piwik no script img

Cum-Ex-Affäre in Hamburg200.000 Euro im Schließfach

Beim Ex-SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs ist eine große Summe Geld gefunden worden. Unklar ist, ob die mit Cum-Ex-Geschäften zu tun haben.

Johannes Kahrs war bis Mai 2020 SPD-Bundestagsabgeordneter Foto: picture alliance/dpa

Hamburg taz | Die Affäre um mögliche politische Einflussnahme im Kontext der Cum-Ex-Geldgeschäfte nimmt in Hamburg erneut Fahrt auf. Dort tagt ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss (PUA), um zu klären, ob der privaten Warburg Bank im Herbst 2016 auf politischen Druck hin eine Steuerrückzahlung von 47 Millionen Euro erlassen wurde.

Zudem berichtet die Bild, die Staatsanwaltschaft Köln habe in einem privaten Schließfach des Ex-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs (SPD) 200.000 Euro in Bar gefunden. In Zeiten von Strafzinsen muss das nichts heißen – doch gegen Kahrs wird laut Bild wegen des Anfangsverdachts der Begünstigung zur Steuerhinterziehung ermittelt. Er soll sich für Warburg verwendet haben.

Außerdem soll der SPD-Kreisverband Hamburg-Mitte, dem Kahrs vorstand, von der Warburg-Bank eine Partei­spende über 38.000 Euro erhalten haben.

Die Staatsanwaltschaft Köln bestätigte am Montag auf Nachfrage nur, dass am 28. September gegen drei Beschuldigte wegen des „Anfangsverdachts der Begünstigung“ Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Köln vollstreckt wurden, ohne Namen zu nennen. Dabei seien aber „keine etwaig aufgefundenen Bargeldbeträge durch die Staatsanwaltschaft sichergestellt worden“. Eine Beschlagnahme komme nur in Betracht, wenn der konkrete Verdacht besteht, dass ein Beschuldigter etwas aus einer Straftat „erlangt“ hat und es „zur Sicherung einer etwaigen späteren gerichtlichen Einziehungsentscheidung auch vorläufiger Sicherungen von Vermögenswerten bedarf“, so ein Sprecher. Im Übrigen dauerten die Ermittlungen noch an.

Derweil berichtet das Hamburger Abendblatt, die Beamten, die an jenem Tag in Hamburg unterwegs waren, hätten das Geld in dem Schließfach mit einer Zählmaschine gezählt und danach wieder in das Schließfach gelegt. Es seien 214.800 Euro und 2.400 Dollar gewesen. Auch der Journalist Oliver Schröm, dessen Buch zum Cum-Ex-Fall im Herbst erscheint, bestätigte gegenüber dem Tagesspiegel die Geldsumme. Er kenne die Ermittlungsdokumente.

Neben diesem Bargeldfund sickerten jüngst weitere Details durch. So schrieb das Hamburger Abendblatt, die Staatsanwaltschaft Köln sehe Hinweise darauf, dass in der Hamburger Verwaltung interne Mails gezielt gelöscht worden sein könnten. So habe es eine Warnung des Referenten von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) gegeben, keine schriftlichen Spuren zu erzeugen. Darüber hinaus gebe es im Kalender der Finanzverwaltung auffällig wenig Schriftverkehr. Ein Sprecher des Bürgermeisters hat die Löschung von Mails verneint.

Kanzler Scholz erneut vorgeladen

Zudem berichtete der WDR von einem Chat der für damalige Steuerentscheidungen zuständigen Finanzbeamtin. Sie soll am 17. November 2016 einer Freundin geschrieben haben, ihr „teuflischer Plan sei aufgegangen. Als diese Freundin nachfragte, ob man verjähren lasse, habe sie dies bejaht.

Der PUA in Hamburg wird trotz Sommerpause in dieser Woche zweimal tagen und am 19. August den früheren Hamburger Bürgermeister und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vernehmen. Der hatte bereits im April 2021 dort ausgesagt und jegliche Einflussnahme auf die steuerliche Behandlung der Warburg Bank bestritten.

Norbert Hackbusch, Obmann der Linken im PUA, hält diesen Zeitplan für „übereilt“. Der Ausschuss habe gerade erst einen 140-Seiten-Bericht von der Kölner Staatsanwaltschaft erhalten, den müsse man erst auswerten. Ihm dränge sich der Eindruck auf, die SPD wolle Olaf Scholz „ganz schnell aus der Schusslinie“ nehmen.

Der frühere Linken-Politiker Fabio di Masi sagte dem Tagesspiegel, das Schließfach von Kahrs sei „Sprengstoff für den Bundeskanzler“. Er vermutete, Kahrs habe keine elektronische Datenspur auf seinem Konto haben wollen. Kanzler Scholz ließ am Montag durch seinen Sprecher mitteilen, dass er nichts von der Bargeldsumme wusste.

Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde im dritten, vierten und letzten Absatz um die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Köln und die Schilderung des Abendblatts aktualisiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Also die Staatsanwaltschaft Hamburg glaubt noch an den Weihnachtsmann:



    Die Strafanzeige von Rechtsanwalt Strate wurde abgebügelt.

  • Kahrs war immer ein sehr dubioser, umtriebiger, sehr strittiger Sozialdemokrat. Ich kann mir locker vorstellen, dass er kontinuierlich solche Bargeldbestände hatte, um unbürokratisch Beträge ausgeben zu können. Woher das Geld stammt ... Es könnte legal oder auch illegal sein, wird sich wohl schlecht aufklären lassen. Es ist ein System gewesen, mit dem Kahrs politisch Karriere machte, was viele SPDler schon immer angewidert hat. Ich habe diesen Menschen ein paar Jahre erlebt und mich wundert nur, wie lange er so agieren könnte. Übrigens sind (fast) alle Funktionäre der SPD Mitte mit ihm und zT durch ihn nach Oben gekommen. Kreis Mitte stellt den Innensenator, die Bürgerschaftspräsidentin, den Fraktionsvorsitzenden ... und dazu einen Bundestagsabgeordneten, der einen der 10 sichersten Wahlkreise Deutschland hat und vorher Bezirksamtsleiter in Mitte war. Alle waren und sind Kahrs verbunden.

    Und das lag evtl auch an seinem Zugriff auf Bargeld, vielleicht ist das so was wie eine schwarze Politkasse ?? Ich tendiere dazu. Übrigens hatte der Kreis Mitte immer ein extrem hohes Spendenaufkommen.... Selbst Altona mit Scholz lag deutlich darunter

  • Unglaublich, dass das Geld nicht beschlagnahmt und auf Fingerabdrücke untersucht wurde !



    - Vielleicht hätte sich ja doch ein Bankster-Abdruck identifizieren lassen...

  • Man muss sich über eines im Klaren sein. Cum Ex ist der ganz tiefe Sumpf organisierter Kriminalität.

    • @Günter:

      Dazu passt, dass die 214.000 €, die bei Kahrs gefunden wurden, mafiatypisch in kleinen Scheinen waren (damit man anhand der Nummern den Geldfluss nicht zurückverfolgen kann)...

  • "Unklar ist, ob die mit Cum-Ex-Geschäften zu tun haben."



    Das ist ja der Sinn und Zweck von Bargeldhaufen in i'welchen Schließfächern...

    Auch wenn jetzt mal rote Tünche daran klebet: Es wird genauso enden wie das hier:



    de.wikipedia.org/w...ische_Aufarbeitung

  • So'n verjährtes Schließfach hätte ich auch gerne...💸💰📈

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Werd' ich mir doch kein Schließfach einrichten lassen. Bin so vergesslich.

  • Wird es so weitergehen wie Fabio De Masi vermutet?

    "Fabio De Masi 🦩



    5. Da es hier um Begünstigung der Steuerhinterziehung geht, könnte es dann auch zu strafrechtliche Ermittlungen gegen den @bundeskanzler



    kommen. Erläutert Kahrs hingegen die Herkunft der Gelder belastet er sich selbst. Es ist also eine Lose Lose Situation!"



    twitter.com/FabioD...wWgMC--eagoJkrAAAA

  • Die von Deutschland unterzeichneten, internationalen AntikorruptionsGesetze,



    MÜSSEN sofort ins StGBuch!!

  • Das Thema cum-ex bleibt akut. Gut so! Ich hoffe nach wie vor, dass der damalige Bürgermeister, dann Finanzminister und somit Aufseher der BaFin und heutige Bundeskanzler von seinen ähem, Gedächtnislücken eingeholt wird und auch darüber stolpert. Die vollkommen unglaubwürdige Figur Scholz und im Tandem die Saubermannpartei SPD findet das nat. alles unproblematisch. Ich nicht.

  • Man hat "verjähren lassen".

    Was heißt das?

    Verjährung, was die Politik uns dalas weismachen wollte ("das Finanzamt hat verjähren lassen"), kann in einer Finanzverwaltung niemals ausversehen passieren. Sowas wird akribisch, heute auch durch elektronische Listen und Warnhinweise, überwacht.

    Verjähren lassen ist demnach kein passiver Vorgang. Es ist ein aktiver Vorgang, dem immer eine bewusste Entscheidung einer bestimmten Person zugrunde liegt.

    Bei den Summen um die es hier geht, auf 47 000 000,00€ "zu verzichten", ist die Entscheidung "verjähren zu lassen" bewuss und aktiv getroffen worden. Die bewusste und aktive Entscheidung, den Betrag verjähren zu lassen, trifft niemals ein Finanzbeamter, selbst der Abteilungsleiter Steuern oder Finanzpräsident, wie er in anderen Bundesländern heißt, wird sich seine Pension mit einer solchen Entscheidung nicht in den Sand setzen.

    So was landet in Hamburg immer bei dem Leiter der "Finanzbehörde -Steuerverwaltung-", die so was unmittelbar dem Ministerium vorlegt. Die Entscheidung trifft dann das Ministerium. Alles andere ist Kokolores!