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Aufwärmen für den kommenden WinterEine Schulddebatte? Bitte schön

Nein, nicht alle haben von billigem Gas aus Russland profitiert. Und die treibenden Kräfte hinter unserer Abhängigkeit heißen Wintershall und BASF.

Martin Brudermüller heutiger Vorstandsvorsitzender der BASF SE. Dessen Tochter Wintershall verdient gerade Rekordsummen mit russischem Gas Foto: Benoir Tessier/reuters

W ir hatten diese Woche kein Warmwasser. Grund war ein spät entdeckter Rohrbruch, durch den die Gastherme kaputtging. Ärgerlich – aber nun denn, auch ein kleiner Testlauf für den Winter, dachte ich. Wie man sich halt die Dinge immer so schön- beziehungsweise warm redet.

Oder, um den damaligen Chef des Energieunternehmens Wintershall, Rainer Seele, zu zitieren: „Wir produzieren gemeinsam, wir investieren gemeinsam, und wir lernen gemeinsam.“ Er sprach von Gazprom, und zwar 2014, als Russland gerade die Krim besetzte. Die EU überlegte, welche Sanktionen sie gegen Russland verhängen würde, was Seele verhindern wollte. Denn bei der BASF-Tochter Wintershall war man just dabei, seine Öl- und Gasgeschäfte noch enger mit Gazprom zu verschränken.

Der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte Verständnis und fand auch, dass Gas und Öl bei den Sanktionen keine Rolle spielen sollten. Wenig später unterschrieb Gabriel eine staatliche Milliardenbürgschaft, damit Wintershall den mittlerweile berühmt gewordenen Gasspeicher in Rehden, den größten Europas, mit Gazprom gegen Gasfelder in Sibirien tauschen konnte.

So hat es vor wenigen Tagen das Fernsehmagazin „Monitor“ noch einmal wunderbar herausgearbeitet, samt Bild von Gabriels handschriftlichem Vermerk „Ich unterstütze den Antrag“. Aktuell verdient Wintershall – das heute als Wintershall Dea immer noch zu rund drei Vierteln BASF gehört, den Rest hat ein russischer Oligarch – sehr gut mit westsibirischem Gas. Denn, Sie erinnern sich, Gas wird derzeit ausgesprochen teuer verkauft.

taz am wochenende

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Wenn Sie all dies längst wissen, entschuldigen Sie bitte. Mir erschien es zuletzt so, als sprächen wir zu wenig darüber, wie und von wem wir in diese ganze krasse Lage gebracht wurden.

Es reicht halt nicht zu sagen: „Klar ging es da um wirtschaftliche Interessen, ist doch immer so, aber wir haben ja alle profitiert“ – und dann twittern alle weiter ganz aufgeregt über irgendeine unwichtige Einlassung von Sahra Wagenknecht. Es haben eben nicht alle profitiert. Es geht immer um kurzfristige und langfristige Gewinne – oder eben auch Verluste, und siehe da, Stand heute ist beides wieder einmal höchst ungleich verteilt. Außerdem sind Schuldfragen in der Wirtschaftspolitik wichtig. Alles aufs „System“ zu schieben, hilft niemandem außer den AktionärInnen von BASF.

Ich halte es für spektakulär, dass BASF-Chef Martin Brudermüller es wagt, sich seit Kriegsbeginn in Gasdingen als Schutzpatron der deutschen Volkswirtschaft aufzuspielen, nachdem BASF und Wintershall erkennbar die Treiber hinter dem Wahnsinnskonzept waren, die deutsche Energieversorgung von Wladimir Putin abhängig zu machen.

„Wir machen Vorschläge an die Politik“, sagte er jüngst treuherzig im Spiegel. In der Art, wie Brudermüller dabei auch gleich Subventionen fürs CO2-Sparen und Investitionsgarantien fürs Chinageschäft verlangte, wirkte er allerdings wie der Brandstifter, der erst das Haus anzündet, dann behauptet, dass nur er imstande sei zu löschen, dafür dann allerdings Geld will. Soll alles heißen: Eine Übergewinnsteuer kann hier eigentlich nur der Anfang sein.

Gestern durfte ich bei der Nachbarin warm duschen. Ich weiß nicht, ob das ein nachhaltiger Plan für den Winter ist.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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4 Kommentare

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  • Ich darf doch wirklich hier um etwas Recherche bitten, der ganze Artikel stellt die Sache historisch falsch dar.

    Deutschland importiert Erdgas seit dem 1. Oktober 1973 aus der Sowjetunion. Also schon lange, bevor Wladimir Putin irgendwas politisch zu sagen hatte und bevor es Gasprom gab.

    Gerade durch die beiden Ölkrisen sogar wurde die UdSSR als Lieferant als etwas gutes angesehen, denn die Lieferanten des Nahen Ostens galten als unzuverlässig.

    Übrigens war die Grundidee, warum man trotz Kalten Kriegs Gas aus der UdSSR bezog, Annäherung durch Handel: wenn man miteinander Handel betreibt, dann ist die Gefahr eines Kriegs unwahrscheinlicher. Schon damals bezog Deutschland (West) bis zu 50% seines Gasbedarfs aus der UdSSR. Und so ging es dann eben nach der Wende weiter.

    Womit wird übrigens untermauert, dass nicht alle vom billigen Gas profitiert haben? Das ist einfach mal eben so eine Meinung als Fakt hingestellt, aber ohne weitere Untermauerung. Also ist sie damit bedeutungslos.

    Es bleibt festzuhalten: die UdSSR, später Russland, war liefert Deutschland seit den 1970ern Gas, und zwar in immensen Mengen. Sie war schon immer der wichtigste Lieferant, und damit gab es lange Zeit für die Politik auch keinen Grund für einen Wechsel, denn - auch das ist eben so - einen Gaslieferanten in der Größe und zu den Konditionen findet man nicht mal eben so auf dem Weltmarkt. Die Kapazitäten sind alle ziemlich verkauft und in Langzeitverträgen drin, wie auch der von Deutschland mit Russland. Wer sich anderweitig umtun will, der muss - wie gerade auch Deutschland - auf dem Spotmarkt kaufen, und da wird es so richtig teuer.

    Und wenn man neue Lieferanten haben will, wie Katar, dann müssen die dafür erstmal Felder erschließen und in Betrieb nehmen, was Jahre dauert.

    • 6G
      655170 (Profil gelöscht)
      @Herbert Eisenbeiß:

      Das ist die typische Schein-Argumentiererei um den eigentlichen Kern des Problems und damit die politische Verantwortung herum.



      Denn: Seit den 1970er Jahren ist ein halbes Jahrhundert vergangen.



      Ein halbes Jahrhundert, in dem die politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen durch den Club of Rome in ihrem Handeln vor aller Augen bloßgestellt wurden.



      Das war nicht die Absicht der damaligen Studie. Die Absicht war vielmehr, diesen politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen die Augen zu öffnen.



      Die waren aber längst offen und schauten doch nur auf eines: Auf möglichst viel Profit.



      50 weitere Jahre lang - bis heute.



      50 Jahre wäre Zeit gewesen, die Industrie mit ihrem Energiehunger und die Gesellschaft umzustellen auf erneuerbare Energieen.



      Man hat es nicht gean.



      Und "man" ist die Großindustrie, die Wirtschaftsmogule und eine Politik quer durch alle Parteien, die sich diesen Mogulen unteran machte und (wie Wintershall und Gabriel 2013) lieber noch mehr und weitere Gewinne wollte, als sich von einem erwiesenen Kriegstreiber wie Putin



      abzuwenden.



      Entweder in grenzenloser Naivität oder in grenzenloser ethischer Gleichgültigkeit.



      Jedenfalls getrieben von der Gier nach immer mehr Gewinn - wie es das System nun mal vorsieht.



      Deshalb ist es ein Scheinargument zu sagen, man bekäme nun mal keinen ethisch zweifelsfreien Gaslieferanten.



      Denn: Mit etwas Verstand und Willen bräuchte man heute garkeinen Gaslieferanten mehr - oder nur für marginale Mengen.

  • Danke für die klaren Worte. Es gibt eben Leute, die würden auch noch mit den Russen Geschäfte machen, wenn die bereits an der deutsch-polnischen Grenze stehen ...

  • Es ist doch immer die Frage in welchem Maße sich die gewählten Volksvertreter vor welchen Karren spannen lassen. Brudermüller habe ich nicht gewählt. Der hält seinen Laden am Laufen. Aber die andere Seite, die Politik, dass ist doch die Truppe die dort mitquakt wo doch Abstand gefragt ist. Politikhygiene erhöhen.... wenn es den Begriff schon gibt!