Einsparpotenzial für Energie: Sparen, sparen, sparen
Warum noch Werbeprospekte? Auch im gewerblichen und industriellen Sektor gibt es viele Möglichkeiten, kurzfristig weniger Energie zu verbrauchen.
Raumtemperatur senken, Warmwasser sparen durch verkürztes Duschen, erst recht kein Vollbad, Wäscheständer statt Wäschetrockner – Ideen, um im Privathaus kurzfristig Energie zu sparen, haben wir in den vergangenen Wochen zur Genüge gehört und gelesen. Neues zu entdecken gibt es hingegen in der Welt außerhalb der eigenen vier Wände.
Beginnen wir mit einem Blick auf die öffentlichen Gebäude und Einrichtungen. Wie im Privathaus gilt hier, dass jedes Grad weniger Raumtemperatur 6 Prozent Heizenergie einspart. In Spanien hat die Regierung bereits eine Regel für alle Gebäude des öffentlichen Sektors, aber auch für öffentlich zugängliche Bauten in privater Hand – etwa Hotels, Kaufhäuser, Kinos – gefunden. Im Winter darf nur noch auf maximal 19 Grad geheizt, im Sommer bestenfalls auf 27 Grad gekühlt werden.
Begnügt man sich in allen Gebäuden, die bisher auf 20 bis 21 Grad geheizt wurden, mit 18 bis 19 Grad, spart man also sofort rund 12 Prozent Heizenergie. Da kommt in der Summe ganz schön was zusammen: Die Deutsche Energieagentur beziffert den Verbrauch von „büroähnlichen Betrieben“ im Land auf rund 70 Terawattstunden, also 70 Milliarden Kilowattstunden (kWh) pro Jahr. 12 Prozent davon sind also 8 Terawattstunden, und da derzeit viel über Gasspeicherstände gesprochen wird, sei ein entsprechender Vergleich gewählt: Das sind gut 3 Prozent der deutschen Gasspeicherkapazität. Oder knapp 1 Prozent des jährlichen Gasverbrauchs.
Auch beim Licht gibt es Einsparpotenzial. In Spanien muss die Beleuchtung von Schaufenstern und Denkmälern um 22 Uhr ausgeschaltet werden. Auch in Deutschland reduzieren Städte inzwischen ihre nächtliche Lichtflut – was bei den Bürgern mitunter sogar gut ankommt. Längst gibt es den Begriff der Lichtverschmutzung.
Energiefresser im öffentlichen Sektor sind aber vor allem die Schwimmbäder. Die Stadt Nürnberg gab bekannt, drei von vier Hallenbädern zu schließen. Die drei Freibäder und vier Hallenbäder in der Stadt brauchen im Jahr rund 10 Millionen kWh an Wärme, ein Teil davon wird mit Gas erzeugt.
Das Einsparpotenzial für Gesamtdeutschland lässt sich wie folgt abschätzen: Hierzulande gibt es mehr als 6.000 Schwimmbäder, etwa die Hälfte davon sind Hallenbäder. Ein Hallenbad verbraucht im Jahr zwischen 3.000 und 7.000 kWh pro Quadratmeter Beckenfläche, ein Freibad ein Zehntel davon. Somit ergibt sich überschlägig für den gesamten Bestand ein Wärmeverbrauch zwischen 5 und 10 Terawattstunden jährlich. Auf die deutschen Gasspeicher bezogen wären das zwischen 2 und 4 Prozent der Kapazitäten.
Potenziale abseits der Lieferketten
Und die Industrie? In den Unternehmen gilt es vor allem, Einsparungen zu finden, die unschädlich sind für komplexe Lieferketten. Würde es zum Beispiel helfen, weniger Werbung zu machen? Ein Verzicht auf gedruckte Werbeprospekte böte eine solche Möglichkeit, zumal viele Menschen diese ohnehin als lästig empfinden. Die Baumarktkette Obi verkündete bereits den Abschied vom gedruckten Werbeheft, der Einzelhändler Rewe will Mitte kommenden Jahres nachziehen, stattdessen wird eine App eingeführt. Alleine bei Rewe ist von einer Einsparung in Höhe von 73.000 Tonnen Papier im Jahr die Rede – und in der Folge von 380 Millionen eingesparten kWh.
Denn allein für die Papierproduktion rechnet man im Mittel pro Kilogramm mit einem Energieverbrauch von etwa 3 kWh, ein Drittel davon ist Strom. Bei 46 Kilogramm Werbeprospekten, die im Durchschnittshaushalt alljährlich anlanden, ergibt sich bundesweit ein Energieverbrauch von 6 Terawattstunden. Davon sind ein Drittel Strom, der Rest ist zum großen Teil Erdgas. Somit sind alleine Werbeprospekte grob überschlagen für jeweils 0,2 bis 0,3 Prozent des gesamten deutschen Strom- wie des Gasverbrauchs verantwortlich. Die gesamte Zellstoff- und Papierindustrie steht für etwa 3 Prozent des deutschen Stromverbrauchs, wie auch für 3 Prozent des Gasverbrauchs.
Zu den Branchen, die besonders über hohe Energiepreise klagen, zählt die Glasindustrie, die in der Schmelze Temperaturen von 1.600 Grad Celsius benötigt. Alleine für die Herstellung von Hohlglas (also Flaschen und Gläser im Unterschied zum Flachglas wie Scheiben) braucht die deutsche Glaswirtschaft gut 8 Terawattstunden. Dieser Bedarf wird zu 73 Prozent aus Erdgas gedeckt, zu 22 Prozent aus Strom.
Einsparpotenziale bietet hier vor allem Einwegglas. Bei den Getränken sind Einwegglasflaschen zwar mit weniger als einem Prozent Marktanteil nur eine Randerscheinung, aber doch gibt es sie. Mitunter gingen die Entwicklungen hier sogar in die falsche Richtung: Das einst funktionierende Mehrwegsystem für Wein brach zusammen, auch weil der Gesetzgeber es in der Verpackungsverordnung nie stützte. Die Firma Südglas zum Beispiel betrieb am Kaiserstuhl lange eine Anlage, die in guten Zeiten mehr als 20 Millionen Weinflaschen pro Jahr reinigte. 2017 wurde sie stillgelegt.
Dabei sind Rücknahmesysteme ein wirkungsvolles Instrument, um den Bedarf an Neuglas zu senken; von bis zu 50 Umläufen bei Mehrwegflaschen spricht das Umweltbundesamt. Ein Positivbeispiel ist der Joghurt, für den in den letzten Jahrzehnten ein bundesweites Mehrwegsystem aufgebaut wurde. Andere Produkte im Mehrwegglas, wie etwa Marmelade, findet man bisher nur in der Nische. Aber Mehrweg kann auch subtiler daherkommen: Ein Senfhersteller bedruckt das Etikett seiner Produkte inzwischen mit dem Hinweis: „Ich bin ein Trinkglas“. Wobei umsichtige Verbraucher auch von alleine bereits auf diese Idee gekommen sind.
Die Chemiebranche wiederum ist mit mehr als 8 Prozent Anteil am deutschen Stromverbrauch der Stromfresser schlechthin. Zudem werden hier knapp 6 Prozent des Erdgases verbraucht. In jedem Kilo Kunststoff stecken je nach Material 16 bis 22 kWh Energie. Wer täglich eine PET-Flasche kauft (30 Gramm), kommt im Jahr auf 10 Kilo Plastik und folglich auf rund 200 kWh Verbrauch alleine durch seine Flaschen. Würden das alle Menschen in Deutschland tun, bräuchte man dafür mehr als 16 Terawattstunden.
Getränkedosen fressen Energie
Die Stahlindustrie ist mit 4 Prozent des Stromverbrauchs und 2 Prozent des Gasverbrauchs ein großer Energiekonsument. Die Nichteisenmetalle stehen für weitere rund 2 Prozent des Stromverbrauchs. Heruntergebrochen auf die Konsumenten steckt in jeder Getränkedose rund eine halbe Kilowattstunde. Womit deutlich wird, dass über den Energieverbrauch der Industrie zu einem großen Teil auch der Käufer entscheidet.
Nicht zuletzt der Stahlherstellung wegen ist auch die Produktion von Autos sehr energieaufwändig. Rund 40.000 kWh sind für die Fertigung eines Pkw nötig. Jedes Auto, das, zum Beispiel durch Nutzung von Carsharing, nicht gebaut werden muss, spart also viel Energie.
Auch die Zement- und Kalkindustrie ist ein Großverbraucher. Hier wird vor allem Kohle eingesetzt. Setzt man zur Veranschaulichung den Energiebedarf der Branche in Relation zum deutschen Erdgasverbrauch, so kommt man auf etwa 3 Prozent.
Wegen der großen Verbräuche der Baustoffindustrie ist der Begriff der „Grauen Energie“ im Baugewerbe längst etabliert. Dieser bemisst die Energie, die nötig ist, um etwa ein Haus zu bauen. Typische Werte liegen bei 400 bis 1.400 kWh pro Quadratmeter Wohnfläche. Eine mittelgroße Wohneinheit hat damit bereits zwischen 40.000 und 140.000 kWh verbraucht, ehe auch nur der erste Bewohner eingezogen ist.
Bemessen an der Neubautätigkeit, die sich in Deutschland im vergangenen Jahr auf 34 Millionen Quadratmeter belief, ergibt sich ein Energieverbrauch alleine fürs Bauen in Höhe von etwa 30 Terawattstunden. Das wäre im Vergleich zum deutschen Gasverbrauch ein Anteil von rund 3 Prozent. So könnte auch jede Reduktion der Neubautätigkeit im kommenden Winter die Energiemärkte entlasten.
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Wie man sieht, sind die Möglichkeiten zum kurzfristigen Energiesparen vielfältig. Nicht jede Einsparung aber wird in den kommenden Monaten freiwillig erfolgen. Manches energieintensive Produkt dürfte in Zukunft einfach zu teuer werden, manche Branche sich dadurch neu sortieren. Ein Beispiel hatte kürzlich die Wirtschaftswoche parat: Der Preis von Biolebensmitteln sei zuletzt weniger stark gestiegen als jener von konventionellen Lebensmitteln. Das liegt zu einem guten Teil an den hohen Energiepreisen, weil die Herstellung von Kunstdünger viel Energie frisst. Der Biobranche kann das egal sein, sie verwendet den Dünger ohnehin nicht.
So bleibt am Ende – zwischen weniger Papierwerbung und mehr Biolebensmitteln – die bescheidene Hoffnung, dass sich die hohen Energiepreise nicht nur negativ auswirken werden.
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