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Frauenrechte in IranIhr Mut ist stärker als das Regime

Gilda Sahebi
Kommentar von Gilda Sahebi

Aus Wut über den Tod der Iranerin Mahsa Amini, die durch Polizeigewalt starb, ziehen Tausende auf die Straße. Mutige Frauen nehmen den Hidschab vom Kopf.

Die 22-jährige Amini starb nach ihrer brutalen Verhaftung, weil sie das Kopftuch nicht richtig trug Foto: Majid Asgaripour/WANA/reuters

S o deutlich wie selten sieht man sie: die Wut der iranischen Frauen. Man könnte es auch gerechten Zorn nennen, der die Frauen auf der Beerdigung von Mahsa Amini ihre Kopftücher abnehmen lässt. Sie schwenken sie in der Luft und rufen „Tod dem Diktator“. Wissend, dass sie dafür festgenommen, gefoltert und getötet werden können. Denn Frauen in Iran werden seit der Revolution im Jahr 1979 systematisch unterdrückt.

Die viel zitierte Kleiderordnung, der Zwang zum Tragen des Hidschab, ist nur das sichtbarste Symbol der brutalen Repression durch die Machthaber der Islamischen Republik. Ihr jüngstes Opfer ist die 22-jährige Mahsa Amini. Die berüchtigte Moralpolizei nahm sie in der vergangenen Woche mit dem Vorwurf fest, sie habe ihr Kopftuch nicht richtig getragen. Am Freitag starb sie. Bilder aus dem Krankenhaus zeigen sie mit schwersten Verletzungen, die nur durch äußerste Gewalt zu erklären sind.

Erst Anfang September gab es eine weitere erschütternde Nachricht: Zahra Sedighi-Hamadani und Elham Choubdar wurden zum Tode verurteilt: wegen „Verdorbenheit auf Erden“. Die beiden sollen sterben, weil sie zur LGBTQI-Community gehören und öffentlich über die Situation queerer Menschen in Iran gesprochen haben. Und damit Widerstand gegen das iranische Regime leisteten.

Die Geschichte des Widerstands der Frauen in Iran beginnt im März 1979. Kurz nachdem Ajatollah Khomeini die Macht übernommen und Frauen zum Tragen des Hidschab verpflichtete, gingen sie zu Zehntausenden auf die Straßen, Hand in Hand, ohne Kopftücher. Seitdem hat der Kampf der Iranerinnen nicht aufgehört. Die sozialen Medien sind voller Zeugnisse davon. Wie die Frauen öffentlich ihre Kopftücher abnehmen, wie sie singen und tanzen, frei sein wollen.

Denn all das ist ihnen verboten, zu bestrafen mit Peitschenhieben, Gefängnis, Tod. Und trotzdem tun sie es wieder, auf der Beerdigung von Mahsa Amini nehmen sie ihren Hidschab ab – mit erhobenem Kopf. Die Proteste zeigen im Übrigen: Es gibt auch iranische Männer, die solidarisch sind, die den Kampf der Frauen mitkämpfen.

Der Mut von Frauen in Iran ist nicht zu brechen. Genau das ist der Grund, warum die Machthaber gegenüber Frauen wie Mahsa Amini, Zahra Sedighi-Hamadani und Elham Choubdar ihre brutalsten Methoden anwenden. Denn sie wissen, dass die Frauen niemals aufgeben werden. Dass ihr Mut die Brutalität des Regimes bei Weitem überragt. Dass es am Ende die Frauen sein werden, die sie zu Fall bringen werden. Das fundamentalistische Regime hat Angst. Die Proteste bei Mahsa Aminis Beerdigung zeigen es: zu Recht.

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Gilda Sahebi
Ausgebildet als Ärztin und Politikwissenschaftlerin, dann den Weg in den Journalismus gefunden. Beschäftigt sich mit Rassismus, Antisemitismus, Medizin und Wissenschaft, Naher Osten.
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28 Kommentare

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  • Leider ist der Mut der iranischen Frauen bisher nicht stärker als das Regime. Denn das Regime hält sich nach wie vor an der Macht.

    Und was macht Deutschland? Davon hört man zurzeit nicht viel. Immerhin hat der Bundespräsident offenbar damit aufgehört, dem Iran zu den Jahrestagen seiner Revolution 1979 zu gratulieren. Aber der Staatsvertrag der Freien und Hansestadt Hamburg mit der Schura, mit dem auch der Außenposten des Iran, das Islamische Zentrum Hamburg, staatlich gepampert wird (s. z. B. hier: taz.de/Hamburg-und...taatsvertrag+iran/ ), besteht nach wie vor. Er wird gerade "evaluiert" (www.mena-watch.com...-werden-evaluiert/ ). Was dabei wohl herauskommen wird? Die bisherigen Erfahrungen lassen befürchten, dass die Kumpanei fortgesetzt wird, denn die im Artikel beschriebene brutale Repression gab es ja auch schon, als der Staatsvertrag abgeschlossen wurde.

  • 0G
    06455 (Profil gelöscht)

    Es wäre an der Zeit die staatlichen Privilegien und Zuschüsse für jegliche Religionsgemeinschaft zu kappen.



    Auch die Frauen, die den " Stellvertreter Gottes" in seinem Palast besuchen, müssen sich die Haare bedecken.



    Die Frauen der heutigen Zeit, vor allem die Politikerinnen, tun das freiwillig. (Würg)

    • @06455 (Profil gelöscht):

      Ja, das ist übel; aber es würde den Frauen nicht das Leben kosten, sich nicht zu bedecken. Und sie könnten auch einfach dem Stellvertreter fern bleiben. Ein Riesenunterschied.

  • Mal wieder sehr einseitige und "postkolonale" Betrachtung traditioneller Kopfbedeckungen. Dabei ging es im Iran um viel mehr.

  • Gibt's schon einen Kommentar von Frau Neumann?

    Angemessen wäre ja so etwas wie "Ich schäme mich für meine anmaßenden Worte".

    • @Suryo:

      Das war auch mein Gedanke.

      Ich denke, man wartet ab, bis sich die in diesen Fällen üblicherweise nicht allzu hohen Wellen wieder geglättet haben.

    • @Suryo:

      Warum sollte Julia Neumann?- Wo sie doch recht hat, hat sie recht:



      "In Wirklichkeit hatte das französische Militär Frauen während des Algerienkriegs eingesperrt, missbraucht und gefoltert. Einige Frauen gehörten der Befreiungsfront FLN an, versteckten Nachrichten oder Waffen unter ihren Gewändern. Deshalb versuchte die Kolonialmacht, sie zu `enthüllen`."

      • @Lästige Latte:

        Wie zynisch sind Sie eigentlich?

        Julia Neumann zufolge ist am Tod von Mahsa Amini letztlich der Westen schuld, denn der habe ihr ja sozusagen Flausen in den Kopf gesetzt. Die Orientalin an sich könne ja gar nicht auf die Idee kommen, die Pflicht zur Verhüllung als Verletzung von Freiheitsrechten zu sehen.

  • Eine religiöse Männer Clique hat Angst um ihre "Gott gegebenen" Privilegien und verteidigt diese indem sie Frauen drangsaliert. Und die willfährigen Schergen der Sittenpolizei als bezahlte Vollstrecker. Schlimm!

  • Der Aufschrei ist hier auch größer, weil die junge Frau eine iranische Kurdin war und die Kurden jetzt generell nicht so die Freunde der Zentralregierung sind.



    Die Proteste in Teheran halten sich doch in Grenzen. Was ärgerlich macht, dass vom Regime bezahlte/abhängige Iraner im Ausland ihre diktatorische Regierung im Ausland für sowas feiern dürfen ohne das jemand einschreitet.



    Ansonsten würde man das Regime am ehesten schwächen, wenn man die Geldströme ins Ausland unterbinden und das dort gebunkerte Geld einkassiert. Noch immer schicken Angehörige der militärischen und religiösen Führung Kinder, Verwandte und Strohleute ins Ausland, gern auch nach Kanada und sogar USA, die dort mit großen Summen als Investoren auftauchen und Firmen und Immobilien erwerben. Das interessiert dort scheinbar niemanden, das macht auf regimekritische Iraner natürlich auch immer den Eindruck, dass das Regime und seine Anhänger mit allem durchkommen und der "Wertewesten" ohnehin nur den Wert des Geldes kennt.

  • Tod dem Diktator, ist schon eine arge Herausforderung, darauf kann man eigentlich nur mit Gewalt antworten. Wie wäre es mit Wir haben keinen Bock auf euch, und Lernt endlich denken. Viel Glück und rege Unterstützung im Auftrag, wir werden den Iran modernisieren. Als Mutfaktor hilft, sie werden nicht die einzigen sein.

    • @Picard:

      Naja, das fällt halt unter „Grober Keil auf groben Klotz“

  • Die Mullahs helfen Putin, weil Putin auch mit Zwang versucht, die Bürger der Ukrainer zu unterwerfen. Das ist dieselbe Ideologie.

    Die iranischen Frauen sollten auch die Ukrainer unterstützen, wenn das iranische Regime Putin hilft.

    Gemeinsam können sich beide Völker stärker wehren.

    Putin und die Mullahs fürchten den Freiheitskampf. Die ukrainischen Farben gelb und blau stehen für einen wahrhaften Freiheitskampf.

    Blau und Gelb auf den Straßen im Iran und die Mullahs wissen, was die Bürger wollen.

    • @Christian Kiesl:

      Kleiner Unterschied, im Iran sind die Menschen gegen ihre diktatorische Regierung, die das Land ziemlich unter Kontrolle hat, in der Ukraine verteidigen die auf eigenem Grund ihr Land und ihre Freiheit gegen einen Aggressor.



      Dass das Loswerden von Diktatoren im eigenen Land nicht so einfach ist und manchmal überhaupt nicht klappt, sollten wir ja seit 1945 wissen.

  • Die Ukrainer und diese iranischen Frauen sind Kämpfer für die Freiheit.

    Das sich Putin mit den Mullahs zusammentut, zeigt, das beide mit Zwang ihre Ziele erreichen wollen.

    Die iranische Bevölkerung wartet nur auf eine günstige Gelegenheit, um die Mullahs loszuwerden, glaube ich.

    Darum könnte die Einmischung der Mullahs in der Ukraine zur einer Bewegung im Iran führen, die das Regime stürzt.

  • Die Iraner und die Ukrainer sollten sich verbünden. Besonders jetzt, wo die Mullahs Putin unterstützen.

    Denn die Mullahs und Putin sind Anhänger der Zwangsheirat, denn beide Seiten sind der Ansicht, das andere keine Rechte haben sollen.

  • Meinen größten Respekt für diese Frauen - und ihre Mitstreiter!

    • @Anidni :

      Ich schließe mich an.

  • RESPEKT und Hochachtung vor diesem Mut.

  • Man fragt sich, was für ein Problem hat dieses Regime oder ähnliche, mit Frauen?

    Fehlt die Einsicht, dass das Wesen des Menschen, seine Essenz, sein Sein, jenseits von männlich und weiblich ist? Jenseits von Hautfarben, arm oder reich, dieser oder jener Nation, alt oder jung? Jenseits jeglicher Ideologien oder Religionen? Unsterblich ist?

    Worin besteht die Angst dieser Männer vor Frauen? Die Angst der meisten Männer? Nun, wir könnten hier ein wenig in die Tiefenpsychologie schauen, vermutlich würde dann mein Kommentar jedoch nicht erscheinen.

    Diese Frauen im Iran bewundere ich. Was für ein Mut, welche Liebe zur Freiheit! Erinnert sei hier auch an die mit dem Alternativen Menschenrechtspreis ausgezeichnete iranische Anwältin Nasrin Sotoudeh, die zu 38 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt wurde, weil sie zwei Frauen verteidigt hatte, die gegen die Kopftuchpflicht verstoßen hatten.



    www.emma.de/artike...nrechtlerin-336627

    Doch welche Chance haben Frauen überhaupt in solchen Ländern?

    Sure vier, Vers 34: „Die Männer stehen über den Frauen, weil Gott sie ausgezeichnet hat.“ Oder Sure zwei, Vers 228: „Die Männer stehen eine Stufe über ihnen. Gott ist mächtig und weise.“ Oder Sure zwei, Vers 223: „Eure Frauen sind euch ein Saatfeld. Geht zu eurem Saatfeld, wo immer ihr wollt . . . “ usw.

    Diese Sätze, jeder Buchstabe, gelten als heilig und unveränderbar und damit die Gesellschaften, die sie betreffen.

    Alles , alles Gute an die Frauen in diesen Ländern, auch wenn die Situation gloal immer restriktiver wird.

    www.faz.net/aktuel...bild-14007010.html

    Danke für den Artikel, Frau Sahabi.

  • Was sagt eigentlich die taz-Kolumnistin Julia Neumann dazu?

    • @Ignaz Wrobel:

      Das haben ja alle der großen Religionen so an sich. Im Vatikan hält man ja jetzt auch nicht so viel von gleichen Rechten für Frauen.



      Das Problem sind halt Staaten mit einer Staatsreligion, da können dann die Traditionalisten ihren rückwärtsgewandten Anschichten freien Lauf lassen.



      Interessant ist ja auch, dass es im Iran gläubige Frauen gibt, die Religion als Privatsache ansehen und kein Problem haben wenn andere nicht so leben und der Meinung sind, dass es den Staat nicht angeht, wie man rumläuft.



      Davon mal ab sollten wir den Artikel 136 aus der Weimarer Verfassung wieder einführen, wo in Absatz 4 steht:



      (4) Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden.



      Da müssten sich dann die großen Religionen mal zu äußern, die im Kleingedruckten immer mal gerne mit Hölle, ewiger Verdammnis und anderem erfunden Hokuspokus drohen um zwang auf ihre Mitglieder auszuüben.

      • @Axel Schäfer:

        Artikel 136 der Weimarer Verfassung ist gemäß Artikel 140 Grundgesetz Bestandteil des Grundgesetzes ( www.gesetze-im-int...de/gg/art_140.html ). Den Artikel muss man nicht erst einführen, man muss ihn anwenden.

  • Und in Deutschland gibt es Frauen, die Kopftuchtragen als persönliche und freie Entscheidung bewerben.



    Viel Erfolg den iranischen Frauen!

  • Zur historischen Wahrheit gehört leider, dass während der Umsturzphase in Teheran etwa eine Million Frauen gegen das Schahregime demonstrierten -im Tschador. Freiwillig. Im Westen nahm daran kaum jemand Anstoß. Der traditionelle Umhang wurde vom "Zelt", das den Körper der Frauen zu verdecken hatte und den im vorrevolutionären Iran nur eine Minderheit trug, zum Symbol von Selbstbestimmung und Emanzipation umgedeutet.



    Wie schrecklich sich doch beide Seiten geirrt haben, mit den schlimmsten Folgen für die Frauen des Iran!



    Die westliche Linke verlor bald das Interesse an dem Land und wandte ihre revolutionäre Aufmerksamkeit anderen internationalen Befreiungsbestrebungen zu, allen voran der Sandinistischen Revolution in Nicaragua. Eine der wenigen Ausnahmen waren radikale Feministinnen, die schon damals in der "freiwilligen" Vermummung von Frauen nur Unterdrückung erkennen wollten. Und die bis heute von vielen Seiten der Islamfeindlichkeit, des Kulturimperialismus und ähnlichem Kokolores bezichtigt werden.

    • @Phandersaa:

      Ich erinnere mich daran, dass das Tragen des Tschador von in den Städten lebenden und gut gebildeten Frauen aus Solidarität mit der Landbevölkerung - wo das noch eher verbreitet war - propagiert wurde. Als Stadtmensch wollte man nicht arrogant und abgrenzend und zu westlich erscheinen und alle in die Revolution mit einbeziehen. Allerdings gab es auch viele mahnende Stimmen - die jedoch nicht ernst genommen wurden. Die Revolution erschien wichtiger als Frauenrechte. Den Mullahs kam das natürlich zupass. Dabei sollte der Weg doch dem Ziel entsprechen. Ihrer Kritik an den üblen Bezichtigungen von Feministinnen kann ich nur zustimmen.

  • Meine Bewunderung für die Damen! Meine Verachtung den theokratischen Barbaren!