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Klimakiller LuftfahrtCO2-frei fliegen – noch weit entfernt

Die Bundesregierung will Deutschland zum Vorreiter für klimaneutrale Luftfahrt machen. Dazu soll nachhaltiges Kerosin produziert werden.

In der Luftfahrt sind die Entwicklungszeiten besonders lange Foto: Uwe Zucchi/picture alliance

Berlin taz | Fliegen ohne Flugscham – das ist ein Traum und wird es wohl auch noch lange bleiben. Dabei will die Bundesregierung die Weichen dafür stellen, dass Deutschland international Vorreiter auf dem Weg zur klimaneutralen Luftfahrt wird. Doch die vorgesehenen Maßnahmen werden an der Klimaschädlichkeit des Fliegens nichts ändern, warnen Luftfahrtexperten von Umweltverbänden.

„Wir wollen die gesamte Community und Branche auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützen“, sagte die Koordinatorin der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt, Anna Christmann (Grüne), bei der Vorstellung des Papiers „Klimaneutrale Luftfahrt“ zusammen mit Verkehrsstaatssekretär Oliver Luksic (FDP). Anlass war die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung, die am Mittwoch in Berlin eröffnet wird.

Die Weichen für effizientere Flugzeuge, neue Antriebe etwa mit Wasserstoff, nachhaltig erzeugte Kraftstoffe und einen klimaneutralen Betrieb der Flughäfen müssten schnell gestellt werden, forderte Christmann. Vieles, etwa neue Antriebe, sei wegen der langen Entwicklungszeiten in der Luftfahrt nicht kurzfristig umsetzbar. „Einige Schritte sind aber sofort möglich“, sagte sie. Allerdings fehlen in dem Papier klare zeitliche Vorgaben.

Schnell möglich wäre der stärkere Einsatz von nachhaltigem Kerosin in Form sogenannter Power-to-Liquid-Kraftstoffe (PtL) oder von Agrosprit. Agrokraftstoffe werden aus Pflanzen gewonnen. Sie sind umstritten, weil auf den Anbauflächen auch Nahrungsmittel erzeugt werden könnten. Bei PtL-Verfahren wird Kerosin aus Strom gewonnen, was sehr energie­intensiv ist. „Langfristig setzen wir auf PtL“, erklärte Christmann. Der Hochlauf neuer Kraftstoffe müsse zügig unterstützt werden. „Der Staat als Nachfrager kann diesen Prozess beschleunigen“, sagte sie. Der Koalitionsvertrag legt fest, dass Einnahmen aus der Luftverkehrssteuer in die Förderung von CO2-neutralen Flugkraftstoffen fließen. Damit kommt die Regierung einem Wunsch der Branche nach.

Kein Verbot von Inlandsflügen

Das Verteidigungsministerium soll laut Oliver Luksic ein wichtiger Abnehmer von nachhaltigem Kerosin werden. „Es ist wichtig, dass wir der Wirtschaft zeigen, dass das Thema kommt“, sagte er. Zurzeit ist PtL noch sehr teuer und wird nicht in den erforderlichen großen Mengen hergestellt. Im Emsland ist im Herbst die erste Anlage in Deutschland in Betrieb gegangen, die nachhaltiges Kerosin produziert – gebaut von einer Klimaschutzorganisation. In Kürze will die Bundesregierung den Standort für eine Demonstrationsanlage bekanntgeben, die in industriellem Maßstab PtL herstellt.

In Deutschland ist eine Mindestquote an klimaneutralen Spritbeimischungen ab 2026 in Höhe von 0,5 Prozent nachhaltigem Kerosin vorgesehen. Bis 2030 soll der Anteil bei mindestens 2 Prozent liegen. Auf europäischer Ebene wird über die Quote zurzeit verhandelt. Luksic wollte dazu mit Hinweis auf die Gespräche nichts sagen. Maßnahmen wie ein Verbot von Inlandsflügen zur Senkung des CO2-Ausstoßes plant die Bundesregierung nicht.

Doch wer das Klima schonen will, kommt an einer Verringerung des Flugverkehrs nicht vorbei, sagte Luftfahrtexperte Reh vom BUND. „Wir brauchen ein Gesamtpaket, das auch weniger Flüge und das Umlegen der Klimakosten auf den Ticketpreis vorsieht“, sagte er. Die Beimischungspflicht habe nur einen geringen Effekt. Denn die Luftfahrt werde in den kommenden Jahren so stark wachsen, dass die Branche im Jahr 2030 klimaschädlicher sein werde als heute. Reh: „Wir sind noch Lichtjahre vom klimaneutralen Fliegen entfernt.“

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15 Kommentare

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  • "Die Beimischungspflicht habe nur einen geringen Effekt."

    Klingt so, als sei das ein positiver Effekt. Er ist aber faktisch ein nachhaltig negativer Effekt, wenn man PtL einsetzt.

    Denn der Strom könnte direkt genutzt ein Vielfaches an CO2 einsparen als er das indirekt über PtL tut. Damit verzögert PtL den Ausstieg aus der fossilen Verbrennung deutlich.

    Uns bleibt praktisch aber nur noch sehr wenig Zeit und wir benötigen schon längst das genaue Gegenteil: radikale Einsparungsmaßnahmen, weil wir genau genommen schon heute bei Nullemissionen sein müssten. Denn bei 1,5° Klimaerwärmung sind wir bereits angekommen. Das Ziel, darunter zu bleiben, das haben wir bereits heute schon verfehlt.

    Das bedeutet, dass PtL nicht Teil der Lösung sondern Teil des Problems ist, weil darüber die bereits mögliche Reduktion von Emissionen praktisch verhindert wird. PtL ist reines Greenwashing.

  • Das ist alles blah blah blah.



    So lange wir Energie nicht im Überfluss haben ist die Prämisse Energie sparen auf Teufel komm raus.

    Erst wenn wir Grüne Energie im Überfluss haben können wir langsam darüber nachdenken diese überschüssige Energie in Luxusverbräuche fliessen zu lassen.

    Um das mal so ganz platt zu sagen:



    Würde man diesen PtL-Sprit in der Landwirtschaft einsetzen - wieviele Hektar könnte man damit bestellen? Wieviele Liter Diesel dadurch einsparen ?

  • 2% bis 2030. Ui.



    Anscheinend tut der aktuelle Personalmangel mit den daraus folgenden Flugausfällen mehr fürs Klima als die Politik ...

  • Der Luftverkehr wird wachsen -- wie kann das sein?! Das ist doch idiotisch! An mir liegt das nicht, ich bin noch nie geflogen, null Meilen. Wieso kapieren die leute nicht, dass es Zeit ist, zuhause zu bleiben und Geschäftliches über Video zu machen?!?! Wo ist Corona, wenn man es braucht?????

  • 4G
    47351 (Profil gelöscht)

    Lichtjahre sind eine Entfernungseinheit.

    • @47351 (Profil gelöscht):

      Schlaumeier ... trotzdem eine sinnvolle Bezeichnung:

      2019 gab es in der weltweiten Luftfahrt knapp 47 Millionen Flüge. Eine geflogene Strecke von 100 Milliarden km im Jahr wäre damit plausibel (bei Annahme einer mittleren Strecke von 2000 km).

      Ein Lichtjahr (LJ) entspricht 9,46 Billionen Kilometern. Damit müssten ca. 100 Jahre lang Flugzeuge unterwegs sein, bis ein Lichtjahr weit geflogen wurde. Bis dahin wäre das Klima vollends ruiniert, so dass v.a. die Zahl der reise-fähigen Menschen und der lebenswerten Reiseziele begrenzend wirken würden. Bei 150 Personen an Bord dauert es indes weniger als ein Jahr, bis die Reisestrecke in Personen-km ein Lichtjahr erreicht.

      Somit ist "CO2-freies Fliegen - in Lichtjahren" eine durchaus plausible Größenangabe!

  • So fliegen die Reichen und Schönen dieser Welt mit den Nahrungsmitteln der Armen. Die schönste Form des Kapitalismus?

  • In der Koalitionsvereinbarung ist eine ambitionierte (!) power-to-liquid-Quote für den Luftverkehr vorgesehen. Eigentlich hätte dazu etwas in dem Papier des Bundesregierung stehen müssen.

  • Es wäre immer noch sinnvoller den Strom für die PtL-Gewinnung auf andere Art zu nutzen. Ihn in Treibstoff um zu wandeln und dann wieder zu verbrennen ist weitaus weniger effizient als elektrisch betriebene Fahrzeuge direkt anzutreiben oder zumindest aufzuladen.



    Mit PtL wird Fliegen nicht grün, sondern der gesamte Energiebereich weniger grün. Besser alles elektrisch machen, was geht und erst mal weiter Fliegen wie bisher.

    Oder besser: Weniger fliegen und die (elektrische) Bahn voranbringen. Fracht auf die Schiene zurück bringen.

    Das Green-Washing des Fliegens ist eine Lüge. Man zieht das grüne Tischtuch über den Flugverkehr, aber hinten reichts dann nicht für die Dinge, die den Strom sinnvoller brauchen könnten.

    • @Jeff:

      Kurzfristig haben Sie recht. Bei PtL-Beimischungsquoten von z.B. 2% ist es ohnehin viel Propaganda und ein wenig Anstoß einer technischen Entwiklung im Sinne von Lernkurven.

      Unrichtig ist aber die Annahme, die Entwicklung erneuerbarer Energien würde unabhängig von bestimmten Nachfragern - wie der power-to-liquid-Erzeugung - erfolgen. Zudem werden kunstliche Treibstoffe vorzugsweise in südlichen Sonnenländern hergestellt, konkurriert also schon deshalb nicht mit unserem "normalen" Stromverbrauch.

  • Ich sehe den schwarzen Peter weniger bei den Airlines und Flugzeugbauern. Wenn die Leute nicht oder deutlich weniger fliegen würden wäre das Problem schon mal erheblich gemindert. Es liegt doch an uns, zu handeln, mit dem Wissen was wir haben. Aber wenn neue Rekord-Fluggastzahlen für diesen Sommer vorausgesagt werden scheint es mit der Nachhaltigkeit eben doch nicht so weit zu sein, Nachhaltigkeit ja, aber nur wenn es einen nicht betrifft.

  • Allein um die Treibstoffmengen, die im zivilen Flugverkehr in Deutschland in der Luft verklappt werden, um bestimmte Landegewichte der Maschinen zu erreichen, müssten tausende von Emsland-Anlagen errichtet werden. Über die tatsächlich notwendigen Mengen, um Flugzeuge nur allein von bundesdeutschen Flughäfen starten zu lassen muss man dann schon gar nicht mehr nachdenken. Das ist technischer und volkswirtschaftlicher Unsinn. Und umweltfreundliches Militär? Zynischer geht es glaube ich nicht.

    • @Christian Götz:

      Ihr Vergleich mit den verklappten Mengen ist vermutlich frei erfunden. Richtig ist, dass die Menge in der Emsland-Anlage zu vernachlässigen ist.

      Bislang reicht der Strom aus erneuerbaren Energien ja auch nicht einmal zur unmittelbaren Deckung des "normalen" Stromverbrauchs, daher gibt es noch gar keinen sinnvollen Anwendungfall für power-to-liquid.

      Man sollte aber jetzt die Weichen stellen, um in 5 bis 10 Jahren nennenswerte Größenordnungen zu erreichen. Ideal wäre eine Verpflichtung, die gleiche Menge an verbrauchtem fossilen Kerosin im Nachgang, über mehrere Jahre verteilt, als künstlichen Treibstoff herzustellen.

    • @Christian Götz:

      Wenn man die Daten zwischen 2010 und 2016 als Grundlage nimmt, werden über Deutschland pro Jahr ca. 600t an Treibstoff abgelassen. Allein die deutschen Fluggesellschaften (ohne die nicht-deutschen) haben 2019 ca. 9 Mrd (9 000 000 000) t Kerosin verbraucht. Das Notablassen von Treibstoff ist für den Verbrauch vernachlässigbar.

      • @Luftfahrer:

        Ja, mit den Fuel-Dumping-Mengen habe ich total daneben gegriffen. Für die reguläre Personenluftfahrt in Deutschland ohne Frachtverkehr gibt das Klimaschutzportal der Luftfahrtwirtschaft allerdings über 11 Milliarden Liter Kerosin für 2019 an. Das entspricht dem Ausstoß von einigen Millionen Werlte Anlagen. Ist ja dann nicht weniger abtrus.