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Kritik an Kretschmer und SPD-LinkenUnerwünschter Vorstoß

Der sächsische CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer und SPD-Linke wollen Verhandlungen mit Russland. Sie stoßen auf Widerspruch.

Soll laut Melnyk nicht in die Ukraine reisen: Michael Kretschmer (CDU) Foto: Robert Michael/dpa

Berlin taz | „Sie sind UNERWÜNSCHT. Punkt“. Dies twitterte am Sonntag der scheidende ukrainische Botschafter Andrij Melnyk. Gemeint ist der sächsische CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer und seine geplante Reise nach Kiew. „Mit Ihrer absurden Rhetorik über das Einfrieren des Krieges spielen Sie in Putins Hände und befeuern Russlands Aggression“, so Melnyk. Die Einladung an Kretschmer, die Ukraine zu besuchen, sei „annulliert“. Die wie bei Melnyk oft drastisch und undiplomatisch formulierte Ausladung bezieht sich auf Kretschmers schon länger bekannte Position zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine.

Kretschmer fordert einen vom Westen vermittelten Waffenstillstand. In der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ vom Mittwoch sagte er, es sei wichtig, dafür „einzutreten, dass dieser Krieg eingefroren werden muss, dass wir einen Waffenstillstand brauchen, dass wir Verhandlungen brauchen, um diesen Krieg zu beenden“. Diese Position komme in der öffentlichen Debatte aber zu wenig vor. Kretschmer ist mit dieser Haltung in der Bundes-CDU isoliert. In der CDU-Sachsen ist Kretschmers Forderung, auf Moskau zuzugehen, umstritten.

Auch in der SPD gibt es eine Debatte um den Krieg und die deutsche Rolle. Eine Gruppe von eher linken SPD-Politikern fordert, ähnlich wie Kretschmer, eine diplomatische Offensive für ein rasches Ende des Krieges in der Ukraine. „Wir brauchen einen schnellstmöglichen Waffenstillstand als Ausgangspunkt für umfassende Friedensverhandlungen“, heißt es in dem Aufruf mit dem Titel „Die Waffen müssen schweigen!“ zum Antikriegstag am 1. September. Zu den Unterzeichnern zählen fünf Bundestagsabgeordnete, mehrere Landtags- und Europaabgeordnete, Bremens früherer Bürgermeister Carsten Sieling und Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal und der Historiker Peter Brandt.

Wie Kretschmer verurteilen die SPD-GenossInnen Putins Angriffskrieg. Sie sind skeptisch gegenüber der Aufrüstung der Nato. Die gebe „ein Vielfaches für Rüstung im Vergleich zu Russland aus“, heißt es. „Eine ausschließlich auf militärische Konfrontation, Aufrüstung und Abschreckung setzende Politik ist keine belastbare Grundlage für Stabilität.“ Stattdessen solle es einen neuen Anlauf „einer globalen Entspannungspolitik“ geben.

Parteiübergreifend stieß der Vorstoß auf Kritik – auch in der SPD. „Wer den Frieden will, der muss die Ukraine jetzt politisch und militärisch so unterstützen, dass Russland an den Verhandlungstisch gezwungen wird“, erklärte der SPD-Außenpolitiker Michael Roth. Auch die Jusos gingen auf Distanz. „Kiew entscheidet, wann sie mit Russland verhandeln wollen“, erklärte die SPD-Nachwuchsorganisation auf Twitter.

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28 Kommentare

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  • VON SUTTNER, KOLLWITZ UND AUCH BRECHT TRATEN EIN FÜR'S MENSCHENRECHT



    //



    Kalender poppt auf: "Remember!",



    Heute wichtiger Termin,



    Aber nicht nur in Berlin,



    Es ist "FIRST DAY OF SEPTEMBER".



    /



    Es begann im Morgengrauen,



    Unter der Soldaten Johlen,



    Schlagbäume in Richtung Polen



    Einfach wurden weggehauen.



    /



    Deutsche Truppen überfielen,



    Später nach dem schnellen Sieg



    Nannten sie es noch 'Blitzkrieg',



    Polen auf dem Weg zu Zielen:



    /



    Weltherrschaft und Genozide,



    Holocaust und Massenmord,



    Fast an jedem fremden Ort,



    Höchst brutal und auch perfide.



    /



    Generationen später,



    Aufgeklärt und informiert,



    Was ab diesem Tag passiert,



    Ist das Erbe der Großväter.



    /



    Meiner war mitnichten Sieger,



    Tödlich endete die "Reise",



    Alle Kinder wurden Waise,



    Seitdem liegt sein Grab bei Riga.



    /



    Dieses aber bleibt mein Schwur:



    Stets für Frieden einzustehn,



    Niemand auf den Leim zu gehn,



    Kriegsvermeidung als Kultur.



    //



    1. September 2022, Antikriegstag,



    Martin Rees IPPNW Dortmund.

  • "Eine ausschließlich auf militärische Konfrontation, Aufrüstung und Abschreckung setzende Politik ist keine belastbare Grundlage für Stabilität"

    Und ehm - nur mal so gefragt - Es ist NICHT Herr Putin, der Adressat dieser Erklärung ist? Nicht mal AUCH Herr Putin? Erinnert irgendwie doch sehr stark an die offiziellen Verlautbarungen der DDR im Vorfeld des NATO-Doppelbeschlusses

  • Wer sich die jüngste Ansprache Selenskijs zum Unabhängigkeitstag der Ukraine angehört hat, wird festgestellt haben, dass sich die Rhetorik des Präsidenten ein wenig gewandelt hat, statt der Verteidigung europäischer Werte auch am Dnepr, war nun die Rede davon „Russland auf die Fresse zu hauen“. Die für Anfang August angekündigte Gegenoffensive im Süden scheint verschoben worden zu sein, die 1 Million-Mann-Armee steht immer noch nicht, gleichzeitig wird die Rückeroberung der Krim, inklusive seiner nicht gerade Pro-Europäisch eingestellten Bevölkerung, als Kriegsziel genannt. Vor den Plänen, wie diese meist russischsprachigen Menschen dann wieder in eine „endrussifizierte“ Ukraine integriert werden sollen, gruselt es mir ein wenig. Aber vor diesem Hintergrund stellt selbst der eher harmlose Auftritt Kretschmers in Lanz beliebten 4 vs. 1 Format ein Problem dar. Botschafter Melnyks Reaktion ist da wenig überraschend. Denn die Ukraine ist finanziell, militärisch und politisch abhängig vom Westen ohne dessen Unterstützung wird das nichts mit den von Selenskij verkündeten Kriegszielen, da kann dann auch nicht das Gerede eines unbedeutenden sächsischen Defätisten ignoriert werden.

  • ... wenn das der Stil sein sollte, in dem die Ukraine in den letzten 8 Jahren mit Russland " diplomatisch " verhandelt hat , wundert mich eigentlich fast nichts mehr ...

    • @Alex_der_Wunderer:

      Immer wieder interessant, dass sich so viele über Melnyk aufregen, aber niemand über die Verlautbarungen des russischen Außenministeriums, bzw. seiner Sprecherin, der Hasspredigerin Maria Sacharowa, oder der inoffiziellen Propagandaministerin Margarita Simonyan. Aus Russland kommen seit Jahren nur Hetze, Häme und Aggression, aber klar, die Ukraine ist natürlich schuld an der „Eskalation“.

      • @Suryo:

        ... na dann wird es doch mal Zeit das die beiden Damen mal etwas mehr Medienpresents bekommen...

        • @Alex_der_Wunderer:

          Anders als zB in Grossbritannien scheinen deutsche Medien im Hinblick auf die Verlautbarungen allerhöchster Regierungsvertreter Russlands merkwürdig blind und taub. Als Simonyan mit geradezu erregtem Grinsen sagte, die Hungersnot sei das beste, was Russland passieren könne, “weil dann alle einsehen müssen, dass sie unsere Freunde sein müssen”, war das hierzulande nur eine Randnotiz. Genauso wie die wöchentlichen irrsinnigen Drohungen Solowjews mit einem Atomangriff. Man regt sich hier über Melnyk und Stilfragen auf, die maßlosen und hetzerischen, hasserfüllten Bemerkungen der russischen Regierung - oder auch nur die ebenso Tweets der russischen Botschaft - sind hier kaum Thema.

          • @Suryo:

            Sorry , um welche Hungersnot geht es da ?



            Atomangriff - würde ich jetzt nicht so befürchten , da die Ukraine ja schon lange Beistandsverträge mit China diesbezüglich geschlossen hat.

            • @Alex_der_Wunderer:

              Tun Sie doch nicht so unwissend. Bzw andersrum: wenn Sie das nicht wissen, warum kommentieren Sie dann?

  • ... seit wann sind denn Botschafter wie Melnyk autorisiert , Einladungen eigenmächtig auszusetzen ? Grundsätzlich ist sein auffällig schlechter , undiplomatischer Stil in einem Gastgeberland wie Deutschland unangenehm und unangemessen! Ist es das , was die Ukrainer schlechthin unter Demokratie verstehen ?

  • News-Rossijskaja gaseta:



    -Putin gibt Donbass zurück und bekommt im Gegenzug Sachsen!-



    Zugegeben etwas flache Argumentation aber nach Lanz war ich schön in Fahrt. Eine gewisse Fassungslosigkeit machte sich breit.



    - Die beleidigte Leberwurst- und- „Sie sind UNERWÜNSCHT. Punkt“- Die Heuchelei ist zum Kotzen-(M.Schwesig)



    sind Formulierungen von Andrij Melnyk, die ich mittragen kann.



    In Kriegszeiten(für die Ukraine) finde ich das durchbrechen von den ewig, gleichen Phrasen der Diplomatie verhältnismäßig.



    Der" Vorläufer" von Herrn Kretschmer bei Lanz war Reiner Haseloff, das war ja fast noch einen Zacken schärfer. R.H. hat immer schon Putin und seine Ziele glasklar erkannt. Seine MP-Handlungen haben das" ausdrücklich" unterstützt.



    Es wäre Zeit für ein Gas und Energietribunal. Die neue Messe in Leipzig bietet sich flächenmäßig an!

    • @Ringelnatz1:

      ...hat Deutschlad Verträge mit der Ukraine , die nur Ihnen bekannt sind ?

  • Nur mal angenommen:

    - Russland hätte Sachsen und Teile von Thüringen besetzt...würde dort Vergewaltigen, Menschen hinrichten und jeden dem das nicht gefällt Terrorisieren, Deportieren oder Foltern...

    - und dann gäbs da so einen Politiker in einem benachbarten Land, der nun meinte, mann solle Deutschland jetzt nicht weiter unterstützen in seinem selbst gewählten Verteidigungskampf gegen den Aggressor..stattdessen solle Deutschland doch lieber aufgeben und darüber verhandeln, daß Sachsen und Thüringen für immer Teil von Russland würden...

    ...ob Hr. Kretschmer und Co. das wohl gefallen würde.??

    • @Wunderwelt:

      Genau wegen dieser Gräueltaten soll der Krieg enden. Im Übrigen wurde zu Kriegen immer wegen solcher Dinge aufgefordert, die „Gewinner“ im Hintergrund zeigen sich nämlich nie.

      • @Taztui:

        Weder die Ukraine noch der Westen können den Krieg beenden, es sei denn, mit einem Sieg über Russland.

        Denn es ist allein Russland, das diesen Krieg will.

      • 6G
        659975 (Profil gelöscht)
        @Taztui:

        Sie glauben ernsthaft, das die Verfolgung von Oppositonellen, Folter, Vergewaltigungen und "Reinigung" der Ukraine von "Nazis" bei einem Waffenstillstand aufhören würde seitens der Russen?



        Die Russen / Putin würden diese Verschnaufpause nur dafür nutzen sich für einen neuen, weiteren Angriff besser zu positionieren.



        Nur wenn es militärisch aussichtslos wird für Putin / Russland, besteht eine Chance auf Verhandlungen.

    • @Wunderwelt:

      ...Äpfel mit Birnen ...

    • @Wunderwelt:

      ... in Angelegenheiten , die die Ukraine betreffen , können wir soviele Meinungen - haben wie Sand am Meer. Haben wir irgendwelche Verträge mit der Ukraine , von denen Sie Kenntnis haben ? Uns liegen hier keine Informationen vor !

  • Blöde Fragen: -1- Mit wem wollen Kretschmer und die SPD-Linken den verhandeln? -2- zu welchen Bedingungen wären Kretschmer und die SPD-Linken zu Verhandlungen bereit? Wer müsste welche "Opfer" bringen? ---- Verhandlungen sind schön und gut, wenn man einen ZUVERLÄSSIGEN Partner zum Verhandeln hat. Aber an der Zuverlässigkeit von Putin habe wohl nicht nur ich Zweifel!

    • @Frank Burghart:

      Vielleicht wollen Kretschmer und die SPD Linken ja erstmal USA. CHINA UND RUSSLAND an einen Tisch bringen, darum geht's doch bei diesen Playern , alles drumherum ist eine miese Scharade auf Kosten unschuldiger Menschen...

      • @Alex_der_Wunderer:

        Komisch, in den Tagen vor der Invasion gaben sich die Staatenführer des Westens in Moskau die Klinke in die Hand. Und was hat es gebracht? Nichts. Russland log und betrog schamlos.

  • Diese Worte und der Stil sind eines Top-Diplomaten unwürdig. Wer sich seiner Sache so sehr sicher ist, kann die Situation in der Ukraine viel besser für seine Zwecke nutzen, auch mit dem Rückenwind der Medien bei einer Reise des sächsischen MP. Jetzt erntet der Twitter-Diplomat erst einmal wieder Gegenwind, ist ihm wahrscheinlich egal, was wiederum auch wenig versöhnlich erscheint.

    • @Martin Rees:

      Wenn Sie sich auch über Maria Sacharowa und Margarita Simonyan aufregten, könnte man Ihnen Ihre Empörung vielleicht abnehmen.

    • @Martin Rees:

      ... ich denke auch , Frechheit und schlechter Stil sind falsch verstandene Demokratie - und mit Diplomatie hat so ein schlechtes Benehmen schon einmal rein garnichts zu tun .

  • Die Bellizisten im Angriffsrausch



    Jahrelanges Elend und Sterben Ausgerechnet die Z Generation von neo-sozialdemokratisch rosa im Bündnis mit der ohnehin tief olivgrünen Jugend schließen sich dem Wunsch der Ober-Olive und den Oberstrategen an. Die Kriegsbegeisterten sollten bedenken, daß selbst der 30-jährige Krieg erst durch Friedensverhandlungen beendet werden konnte.

    • @RB001:

      In Film, Fernsehen, Videostream und Buch gewinnt am Ende immer das Gute. So wird es auch dieses Mal sein.

  • „Kiew entscheidet, wann sie mit Russland verhandeln wollen“

    Geschichten ausm Paulanergarten...

  • Natürlich kann jeder verstehen, welche Dramatik darin steckt, wenn Unternehmen abwandern, wenn Gas und Strom teurer werden. Das gehört sicher auch zu Putins Kalkül, wenn die Nazis stärker werden. Ehrliche Kommunikation besteht darin, das den WählerInnen auch beizubringen, alles andere ist unglaubwürdig und nutzt den Querdenkern.