pro MW und Laufzeit deutlich weniger CO2 ausstossen.

        Nimmt man Gas, dann ist man bei ca 10 bis 15 Jahren.

        Nimmt man Braunkohle, dann schaft mans unter 10 Jahren.

    • @elektrozwerg:

      Das ist alles nicht falsch, aber haben Sie einen besseren Vorschlag?

      • @Sonntagssegler:

        Ein Anfang wäre die Verpflichtung für Ausgleichswälder und ein Zwangsfonds für den späteren Rückbau vergleichbar zur Atomkraft.

    • @elektrozwerg:

      Energetische Amortisation von Windenergieanlagen liegt bei 3 bis 7 Monaten und nicht 10 Jahren. Das findet man zigfach in der wissenschaftlichen Literatur und für Sie auch gerne ein Zitat von offizieller Stelle hier:



      www.umweltbundesam...rgie-an-land#strom

      "Windenergieanlagen haben sich bereits nach etwa drei bis sieben Monaten energetisch amortisiert. Das heißt, nach dieser Zeit hat die Anlage so viel Energie produziert wie für Herstellung, Betrieb und Entsorgung aufgewendet werden muss."

    • @elektrozwerg:

      Schon nach kurzer Laufzeit hat ein Windrad die Energie, die für seine Produktion benötigt wurde, wieder „eingespielt“. Dieser Zeitraum wird als „energetische Amortisationszeit“ bezeichnet. Eine Windturbine an Land braucht zwischen drei und sieben Monaten für die energetische Amortisation.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Windenergieanlagen im Wald



    Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen das ausnahmslose Verbot von Windenergieanlagen in Waldgebieten



    Pressemitteilung Nr. 88/2022 vom 10. November 2022



    Beschluss vom 27. September 2022



    1 BvR 2661/21



    www.bundesverfassu...022/bvg22-088.html

    • @31841 (Profil gelöscht):

      Eigentlich sollte man nun erwarten das die Naturschutzverbände gegen die erfolgreiche Beschwerde beim Verfassungsgericht und dessen Begründung Sturm laufen - vom BUND erwarte ich auch aufgrund seiner familiärem verflechtungen auf Führungsebene mit der Agora und dem Wirtschaftsmonsterium allerdings gar nichts mehr wenn es um Protest gegen Naturzerstörung durch die industrielle "erneuerbare" Energiewende geht, vom NABU wird hier vermutlich auch nicht allzu viel kommen.

    • @31841 (Profil gelöscht):

      Danke für den link. Auch wenn ich aus ökologischen gründen generell gegen Windkraftanlagen im Wald bin, da der Wald und sein managment schon genügend andere existentielle Probleme hat, halte ich die grundsätzliche Begründung des Verfassungsgerichts für nachvollziehbar. Anders wäre es gewesen wenn Thüringen die waldumwandlung in andere Nutzungsformen aus Naturschutzgründen generell verboten hätte. Nun liegt es an den Forstbehörden im Einzelfall gegen jede Windkraftanlage im Wald zu entscheiden, beispielsweise mit der Begründung das ein Ausgleich durch Aufforstung ortsnah nicht möglich ist, oder aufgrurund des Artenschutzes. Leider wird ja Landschaftsschutz , die Schönheit der Landschaft fast nie in UVPs angemessen berücksichtigt.



      Die in ihren zwei anderen Kommentaren aufgeführten Zitate aus der Begründung der Verfassungsrichter sind zum augemrollen, schwer ertragbar und wissenschaftlich nicht haltbar.



      Was die Richter als faktisch ansehen ist schon weit im fake postfaktischen - alternativen zum Ausbau der Windkraft für die Reduktion des co2 Ausstoßes sind vorhanden, naheliegend sind beispielsweise massive Reduktion des Energieverbrauchs durch Verzicht und effizienzsteigerung. Auch Atomkraft ist technisch eine Möglichkeit, auch wenn ich dies aus ökologischen Gründen ablehne.



      Das massenweise absterben von Waldbeständen durch dürre und Kalamitaten als Argument für waldumwandlumg zu nehmen ist unfassbar, vielmehr hätte darauf hingewiesen werden sollen das Eigentum verpflichtet und somit der Eigentümer auch erheblichen aufwand betreiben muss damit die waldfunktionen mittel und langfristig erhalten bleiben. Da im wesentlichen standortsfremde Fichten Monokulturen vom absterben betroffen sind , können diese totholzbestände sogar als wichtiger Baustein für den Umbau zu naturnahen, die waldfunktionen sichernden, Waldbeständen angesehen werden.



      Die Argumentation der Richter macht die waldumwandlung für Straßen und Industrie Projekte in Zukunft noch leichter.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    >>Dagegen spreche auch, so die Richter:innen, „dass der Ausbau der Nutzung der Windkraft einen faktisch unverzichtbaren Beitrag zu der verfassungsrechtlich durch Art. 20a Grundgesetz und durch grundrechtliche Schutzpflichten gebotenen Begrenzung des Klimawandels leistet“.

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @31841 (Profil gelöscht):

      Mein Beitrag lautete weiter (war wieder nicht vollständig ...) :

      Hierzu wäre interessant zu erfahren, ob und ggf. wie das Gericht in die rechtliche Abwägung einbezogen und gewichtet hat, dass die Geschlossenhaltung von Wäldern, die durch WKA und damit einhergehender Erschließung etc. beeinträchtigt wird, den negativen Folgen der Klimaänderung auf die landschaftsökologischen Bedingungen (z.B. Wasserhaushalt) entgegenwirkt.

      • 3G
        31841 (Profil gelöscht)
        @31841 (Profil gelöscht):

        (das stand auch noch in meinem Beitrag von gestern ...):



        Das Gericht hat die Schutzbelange des Landschaftswasserhaushalts nicht in die Abwägung einbezogen.



        Auf eine mögliche Tür dafür weist es im letzten Absatz der Begründung (4 bb):



        >>§ 9 BWaldG statuiert eine Abwägungsregel, nach der spezifische forstrechtliche Interessen (Walderhalt und -ökologie, Forstwirtschaft), aber auch die Interessen der Waldeigentümer zu einem Ausgleich zu bringen sind. Die Regelung gibt ein inhaltlich deutlich umrissenes und differenziertes Abwägungsregime vor, an dessen Stelle die Länder nicht pauschale Umwandlungsverbote setzen dürfen.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    "Teilweise ist jedoch wegen Sturmschäden oder Schädlingsbefall eine forstwirtschaftliche Nutzung nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich."



    Das ist fachlich und rechtlich als Kriterium zur Bewertung der vorliegenden Frage nicht von Belang und sachlich nicht zutreffend. Forstwirtschaftliche Nutzung besteht so lange wie eine Fläche als Wald behandelt werden kann und nach dem Waldgesetz auch so behandelt werden muss. Bewirtschaftung beinhaltet einen zeitlichen, phasenweisen Wechsel der Bestandsstruktur. Abgeräumte Flächen sind Flächen zur Begründung neuer Bestände und damit Teil einer geregelten forstlichen Nutzung.

  • Mal abgesehen von den Interessen der Waldeigentümer: Hier stehen also die Verfechter der erneuerbaren Energien gegen die Vogelschützer, die aus bekannten Gründen ohnehin etwas gegen die Windräder haben. Vor allem im Wald, wo besonders viele Vögel ihre Nester haben.



    Wer also für erneuerbaren Energien und gleichzeitig für den Vogelschutz ist, hat zwei Herzen in der Brust. Das war auch bisher schon so, und nun erst recht.

    • @Pfanni:

      Das ist doch Käse; den meisten "Vogelschützern" (mit ausreichend biologischer Ignoranz beziehe ich die Fledermausschützer mit ein), geht es darum, bei der Auswahl der Standorte in ausreichendem Maße den Artenschutz mit einzubeziehen. Weiterhin wissen die "Vogelschützer", dass die Biodiversitätskrise genauso tödlich sein wird, wie die Klimakrise. Echte Biologen unter den Artenschützern arbeiten fieberhaft an Lösungen, die dann vermutlich wieder ignoriert werden, weil die Stimmung so aufgeheizt ist und weil die Windkraft - Investoren dagegen lobbyieren, weil sie Geld kosten.