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Nach dem G7-GipfelZusammenrücken für die Ukraine

Angesichts des russischen Angriffskrieg bemüht sich der Westen um Einigkeit – und versucht, wichtige Schwellenländer mit ins Boot zu holen.

Wollte sich als Führungsmacht beweisen: Bundeskanzler Olaf Scholz am 28. Juni in Elmau Foto: Peter Kneffel/dpa

Es war sein Auftritt auf der Weltbühne. Er stand immer in der Mitte, meist mit dem US-amerikanischen Präsidenten zur Linken und dem französischen zur Rechten, er durfte stets als Erster sprechen, er war der Hausherr. Am letzten Tag des G7-Gipfels im bayerischen Elmau hatte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz diese Bühne noch einmal für sich. Elmau sei gut gewesen für die G7, so Scholz, das Schloss im Rücken, in dem er und die Staatschefs der USA, Kanada, Frankreichs, Italiens, Großbritanniens und Japans samt Entourage genächtigt und diskutiert hatten. „Es ist großes Vertrauen untereinander entstanden“, sagte Scholz und sah dabei wie der erschöpfte Leiter eines Jugendcamps aus.

Dem Bundeskanzler war im Hinblick auf den Ukrainekrieg oft eine zu abwartende Politik vorgeworfen worden. Da Deutschland turnusmäßig die Präsidentschaft der G7 innehat, hatte Scholz also nun drei Tage lang Gelegenheit, sich als führungsstark zu präsentieren.„Es gibt kein Zurück in die Zeit vor dem russischen Überfall“, sagte Scholz zum Abschluss des Treffens in Bezug auf den Krieg. „Vor uns liegt eine Zeit der Unsicherheit.“ Umso wichtiger seien Geschlossenheit und Entschlossenheit.

Und tatsächlich sind die G7 seit dem 24. Februar zusammengerückt; Elmau hat dieses Teambuilding befördert. In der Abschlusserklärung der G7 heißt es unter anderem: „Wir sind bereit, uns gemeinsam mit interessierten Ländern und Institutionen sowie der Ukraine auf langfristige Sicherheitszusagen zu verständigen.“ Auf die Frage, ob er verraten könnte, welche Sicherheitszusagen gemeint seien, antwortet Scholz lediglich mit einem verschmitzten „Ja, könnte ich.“ Wollte er aber nicht. Trotzdem kann man es als Hinweis deuten, dass die G7 bereit sind, eine Art Schutzmacht für die Ukraine zu werden.

Am Sonntag hatten alle sieben Länder der Ukraine zugesagt, ihr finanziell, humanitär, militärisch und diplomatisch zur Seite zu stehen, so lange es nötig ist. Also auch mit weiteren Waffenlieferungen. Auch die Sanktionen bleiben in Kraft, und zwar so lange, bis „Putin akzeptiert, dass sein Vorhaben nicht gelingt“, so Scholz zum Abschluss des Gipfels. Wie zur Bestätigung grollte von den Bergen der Donner.

Neue Länder zu Gast

Wobei es da noch Redebedarf unter den G7 gibt. Der US-amerikanische Präsident Joe Biden hat vorgeschlagen, Preisobergrenzen für Gas und Öl einzuführen, damit die Sanktionen auch wirken. Denn obwohl Russland weniger Öl verkauft, nimmt es wegen der gestiegenen Weltmarktpreise mehr ein. Ziel sei es, so der Pressesprecher des Weißen Hauses, Putins Haupteinnahmequelle zum Versiegen zu bringen. Scholz dämpfte die Erwartungen: Obergrenzen seien ein sehr ambitioniertes Vorhaben, deren Umsetzung noch viel Arbeit erfordere.

Deutschland hatte gezielt fünf weitere Länder eingeladen: Indien, bevölkerungsreichstes demokratisch verfasstes Land in Asien, Indonesien, das in diesem Jahr den G20-Gipfel ausrichtet, Senegal, welches den Vorsitz der afrikanischen Union inne hat, sowie Südafrika und Argentinien. Nicht alle Länder tragen die Sanktionen gegen Russland mit. Dennoch betonte Scholz zum Abschluss: „Es ist gut, dass wir nicht unter uns geblieben sind.“

Die Sanktionen bleiben in Kraft, bis Putin akzeptiert, dass sein Vorhaben nicht gelingt

Bundeskanzler Olaf Scholz

Dass es gelingen würde, die Schwellenländer auf Elmau zu einem schärferen Kurs gegenüber Russland zu bewegen, war Wunschdenken. Im Globalen Süden ist man der Ansicht: Das ist das Problem des Westens. Die Nachfolgestaaten des ehemaligen britischen Empire, darunter Indien und Südafrika, trafen sich in der Woche zuvor zum Gipfel in Ruanda, in ihrer Abschlusserklärung tauchte das Wort Ukraine an gerade mal zwei Stellen auf – im Zusammenhang mit Ernährungssicherheit und internationalem Recht. Russland wurde gar nicht erwähnt.

Statt mit moralischen Appellen, versucht der Westen es nun mit ökonomischen Offerten. Der US-amerikanische Präsident Joe Biden hatte ein 600 Milliarden schweres Projekt mit nach Elmau gebracht, mit dem Infrastrukturmaßnahmen in Schwellen- und Entwicklungsländern über fünf Jahre privat und öffentlich finanziert werden sollen. Eine Kopie der chinesischen Seidenstraße nur in „gut“. Man wolle Länder nicht in die Verschuldung treiben, so Biden.

Halbherzige Bekenntnisse zum Klima

Wobei die G7 den Wünschen der Schwellenländer auch auf maßgebliches Betreiben Deutschlands in einem weiteren Punkt entgegengekommen sind: Sie wollen ihnen beim Ausbau der erneuerbaren Energien, aber auch bei der Erschließung neuer Gasvorkommen finanziell behilflich sein. Damit brechen sie mit ihrer erst im Mai erneuerten Selbstverpflichtung, sich nicht mehr an der Erschließung neuer Gasvorkommen im Ausland zu beteiligen. Scholz beteuerte zwar: Man sei sich einig, wo die Zukunft liege. „Nämlich nicht beim Gas.“

Doch das erscheint angesichts des Beschlusses nur ein halbherziges Bekenntnis zu sein. Auf den Klimaclub, den der Kanzler anregte, haben sich die G7 zwar geeinigt. Er soll bis Ende des Jahres gegründet werden. Der Club verpflichtet alle Mitglieder auf harte Ziele für den Klimaschutz und soll ihnen im Gegenzug Wettbewerbsvorteile gewähren. Eine schöne Idee, ob sie funktioniert, bleibt offen.

Als Weltenlenkerin und Klimakanzlerin, als die sich Vorgängerin Angela Merkel vor sieben Jahren in Elmau präsentierte, wird man Olaf Scholz nach dem Revival vielleicht nicht in Erinnerung behalten. Aber immerhin als jemanden, der in diesen unruhigen Zeiten den Laden zusammenhalten kann.

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12 Kommentare

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  • Angela Merkel hat uns nach globalen Maßstäben und gemessen an alle Klimaziele die es seit ewig schon gibt in einem totalen Rückstand hinterlassen - da gibt es gar nichts zu feiern!



    An Sie müssen wir uns deswegen wirkliche nicht erinnern. Nur gut dass sie und ihre Partei erstmal weg vom Fenster ist.

  • "Deutschland hatte gezielt fünf weitere Länder eingeladen: Indien, bevölkerungsreichstes demokratisch verfasstes Land in Asien, Indonesien, das in diesem Jahr den G20-Gipfel ausrichtet, Senegal, welches den Vorsitz der afrikanischen Union inne hat, sowie Südafrika und Argentinien."

    Mal ganz konkret. Was haben diese Länder zur Aufforderung, sich in der Ukrainepolitik des Westen anzuschließen, gesagt? Ja? Wir überlegen es uns? Oder: media.istockphoto....arGeKHZLpQvHsYMNU= ?

    Ich vermute Letzteres. Alles andere wäre groß durch die Medien gegangen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      "Was haben diese Länder zur Aufforderung, sich in der Ukrainepolitik des Westen anzuschließen, gesagt?"



      Es geht ja nicht darum, was deklamatorisch verkündet wird, sondern was tatsächlich passiert. Es zeigt sich mittlerweile deutlich, nicht nur am Ölpreis, sondern insgesamt an den Export/Import-Bilanzen, dass die Sanktionen der sanktionierenden Staaten auch auf die Handelsbeziehungen zwischen Russland und nicht sanktionierenden Drittstaaten einen erheblichen disruptiven Effekt haben. Auch deren Import nach Russland hat stark abgenommen. Bei China ist das ein gewollter Effekt, bei kleinen Staaten, gerade Schwellen- und Entwicklungsländern, ein ungewollter Kolleteralschaden. Den zu minimieren ist eine wichtige und richtige Aufgabe.



      Die Regierungen der genannten Schwellenländer sind demokratisch gewählt und keine selbstherrlichen Autokraten, die auf Kosten ihrer Bevölkerung populistsische "Stinkefingerpolitik" machen können, oder wollen. Sie sind an langfristig nutzbringenden Beziehungen interessiert, dafür empfiehlt sich Russland aktuell nicht gerade. Gerade in Argentinien z.B. hat sich Russland mit dem Sputnik-Skandal letztes Jahr extrem unbeliebt gemacht, und sich als vertrauenswürdiger Handelspartner diskreditiert.



      Für alle diese Länder sind, neben ihren jeweils direkten Nachbarn, die EU, USA und China bei weitem wichtigere Handelspartner als Russland.



      Wieso sollten sie also die Einladung zum G-20-Gipfel nicht annehmen?



      Zum Thema Sanktionen und Import nach Russland:



      www.piie.com/blogs...working-help-china

      • @Barbara Falk:

        Russland hat also einen Exportüberschuss....und weiter?

        Argentinien hat EINEN Tag nach dem G7 Gipfer einen Mitliedsantrag bei BRICS gestellt. Das ist eine schallende Ohrfeige für den "Westen" und zeigt, dass die Beziehungen zu Russland nicht so schlecht sein können.

        Ja auch die Staaten die bei den Sanktionen nicht mitmachen fangen an darunter zu leiden. Nur sehen diese die Schuld daran nicht bei Russland und mit Werten brauchen sie diesen Ländern bei der ständig vorgeführten Doppelmoral des Westens gar nicht erst kommen.

        • @Frank Fischer:

          "mit Werten brauchen sie diesen Ländern bei der ständig vorgeführten Doppelmoral des Westens gar nicht erst kommen"



          Aber hoffentlich halten Sie BRICS jetzt nicht für eine Wertegemeinschaft (gegen die Doppelmoral des Westens).

      • @Barbara Falk:

        Nur noch eine kleine Ergänzung aus der Realität.

        www.spiegel.de/wir...-9ba2-baabd32dfc9b

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          "Nur noch eine kleine Ergänzung aus der Realität."



          Ich fände ja gut, wenn Sie nicht nur was verlinken, sondern auch erläutern, was es bedeuten soll. Starker Rubel, starkes Land?



          Was macht denn der starke Rubel? Der macht, was eine starke Währung immer macht, sie macht den Exporteuren des entsprechenden Landes das Leben schwer, d.h. verringert die Exportquote und/oder schmälert die Erträge, und beides führt zu Mindereinnahmen des Staates.



          Vor dem Krieg Rubel-Dollarkurs 100/1, jetzt Rubel-Dollarkurs 50/1. (Zahlen großzügig gerundet). Jeder, der was aus Russland importiert, muss doppelt so viel Dollar (oder Euro) dafür zahlen wie vor dem Krieg. Und das in nur vier Monaten. D.h. man schaut, ob man nicht woanders einkaufen kann.



          Die Aufwertung der russischen Währung um jeweils 1 Rubel kostet den russischen Haushalt nach unterschiedlichen Schätzungen des russischen Finanzministeriums 120 bis 200 Mrd. Rubel. Sagt der russische Finanzminister Siluvanov, und der muss es ja wissen. Er sagt auch, dass der Haushalt 2022 ins Defizit rutscht, wenn der Rubel so stark bleibt. Aktuell werden Interventionsmaßnahmen der Zentralbank diskutiert, um den Kurs wieder in den Bereich 75-80 Rub/Dollar zu kriegen.Wenn das nicht gelingt, muss Russland am Haushalt einsparen (was aber nicht geht, der ist eh kaputtgespart und jetzt kommt der Krieg noch dazu), oder Geld drucken (=Inflation).



          Quelle: www.rbc.ru/economi...c?from=from_main_1

          • @Barbara Falk:

            "Ich fände ja gut, wenn Sie nicht nur was verlinken, sondern auch erläutern, was es bedeuten soll. Starker Rubel, starkes Land?"

            War nur ein Beispiel für eine realistische Einschätzung.

      • @Barbara Falk:

        Erklärtes Ziel war vor dem Gipfel z.B. Indien dazu zu bewegen, sich Sanktionen anzuschließen. Das ist nicht passiert. Vor ein paar Tagen wurde klar, dass Indien z.B. immer mehr russisches Öl kauft. Und dabei wird es auch bleiben. Und zwar nicht nur wegen des Geldes. Es geht darum, ob der Westen Länder bestrafen darf. Die meisten Staaten sind sich einig, dass solchen Allmachtsphantasien Einhalt geboten gehört. Schon weil niemand sagen kann, wer als nächstes auf die Abschussliste kommt.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          "Erklärtes Ziel war vor dem Gipfel z.B. Indien dazu zu bewegen".



          1) Der G20-Gipfel findet im November statt.



          2) machen indische Unternehmen schon aus Eigeninteresse bei den Export-Sanktionen mit, auch wenn die Regierung das nicht gesetzlich vorschreibt:



          tradingeconomics.c.../exports-to-russia



          Zur Erläeuterung von Eigeninteresse: Indiens Export nach Ländern. Finden Sie Russland in der Grafik: tradingeconomics.c...exports-by-country

          "dass Indien z.B. immer mehr russisches Öl kauft. Und dabei wird es auch bleiben".



          Sie meinen dass das ständig immer mehr wird? Wohl kaum. Im Mai kamen schon an die 20% des indischen Ölimports aus Russland. Es ist nicht klug von einem anderen Staat allzu abhängig zu sein, sehen wir ja an uns selbst.



          Wer droht denn Indien, oder irgendeinem anderen Staat Strafen an, wenn es russisches Öl kauft? Niemand tut das.

          • @Barbara Falk:

            "1) Der G20-Gipfel findet im November statt."

            Wir sprachen vom G7 Gipfel zu dem Indien eingeladen war.

            Es nützt übrigens nichts, sich im Internet Massen von Links zu suchen, die die eigene, fest gefasste, Meinung scheinbar stützen. Wenn man genug Zeit hat, um sie zu verschwenden, findet man für fast jede Meinung passende Links. Auch für das Gegenteil.

            Fakt ist, dass die meisten Staaten sich trotz Aufforderung den Sanktionen nicht angeschlossen haben. Natürlich behindern z.B. Finanzsanktionen den Handel auch dieser Staaten. Aber mit der Zeit wird es Umgehungen geben.

            Die Macht des Westens ist, wie übrigens aller Staaten und Staatengruppen, begrenzt. Das muss man berücksichtigen. Die Realität auszublenden bringt auf Dauer nichts.

      • @Barbara Falk:

        "Zum Thema Sanktionen und Import nach Russland:"

        Muss natürlich Export heißen.