piwik no script img

BND hörte russischen Funkverkehr abBeweise für Kriegsverbrechen

Der Bundesnachrichtendienst hörte die Kommunikation zwischen russischen Soldaten ab. Diese weisen auf Gräueltaten in Kiewer Vororten hin.

Eine ehemalige Abhörbasis der NSA in Bad Aibling Foto: imago

Berlin taz | Bis heute dementiert die russische Regierung, Kriegsverbrechen in der Ukraine begangen zu haben. Vor allem die Leichen Dutzender ukrainischer Zivilisten im Kiewer Vorort Butscha widersprechen dem. Und nun liegen auch dem Bundesnachrichtendienst (BND) Funksprüche und Satellitenbilder vor, die solche Verbrechen von russischen Streitkräften in Kiewer Vor­orten belegen. Auch die Bundesanwaltschaft ermittelt dazu.

Der BND informierte über die Erkenntnisse am Mittwoch Abgeordnete vertraulich im Bundestag. In einem der abgefangenen Funksprüche soll nach taz-Informationen ein russischer Soldat schildern, wie er mit Kollegen eine Person auf einem Fahrrad erschossen habe. In einem weiteren sollen russische Streitkräfte sich besprechen, Gefangene zunächst zu befragen und dann zu erschießen. Die Funksprüche sollen indes nicht aus Butscha stammen, sondern aus einem anderen Kiewer Vorort.

Zu Butscha liegen dem BND aber Satellitenbilder vor, die zeigen, dass schon vor dem Abzug russischer Truppen Leichen auf den Straßen lagen. Ein Sprecher von Kanzler Olaf Scholz bestätigte, dass die Bilder zwischen dem 10. und 18. März aufgenommen worden sind. Sie zeigten bereits da Opfer in der Jablunska-Straße, von denen später Videos um die Welt gingen. Die russischen Streitkräfte waren laut Augenzeugen seit dem 7. März in der Stadt und zogen erst am 30. März wieder ab.

Putins Regierung hatte behauptet, die Leichen seien erst nach dem russischen Abzug aufgetaucht und die Ukraine habe diese für westliche Medien „inszeniert“. Ein Sprecher von Kanzler Olaf Scholz sagte, angesichts der Satellitenbilder sei Russlands Behauptung „nicht haltbar“. Vielmehr wiesen die Erkenntnisse auf „gezielte Tötungen durch Einheiten der russischen Streit- und Sicherheitskräfte“ in der Ukraine hin. Dies belege, dass Putin Kriegsverbrechen „mindestens billigend in Kauf genommen hat“. Die Leichen von Butscha waren teils gefesselt aufgefunden worden, einige wiesen Spuren von Folter auf.

Kriegsverbrechen gegen ukrainische Zivilisten

Auch die Bundesanwaltschaft leitete bereits am 8. März ein Strukturermittlungsverfahren zu möglichen Kriegsverbrechen in der Ukraine ein. Es bestünden „konkrete Anhaltspunkte für möglicherweise bereits begangene Kriegsverbrechen gegen ukrainische Zivilisten sowie zivile Objekte“, sagte eine Sprecherin der taz. Mit den Ermittlungen wurde die Zentralstelle für die Bekämpfung von Kriegsverbrechen (ZBKV) im Bundeskriminalamt beauftragt, die zuletzt zu Kriegsverbrechen in Syrien ermittelte. Der BND soll dem Bundestag zugesichert haben, seine Erkenntnisse nationalen und internatio­nalen Ermittlungsbehörden zu übermitteln.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) unterstrichen zuletzt, dass sich Deutschland an der Aufklärung von Kriegsverbrechen in der Ukraine beteiligen werde. Verantwortliche für die Verbrechen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Beide riefen Geflüchtete aus der Ukraine dazu auf, mögliche Verbrechen deutschen Polizeibeamten zu schildern oder ihnen entsprechende Handyaufnahmen zu übermitteln. Faeser erklärte, es deute alles darauf hin, dass Putins Armee in der Ukraine „furchtbare Kriegsverbrechen“ begehe.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Metadaten von Videos, Satelliten- und Überwachungsdrohnenaufnahmen, Protokolle abgehörter Planungen zu mörderischen Verbrechen wie bei übelster Bandenkriminalität. Was braucht es für den Kreml noch an Beweisen, dass der Westen es ernst nimmt mit der Anwendung des Völkerstrafrechts? Die Leichenfunde werden nach forensischer Analyse gerichtsfeste Fakten liefern, die Compliance der russischen Truppenführung für die spätere Aufklärung der Abläufe ist nicht irrelevant, aber wohl illusionär. Wenn Menschen in Uniform zu meuchelnden Bestien im Land des Schwester- und Brudervolkes mutieren, wollte ich sie zukünftig nicht als Nachbarn haben, nicht in Russland und nicht auf Reisen bei Begegnungen. Daher ist auch die russische Zivilbevölkerung gefragt in Angelegenheiten der Rechtspflege, mit den vom Kreml verlautbarten Worten zur "Säuberungsaktion". Da Abhörprotokolle vorliegen, kann man in der digitalisierten Welt sicher auch Verknüpfungen herstellen, bis hin zur späteren Enttarnung per Gesichtserkennung und Identifikation per Biometrie. Das Netz vergisst nicht.



    //



    taz.de/Kuenstliche...im-Krieg/!5843172/



    //



    taz.de/Gesichtserk...-im-Netz/!5655672/



    //



    taz.de/Experte-ueb...rkennung/!5777930/



    //



    [Frag doch mal die Maus (z.B. die beim NSA)!]

  • Ist das der gleiche Geheimdienst, der mit seinen Falschinformation seinerzeit den Vorwand für den Irak-Krieg geliefert hat?

    Dann sollten wir dieses Mal ganz genau hinschauen ....

    • @neu_mann:

      Es sind ja nicht die einzigen Beweise, es gibt Video und Satelliten Aufnahmen, Zeugenaussagen etc. Das ist das vermutlich best dokumentierte Kriegsverbrechen der Geschichte.

    • @neu_mann:

      Nein, dass war der US-Geheimdienst, aber ja, wie in jedem Ermittlungsverfahren und erst recht in jedem Prozess muss ganz genau hingeschaut werden.

  • Entsprechende Schilderungen über amerikanische Soldaten haben Julian Assange 175 Knast eingebracht. Gut, wenn man auf der anderen Seite des Zauns ist wenn man sowas publiziert.