Was nach dem 9-Euro-Ticket-Aus nötig ist: Zurück zur Realpolitik
Nach dem 9-Euro-Ticket braucht die Förderung der Verkehrswende ein vernünftiges Konzept. Viel Potenzial lauert im ruhenden Autoverkehr.
E s ist politisch ja immer heikel, einmal gewährte Wohltaten wieder zurückzunehmen. Das spürt auch die Bundesregierung nach dem Ende des 9-Euro-Tickets in dieser Woche. Aus vielen Ecken kommt die Forderung nach einer wie auch immer gearteten Fortsetzung. Vereinzelte Aktivisten verklären das Schwarzfahren gar schon zum politischen Akt.
In dieser Situation sollte die Bundesregierung vor allem eines nicht tun: sich unter Zeitdruck setzen lassen. Denn eine vernünftige Lösung braucht Zeit. Die Anforderungen sind schließlich nicht trivial, wenn es gilt, ein Preismodell zu finden, das auch auf Dauer funktioniert.
Eines, das erstens attraktiv ist für Bahnkunden und solche, die es werden wollen, das zweitens langfristig solide durchfinanziert ist und das drittens die Infrastruktur der Bahn nicht – wie zuletzt – überfordert. Die erbärmliche Unpünktlichkeit der Bahn in den letzten drei Monaten (es waren die schlechtesten Werte seit 2010, als Schneemassen und Eisregen den Schienenverkehr lahmlegten) sind eines Landes, das sich gerne seiner technischen Präzision und seines funktionierenden Gemeinwesens rühmt, schlicht unwürdig.
Nicht nur die Bundesregierung steht in der Pflicht
Kommen wir zu Finanzierung, denn für ein besseres Angebot braucht die Bahn mehr Geld. Dieses sollte der Staat aber nicht auf Pump beschaffen, er sollte es durch Steuern einnehmen. Das charmante daran: Nimmt man zur Finanzierung des Nahverkehrs das Auto in die Pflicht, hilft das der Verkehrswende gleich doppelt. Um es konkret zu machen: Eine gute Möglichkeit wäre die Abschaffung des Steuerprivilegs für Dienstwagen.
Aber nicht nur die Bundesregierung steht in der Pflicht. Auch die Städte sind gefordert, denn auch sie haben Optionen. Speziell der ruhende Autoverkehr bietet sich als Finanzierungsquelle für den Nahverkehr an. Freiburg zum Beispiel hat die Preise für Anwohnerparkplätze gerade deutlich erhöht. Bislang konnten Fahrzeughalter ihr Auto für nur 30 Euro ein ganzes Jahr lang im öffentlichen Straßenraum abstellen – ein lächerlicher Obolus angesichts der Preise von Grund und Boden in Innenstädten. Seit April werden nun je nach Fahrzeuglänge bis zu 480 Euro im Jahr fällig – das wurde zwischenzeitlich auch vom Verwaltungsgerichtshof abgesegnet.
Es sind diese Fragen der Finanzierung, die nun – parallel zur Debatte über eine neue Tarifstruktur im Nahverkehr – geführt werden müssen. Kurz gesagt: Es ist an der Zeit, zur Realpolitik zurückzukehren.
Denn allein der romantisierende Blick auf die letzten drei Bahn-Monate und der Traum, die Billigzeit werde ewig währen, bringen die umweltfreundliche Mobilität keinen Deut voran.
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