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Russisches Uran unterwegs nach LingenStrahlende Fracht

Ein Schiff mit angereichertem Uran aus Russland ist unterwegs nach Niedersachsen. Atomgegner warnen: Mit Kernkraft bleibe die Abhängigkeit von Putin.

Das Werk von Framatome in Lingen – hier darf auch nach dem Atomausstieg weiter produziert werden Foto: Friso Gentsch/dpa

Göttingen taz | Umweltorganisationen aus Deutschland, den Niederlanden und Russland schlagen Alarm und fordern den Stopp der Fuhre: Ein Transport mit angereichertem Uranhexafluorid (UF6) aus Russland ist auf dem Weg zur Brennelementfabrik im niedersächsischen Lingen. Donnerstagfrüh befand sich das am Montagabend in St. Petersburg gestartete Schiff „Mikhail Dudin“ mit der Fracht auf der Ostsee südlich von Schweden.

Ziel ist nach Angaben der Atom­kraft­geg­ne­r:in­nen Rotterdam, die Ankunft wird am Sonntag erwartet. Dort soll das Uran umgeschlagen und am nächsten Tag von einer niederländischen Spedition weiter nach Lingen gebracht werden. Die Kleinstadt ist Standort der einzigen deutschen Brennelementefabrik. Sie ist vom Atomausstieg ausgenommen und beliefert Atomkraftwerke in mehreren europäischen Ländern mit „frischen“ Brennstäben. Betrieben wird die Fabrik von Advanced Nuclear Fuels (ANF), einer Tochter des französischen Atomkonzerns Framatome.

Das für Transportgenehmigungen nuklearer Frachten zuständige Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) wollte „aus Sicherheitsgründen“ den laufenden Transport nicht bestätigen. Die Behörde hat im April 2021 jedoch insgesamt 35 Transporte von UF6 aus Russland nach Lingen genehmigt, der erste erfolgte im Juli des vergangenen Jahres.

Antragsteller und Absender dieser Frachten ist demnach das russische Unternehmen JSC Tenex Techsnabexport, das zu 100 Prozent dem staatlichen Atomkonzern Rosatom gehört. Die Genehmigung für die 35 Fuhren ist bis Ende dieses Jahres gültig. Weitere 32 Transporte mit Uran-Pellets nach Lingen erlaubte das BASE der russischen Aktiengesellschaft PJSC, davon erfolgten bislang vier Transporte.

„Unsere Bundesregierung arbeitet angeblich an der Energie-Unabhängigkeit von Russland und predigt harte Sanktionen“, sagt Alexander Vent vom Bündnis Atom­kraft­geg­ne­r:in­nen im Emsland. „Es passiert aber genau das Gegenteil: In Russland angereichertes Uran wird nach Deutschland gebracht und spült Putins Staatskonzern Rosatom weiter Geld in die Kriegskasse.“

Forderungen an Umweltministerin

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) müsse die Genehmigung für den laufenden Transport widerrufen und die Rückfahrt des Schiffes in die Wege leiten, verlangt Vent. Das Ministerium erklärte der taz, es sehe zwar „solche Transporte wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sehr kritisch“. Es bestehe aber keine Pflicht, das Ministerium über solche Transporte zu informieren. „Wir sind hierzu im Austausch mit dem Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung“, sagte ein Ministeriumssprecher. Die Entscheidung über den Bezug von Uran aus Russland liege ausschließlich bei der Betreiberin der Fabrik: „Wir weisen darauf hin, dass Russland kein Monopol für Uranlieferungen besitzt. Der Bezug ist auch aus anderen Ländern möglich.“

Aus Sicht von Dirk Bannink vom niederländischen Atom-Dokumentations- und Recherchezentrum Laka zeigt der aktuelle Transport deutlich, dass ein Festhalten an Atomkraft nur eine weitere Form der Abhängigkeit von Russland darstellt: „Nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine wurde der Kernenergiesektor auf Druck der Atomlobby von den internationalen Sanktionen ausgenommen, da Russland eine wichtige Rolle in der internationalen Kernenergiekette spielt.“

Wie Vladimir Sliviak von der russischen Umweltorganisation Ecodefense berichtet, betreibt Rosatom weltweit Uranminen, unter anderem in Kanada und Namibia. Der Konzern sei in alle Verarbeitungsschritten – etwa der Konversion und Anreicherung von Uran – von ungefähr einem Viertel des EU-Bedarfes eingebunden. Auch am Krieg gegen die Ukraine sei Rosatom mit der Besetzung von Atomkraftwerken beteiligt.

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6 Kommentare

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  • ...kann mal jemand Frau Lemke aus dem Schlaf holen ? Es gibt Fragen zu AKW Laufzeiten Es gibt Fragen zu Uranlieferungen, es gibt Fragen zur Umsetzung des Klimastops - wo ist unsere Umweltministerin ???

  • Es ist doch nicht alles schlecht bei der Beziehung zu Russland. Mich wundert, dass die überhaupt noch liefern.

    • @Der Cleo Patra:

      ...ist echt klasse, die Entscheidung über die Uranlieferungen liegen, wie im Text zu lesen, bei der Betreiberfirma - wo leben wir hier eigentlich ...

    • @Der Cleo Patra:

      Lieferverträge in der Nuklearbranche werden - wie fast alles dort - mit außerordentlich langer Vorlaufzeit abgeschlossen.

      Keine Form der Energiegewinnung ist über jeden Prozessschritt so schwerfällig wie die aus Kernspaltung.

      Und das ist der Elefant im Raum, den die Atomjunkies sich wie spinnerte Kleinkinder zu akzeptieren weigern: sie sagen "AKWs retten uns in der Klimakatastrophe" - aber das setzt implizit voraus, dass es gar keine Klimakatastrophe gibt. Es ist also ein Scheinargument.



      Denn die Geschwindigkeit der Klimaveränderung macht Bau und Betrieb von AKWs zu einem unkalkulierbaren Risiko; wenn nicht medizinisch, dann auf jeden Fall betriebswirtschaftlich. Gebe ich zB heute ein AKW in Auftrag, dann habe ich keine Ahnung, keine belastbaren Daten, ob an dem Ort noch genug Kühlwasser zum Vollastbetrieb verfügbar sein wird, wenn es fertig ist.

      Nuklearenergie ist für die Verhältnisse des 21. Jahrhunderts völlig unbrauchbar. Die einzige Energieerzeugung, die in der Zukunft noch haltbar ist, ist kleinteilig, dezentral, autark, resilient, und geht Hand in Hand mit Energiefrugalität. Nuklearenergie ist nichts von alledem - es ist die radikalste Form der "Schönwetterenergie". An wenigen Orten in einigen Staaten haben AKWs vielleicht eine Zukunft; als Zukunftsenergieerzeuger von globaler Relevanz sind sie ein Fisch auf dem Trockenen, egal ob die Nukularfetischisten das wahrhaben wollen oder nicht.

      Indien ist ein besonders erschreckendes Beispiel: Modi treibt den Ausbau der Atomenergie massiv voran - nicht zuletzt, weil das sogar in den Schulen gelehrte Dogma der Hindutva-Extremisten ist, dass bereits das eisenzeitliche Indien schon AKWs und Raketentechnologie hatte.



      Eine Katastrophe ist vorprogrammiert, denn statt Qualitätskontrolle setzt man in Modis Alptraumstaat auf "vara" (göttliches Geschenk oder Segen), das mit Massenmeditation, Verbrennen großer Mengen Kuhfladen mit Butterschmalz und Reis, oder ähnlichen Ritualen erreicht wird.

  • taz: „Unsere Bundesregierung arbeitet angeblich an der Energie-Unabhängigkeit von Russland und predigt harte Sanktionen“, sagt Alexander Vent vom Bündnis Atom­kraft­geg­ne­r:in­nen im Emsland. „Es passiert aber genau das Gegenteil: In Russland angereichertes Uran wird nach Deutschland gebracht und spült Putins Staatskonzern Rosatom weiter Geld in die Kriegskasse.“

    Das ist wirklich eine Farce. Aber daran kann man gut sehen wie Weltpolitik und Weltwirtschaft funktioniert. Die 'kleinen Leute' bekämpfen sich in einem für sie sinnlosen Krieg (oder arbeiten sich z.B. in den Uranminen von Namibia "tot") und die 'großen Leute' sitzen am Schreibtisch, machen "Politik" und verdienen sich am Leid und natürlich auch an den schlecht entlohnten 'kleinen Leute' dumm und dusselig. So war es aber immer schon. Wer das nicht glaubt, der muss nur einmal ein Geschichtsbuch aufschlagen.

    taz: „Nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine wurde der Kernenergiesektor auf Druck der Atomlobby von den internationalen Sanktionen ausgenommen, da Russland eine wichtige Rolle in der internationalen Kernenergiekette spielt.“

    Mit der "Kernenergiekette" kann man schließlich weiterhin klimaschädliches Wirtschaftswachstum erzeugen - und das Wachstum soll doch letztendlich immer so weitergehen, jedenfalls wenn es nach den 'großen Leuten' geht. Wie gesagt, so funktioniert Weltpolitik und Weltwirtschaft. Das ist alles ein Schachspiel, und die kleinen "Bauern" auf dem Schachbrett bleiben auch weiterhin in diesem Wirtschaftssystem die kleinen "Bauern", die man auch schon mal opfern kann, wenn es dem "König" hilft.

    • @Ricky-13:

      Wir brauchen kein Uran mehr. Weder aus Russland noch sonstwo her.