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Synagoge bekommt neuen DavidsternDie Sternstunde von Görlitz

Gut 80 Jahre nach dem NS-Pogrom bekommt die Synagoge in Görlitz wieder einen Davidstern. Als nächstes soll auch die Thora-Rolle zurückkehren.

Ein 600 Kilogramm schwerer Davidstern hängt an einem Kran und wird auf der Synagoge angebracht Foto: Robert Michael/dpa

Berlin/Görlitz taz | Die letzte Hürde ist nur noch das Wetter. Ruhige Windverhältnisse vorausgesetzt, wird am Montag um 12 Uhr ein Kran den Davidstern, Symbol jüdischen Glaubens, wieder auf die Spitze der Görlitzer Synagoge hieven, wo er vor fast 84 Jahren herabstürzte. Obwohl die Inneneinrichtung der Synagoge in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 zum Teil vernichtet wurde, blieb das Gebäude selbst weitgehend unbeschadet. Den Brand hatten Feuerwehrleute gelöscht.

Doch am nächsten Morgen waren Unbekannte auf das Dach geklettert und hatten den Stern abgehackt. Er fiel auf die Straße und wurde unter dem Beifall von Umstehenden zertrümmert. Die Görlitzer Nachrichten frohlockten, „dass nun endlich der Davidstern verschwunden ist, der bisher als Fremdling das Stadtbild unserer aufragenden Türme störte“.

Nun ist er wieder da. Ein neuer, 600 Kilogramm schwerer Stern wird die Görlitzer Silhouette bereichern. Die Synagoge wurde bereits am 12. Juli 2021 nach aufwändiger Rekonstruktion, in die 12,6 Millionen Euro flossen, als Kulturforum wiedereröffnet. Was auffiel: Obwohl selbst Lichtschalter rekonstruiert wurden, war ein neuer Davidstern nicht vorgesehen.

Warum so geplant wurde, dazu gab es verschiedene Versionen. Weil die Erinnerung an die Schändung damit offengehalten werden sollte, lautete die eine. Weil es die Jüdische Gemeinde Dresden als Rechtsnachfolgerin der Görlitzer Gemeinde so empfohlen habe, da das Haus nicht mehr als Synagoge konzipiert sei, lautete eine andere. Wirklich schlüssig wirkte beides nicht.

Bürgermeister und Stadtrat einstimmig für den Davidstern

„Setzt den Davidstern wieder auf die Synagoge!“, forderte daher im Juli 2020 der Förderkreis Görlitzer Synagoge, der den Wiederaufbau begleitete. Der Appell führte im Rathaus zum Umdenken. Octavian Ursu, seit 2019 Oberbürgermeister mit CDU-Parteibuch, sprach sich, anders als einer seiner Vorgänger, vehement für den Stern aus.

Doch die Verhältnisse im Stadtrat waren kompliziert, da die AfD seit der Kommunalwahl 2019 mit 13 Sitzen die größte Fraktion stellt. Allerdings unterstützten auch die Görlitzer Rechtsaußen das Vorhaben demonstrativ und so sprach sich der Stadtrat im Februar 2021 einstimmig für Wiedererrichtung des Sterns aus. Das Vorhaben sollte mit Spenden finanziert werden.

Und die Spenden dafür kamen 2021 schneller zusammen als erwartet, denn inzwischen regt sich wieder jüdisches Leben in Görlitz. „Mitglieder und auch Freunde der Jüdischen Gemeinde“, so betont Alex Jacobowitz, überreichten der Stadt eine Spende von 70.000 Euro.

Jacobowitz, 1960 in New York geboren, ist Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, eines Vereins mit 28 Mitgliedern. Dazu kamen weitere 11.000 Euro, die in der Stadt und außerhalb eingeworben wurden. Das Rathaus beauftragte daraufhin einen Metallbauer aus dem Görlitzer Umland, einen Davidstern herzustellen.

Auch die Thora soll zurückkehren

Im August 2021 feierte Jacobowitz mit fast vierzig Gästen in der Synagoge den ersten Gottesdienst nach der Schändung. Am Montag dürfte ein weiterer Festakt hinzukommen. In seinem Aufruf 2020 hatte der Förderkreis betont, dass der Stern auch Ausdruck dafür wäre, dass jüdisches Leben willkommen sei. Zur offiziellen Feierstunde lädt das Rathaus am 9. November in die Synagoge ein.

Für Alex Jacobowitz ist damit der Wiederaufbau nicht vollendet. Im Dezember 2021 waren Fragmente einer Görlitzer Thora, die seit der Pogromnacht als verschollen galt, in der Stadt aufgetaucht. Inzwischen hat Jacobowitz bei einem sächsischen Trödler eine weitere Thora erworben. Seine Idee: In diese Rollen die Görlitzer Fragmente einzufügen, um die Synagoge wieder dauerhaft mit einer Thora auszustatten. Jüdisches Leben ist in Görlitz willkommen. Davon kündet von nun an der Stern.

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