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Importverbot gegen RusslandKohlemarkt sortiert sich neu

Es darf keine russische Kohle mehr in die EU importiert werden. Alternativen gibt es – doch welche in Zukunft genutzt werden, ist noch unklar.

Darf künftig nicht mehr in die EU importiert werden: Steinkohlebrocken aus einer russischen Mine Foto: Artyom Geodakyan/TASS/imago

Freiburg taz | Von diesem Donnerstag an greift in der EU ein Importverbot für russische Steinkohle. Damit endet die Übergangsfrist des Kohle-Embargos, das die Mitgliedstaaten als Teil des fünften Sanktionspakets gegen Russland Anfang April beschlossen hatten.

Der weltweite Kohlemarkt wird sich damit erheblich verändern, denn im Jahr 2021 kamen 50 Prozent der in Deutschland verbrannten Steinkohle noch aus Russland. Auf den weiteren Positionen lagen die USA (17 Prozent), Australien (13 Prozent) und Kolumbien (6 Prozent). Die russische Kohle wurde vor allem als Brennstoff für Kraftwerke verwendet, während die australische sich vor allem für die Stahlherstellung eignet.

Die Kraftwerke sind in Deutschland bei der Kohle – anderes als beim Erdgas – der größte Verbrauchssektor. Im Jahr 2021 setzten die hiesigen Kraftwerke 19 Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten ein; damit haben sie ihren Verbrauch seit 2014 immerhin halbiert. Die Stahlindustrie ist der zweite große Verbraucher von Steinkohle mit 14,7 Millionen Tonnen.

Welche Länder in den kommenden Monaten in welchem Umfang die Lücke schließen werden, die das Embargo reißt, vermag der Verein der Kohlenimporteure noch nicht abzuschätzen. Deren Geschäftsführer Jürgen Osterhage sagte auf Anfrage nur: „Kohle ist auf dem Weltmarkt reichlich verfügbar.“ Er selbst bekomme täglich einige Angebote auf den Tisch. Im Juni hatte der Verein bereits verkündet, es seien „Testprogramme der neuen Kohlesorten“ aus verschiedenen Ländern „in vollem Gange“.

Bundesregierung hat keine Daten

Zu den künftigen Lieferländern äußert sich auch die Bundesregierung nur insofern, dass sie Australien, Indonesien, Kolumbien, Mosambik, Südafrika und die Vereinigten Staaten aufzählt und hinterherschiebt: „Über den genauen Anteil der jeweiligen Länder liegen der Bundesregierung keine Daten vor.“

Allerdings liegt es nahe, dass Deutschland die Kohle aus Kolumbien verstärkt im Blick hat, weil diese sich ähnlich wie die russische für Kraftwerke eignet. Ein Indiz für entsprechende Pläne ist auch ein Telefonat, das Bundeskanzler Olaf Scholz am 6. April mit dem damals noch amtierenden kolumbianischen Staatspräsidenten Iván Duque Márquez führte – zwei Tage bevor dann der Europäische Rat die Sanktionen gegen die russische Kohle verhängte.

Den Inhalt des Gesprächs kommunizierte die Bundesregierung nur knapp: Themen seien „die bilaterale Zusammenarbeit, der Krieg in der Ukraine sowie die Zusammenarbeit bei Klimaschutz und Energiefragen“ gewesen. Auch auf eine anschließende parlamentarische Anfrage aus der Fraktion Die Linke nannte die Bundesregierung keine weiteren Details.

Der Import von Blutkohle aus Kolumbien dürfte zunehmen

Brisant ist der Fall Kolumbien vor allem, weil das Land unter dem Stichwort „Blutkohle“ immer wieder wegen Verstößen gegen Umweltschutz und Menschenrechte in die Kritik geriet. Die Bundesregierung gibt sich in dieser Hinsicht gleichwohl unwissend. Als im Frühsommer Mitglieder der Fraktion Die Linke anfragten, welche Kenntnisse die Bundesregierung über die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in der Mine El Cerrejón habe, dem größten Steinkohletagebau Lateinamerikas, beschränkte sich die Antwort auf diesen einen Satz: „Über die Medienberichterstattung hinausgehende Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor.“

Welche Länder nun am Ende die Lücke füllen werden, die das Embargo hinterlässt, wird sich in einigen Monaten zeigen. Sicher ist bereits, dass die Zahlungen, die für fossile Energien aus der EU nach Russland gehen, sich durch das Kohle-Embargo nur geringfügig reduzieren werden. Denn nach Zahlen des Centre for Research on Energy and Clean Air mit Sitz in Finnland entfielen von den Beträgen, die seit Kriegsbeginn für fossile Energien nach Russland flossen, nur vier Prozent auf die Kohle. Von den seither aufgelaufenen fast 81 Milliarden Euro für Öl, Gas und Kohle machte das Erdöl alleine 56 Prozent aus.

Als nächstes folgt das Öl-Embargo

Daher will die EU als Nächstes auch das Öl zurückdrängen. Mit dem im Juni verabschiedeten sechsten Sanktionspaket wurde ein vollständiges Verbot der Einfuhr von russischem Rohöl und russischen Erdölerzeugnissen auf dem Seeweg erlassen. Bereits bestehende Verträge dürfen noch während eines Zeitraums von sechs Mo­naten nach dem Inkrafttreten der Sank­tionen erfüllt werden. Bei Erdölerzeugnissen beträgt diese Frist acht Monate.

Eine vorübergehende Ausnahme gibt es alleine für Pipeline-Rohöl, „um sicherzustellen, dass die Nutzung russischen Öls in geordneter Weise auslaufen kann“, so die EU-Kommission.

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10 Kommentare

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  • Es gibt keine politisch, umwelttechnisch, wirtschaftlich "sauberen" Alternativen bei der Beschaffung von Steinkohle.



    Egal ob die USA, Südafrika, Australien, die Förderung ist eine Umweltkatastrophe, der Transport über tausende Kilometer eine wirtschaftliche Verarsche und wenn angeblich der "Preis" stimmt, welcher von den "Medien" und inkompetenten Politikern aus politischen Gründen verbreitet wird, er ist eine Lüge.



    Wir sind, auf Druck der Amerikaner "noch" im sich verschärfenden Wirtschaftskrieg mit den Russen, scheinbar ohne jegliche politische Ahnung, das fossile und andere Roh- und Brennstoffe nur noch begrenzt und bezahlbar verfügbar sind.



    Aktuell ohne belastbare und mittelfristigen Alternativen, außer populistischen Parolen von Laien, welche ihr politisches Scheitern, ihr Unvermögen sich vom Bürger bezahlen lassen.



    Es geht nicht um "Freiheit" oder "Demokratie", das aktuelle Personal der Regierungsdarsteller führt einen Wettkampf, wer am schnellsten den Amerikanern in den Analgang kriecht und auf eine "Weiterverwendung" bei unseren atlantischen Freunden hoffen will.



    Beispiele haben wir genug, von Fischer bis KK und diversen Anderen, aus gescheiterten Regierungsämtern.



    Wollen wir das wirklich, wie die Medien uns in frisierten "Umfragen" Glauben machen wollen.

  • Es dauert wohl nicht mehr lange und FFF und Grüne erklären die Kohleverstromung für klimafreundlich und "grüne Brückentechnologie."

    Mich wundert schon längst nichts mehr.

  • Kohle-Importverbot? Da gibt es doch solch Böse die nach der Gassperre jetzt auf Kohle umsteigen wollen. Und das verbietet die Politik natürlich sofort. Schließlich hat der Bürger Windkraft und Windkraftstrom zu nehmen! Ausweichler darf es da nicht geben! Wo käme man da hin!

    • @Gerdi Franke:

      Lesen sie andere Meldungen, Windkraft und Co. wird doch insbesondere von der Regierung und Politik schon gestört..von anderen alternativen Energieproduzenten ganz zu schweigen. Aktuell ist der Fokus auf tollen fracking-Gas, weil wir dann nicht so "abhängig".

    • @Gerdi Franke:

      Ist bei Elsässers und Kubitschekens unterm Sofa grad nix los, oder woher kam *das* jetzt?

  • Kohle wird sicher klimafreundlicher, wenn diese von möglichst weit her geholt werden muss. Beim Embargo zählen zudem alle Vorsätze von EU (fit for 550) und D (Kohleausstieg 2030) nicht mehr. Aber wehe irgendjemand will nach 2030 noch einen Verbrennungsmotor nutzen …

  • Habe gerade gelesen dass Indien seit dem 24.2.2022 die Kohleeinfuhr von Russland versechsfacht hat. Wir werden also bald Kohle nicht nur aus Kolumbien, Australien usw importieren sondern auch aus Indien.

  • 6G
    656279 (Profil gelöscht)

    "Zu den künftigen Lieferländern äußert sich auch die Bundesregierung nur insofern, dass sie Australien, Indonesien, Kolumbien, Mosambik, Südafrika und die Vereinigten Staaten aufzählt"

    Alles "etwas" weiter weg; soweit man im Geografieunterricht aufgepasst hat. Vor einem halben Jahr wäre das wohl noch Frevel gewesen, wegen dem weiten Transport via extrem umweltschädlichen Schiffsdiesel.

    Aber wer nun LNG, gar Fracking sagt, mus auch Schweröl mögen.

  • Ach so, as Öl-Embargo kommt also. Deshalb kaufen wir teuren Diesel uw aus Indien, wo dieser aus russischem Öl hergestellt wird. Indien hat glaube ich den Ölimport aus Russland um 40% erhöht. Und mehr Öl aus Saudi. Nur dass die Saudis jetzt russisches Öl verwenden um Kraftwerke und Entsalzungsanlagen zu betreiben, und das dadurch eingesparte saudische Öl an uns teuer weiterverkaufen.

    Die Sanktionen schaffen also lediglich eine weitere Schicht an Zwischenhändlern die sich bereichern können, der Gesamteffekt ist kleiner als Null weil die Russen zwar etwas weniger, aber dafür teurer verkaufen als bisher. Würde mich auch nicht wunern wenn die Russen jetzt Kohle an Kolumbien verkaufen.. und wie stehen wir international da? als dumme Deutsche, die man über den Tisch ziehen kann und muss. Dank an Habeck und Co. Ich nehme mal an dass Schach kein Lieblingsspiel von Habeck ist, da er anscheinend nicht mehr als einen halben Zug im voraus denkt.

  • Warum war kolumbianisches Blut jetzt minderwertiger als ukrainisches? Da hab ich wohl was verpaßt im Unterricht. Kolonialismus, ick hör dir trapsen. Wann ruft unsere hoch geschätzte Außenministerin und Hohepriesterin der Gesinnungsehtik endlich dazu auf, Deutsch-Südwestafrika wieder heim ins Reich zu holen?