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Wissenschaftler im LobbyregisterInteressenskonflikte offen legen

Auch Wissenschaftler sollen im Lobbyregister des Bundestags gelistet werden. Diese sind damit überhaupt nicht einverstanden.

Aktuell wird ein neues Lobbyregister für den Deutschen Bundestag aufgestellt Foto: Claudio Divizia/imago images

Berlin taz | Wenn Wissenschaftler fachlich fundierte Ratschläge geben, sprechen sie dann für die Allgemeinheit oder vertreten sie spezifische Eigeninteressen und werden damit zu Lobbyisten? Diese Frage wird derzeit bei der Aufstellung eines Lobbyregisters für den Deutschen Bundestag diskutiert. Eine Wissenschaftler-Inititiative sammelt Stimmen für eine Petition an das Parlament, um eine Präzisierung des Lobbyregister-Gesetzes, das zum Jahresbeginn 2022 in Kraft trat, zu erreichen.

Angestoßen wurde die Initiative von Wissenschaftlern des BICC (Bonn International Centre for Conflict Studies). Sie halten es für einen „fatalen Fehler“ des Gesetzes, dass sich in das Register neben Interessenverbänden und Wirtschafts-Consultants auch wissenschaftliche Einrichtungen und einzelne Wissenschaftler eintragen lassen müssen. Ausgenommen von der Registrierungspflicht sind lediglich Sachverständigenräte und Expertengremien, die von der Bundesregierung einberufen wurden.

Nur mit einem Eintrag in das Lobbyregister bekommen Organisationen und Personen künftig die Erlaubnis, in den Austausch mit Leitungsebenen von Exekutive und Legislative zu treten. Durch diese Transparenz-Regel soll die verdeckte Beeinflussung der politischen Entscheidungsträger verhindert werden.

„Wissenschaftliche Politikberatung ist keine Sammlung von persönlichen, parteipolitisch oder anders gefärbten Meinungen und schon gar nicht eine politische Beeinflussung aus ökonomischen Interessen oder aus gesellschaftlichen und Standesvertretungen“, begründen die beiden BICC-Direktoren Conrad Schetter und Marc von Boemcken ihren Vorstoß. Die Wissenschaft verfüge auf ihrer Seite über „eingeübte Prozesse und solide Standards“, die eine Qualitätskontrolle der Forschung und ihrer Übersetzung in Politikempfehlungen gewährleiste.

Zu den Unterstützern gehört auch das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE). „Die unlautere Einflussnahme auf politische Prozesse und Entscheidungen zu unterbinden, ist eine wichtige Aufgabe in einer Demokratie“, betont das DIE in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung.

Mehr Differenzierung gefordert

„Aber die Entscheidung des Bundestags, dass sich auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in ein Lobbyregister eintragen müssen, ohne auf den Unterschied zwischen strategisch-motiviertem Lobbyismus und wissenschaftlich-basierter Beratung hinweisen zu können, verkennt den wissenschaftlichen Beratungsauftrag vieler dieser Institutionen“, kritisiert DIE-Direktorin Anna-Katharina Hornidge. Die wichtige Grenzziehung zwischen Lobbyismus und Wissenschaft werde vom Gesetz aufgeweicht, weil „zwischen strategischer, wirtschaftlicher oder politischer Interessensvertretung und wissenschaftlicher Beratung“ nicht differenziert werde.

Eine andere Auffassung vertritt die zivilgesellschaftliche Organisation „Transparency Deutschland“, die seit ihrer Gründung gegen die verdeckte Beeinflussung staatlicher Instanzen zu Felde zieht. „Anders als von der Petition dargestellt, werden Wis­sen­schaft­le­r:in­nen und Wissenschaftseinrichtungen durch das derzeitige Lobbyregister-Gesetz nicht pauschal als Lob­by­is­t:in­nen gekennzeichnet“, erklärte Norman Loeckel, Leiter der Arbeitsgruppe Politik von Transparency Deutschland, auf Anfrage der taz. Wenn Wis­sen­schaft­le­r:in­nen zum Beispiel vonseiten des Bundestags um Expertise gefragt werden, müssten sie sich derzeit nicht ins Lobbyregister eintragen.

Eine andere Sachlage ergibt sich, wenn die Wissenschaft von sich aus aktiv wird, um Gesetzgebung und Politik zu beeinflussen. „Dann ist sie auch eine Interessenvertreterin“, erläutert Loeckel. Das könne durchaus für eine gute Sache sein.

„Aber auch die Interessenvertretung für eine gute Sache ist am Ende noch Interessenvertretung und darf nicht im Geheimen stattfinden“, so der Vertreter von Transparency Deutschland. Andernfalls schaffe man nur „eine Umgehungsmöglichkeit für das Lobbyregister, indem zum Beispiel Unternehmen öffentliche und private wissenschaftliche Organisationen oder Forscher beauftragen können, um verdeckt Lobbyarbeit zu betreiben“.

Die Petition wurde am 24. Februar beim Bundestag eingereicht und kann bis zum 14. April von Unterstützern mitgezeichnet werden. Für eine Anhörung vor dem Petitionsausschuss werden 50.000 Unterstützer benötigt.

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7 Kommentare

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  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    Die grundlegende Frage ist zunächst einmal, ob man möchte, dass Wissenschaftler ungefragt mit ihrer Expertise an die Politik herantreten. Zumindest für Einzelpersonen stellt die Eintragung in ein Register definitiv eine Barriere dar. Denn wenn man etwa sieht, mit welchen Anfeindungen Christian Drosten konfrontiert wird, der nichts anderes macht als eine wissenschaftliche Expertise beizusteuern, dürfte manchem Wissenschaftler die Lust darauf vergehen, seine Sichtweise an Politiker heranzutragen, wenn er sich dafür in die Schusslinien politischer Akteure begeben muss. Dies dürfte in ganz besonderem Maße für sehr umstrittene und emotional diskutierte Themen gelten, bei denen die nüchterne Perspektive von Wissenschaftlern besonders hilfreich sein kann.

    Insgesamt dürfte die Wirksamkeit dieses Registers sicher überschätzt werden. Denn wenn man nicht mit dem Büro von Abgeordneten Kontakt aufnehmen kann, trifft man sich eben zum Mitagessen.

  • Politiker informieren sich VOR einer Entscheidung selbst & hoffentlich UMFASSEND!



    Wenn das zu umfangreich oder zu komplex wird. holen sie sich fachlichen Rat, bei Betroffenen.



    Das können Industrievertreter, NGO's oder Wissenschaftler sein!



    Auch andere externen Experten, die über Fachwissen in diesem Bereichen verfügen!



    .



    Das ist mMn. zu vergleichen mit jeder ANDEREN Recherche gleich, was für eine Entscheidung vorbereitet wird, in welcher einer Entscheidung die endet!



    .



    Es gibt mMn. keinen Grund, warum dabei nicht ALLE QUELLEN, gleich ob das Personen, Texte, usw sind, die in eine Entscheidung einbezogen wurden, genannt werden sollen.



    .



    Auch Wissenschaftler sind "in ihrem fach" subjektiv, haben Interessen usw.



    .



    Objektive Informationen mal von Naturgesetzen abgesehen, gibt es nicht!



    .



    Warum DIE dann nicht als Quelle genannt werden wollen, gerade in einer Zeit in der wiss. gehört werden (in Text, Wort, Zitat usw) in der Wissenschaft lebenswichtig ist, entzieht sich meinem Verständnis.



    Gr Sikasuu



    Ps. Nicht jeder Ratgeber ist ein Lobbyist, aber Lobbyisten sind oft einseitige Ratgeber!

  • „Wissenschaftliche Politikberatung ist keine Sammlung von ... Meinungen und schon gar nicht eine politische Beeinflussung ...“

    Ja, dann ist ja alles gut - und sich in das Register eintragen zu lassen ist dann ja erst recht kein Problem, nicht wahr ?

  • In meinen Augen eine abwegige Idee. Wissenschaftliche Politikberatung ist heute nirgendwo mehr wegzudenken, sei es bei Verbänden, Parteien, Gewerkschaften oder NGO's. Die Grenze zwischen "guter" Beratung und "bösem" Lobbyismus ist völlig willkürlich und wird oft nur danach gezogen, wie man persönlich zu den jeweiligen Inhalten steht. Dass man etwas wissenschaftlich unterstützt, womit man sich auch inhaltlich identifiziert, liegt ohnehin auf der Hand. Im Wissenschaftsbetrieb kann ich mich nicht mal so, mals so äußern, ohne die eigene Glaubwürdigkeit völlig zu untergraben. Im Endeffekt läuft ein solches Register darauf hinaus, dass man sich mit Wissenschaftlern, die in ein bestimmter Weise gelabelt worden sind, nicht mehr inhaltlich auseinandersetzt, weil einem die ganze Richtung missfällt - letztlich ein wissenschaftsfeindlicher Gedanke.

    • @Schalamow:

      "Die Grenze zwischen "guter" Beratung und "bösem" Lobbyismus ist völlig willkürlich "



      Das ist -gelinde gesagt- Quatsch.

      Es gibt objektive Kriterien.



      Z.B. sagt ein Berater wer ihn bezahlt und in welcher Rolle er dort ist.

      Z.B. informiert ein Berater möglichst objektiv über die verschiedenen Aspekte des Themas

      Z.B. vertritt ein Berater seinen Standpunkt mit transparenten und ehrlichen Argumenten.

      Z.B. verzichten ein Berater auf Drohkulissen und Katastrofenszenarien

      Alle, die das nicht tun sind Meinungsmacher (vulgo: Lobbiisten)

  • Es ist davon auszugehen, dass die Wissenschaft nichts zu verbergen hat, sich allein auf Fakten stützt. Daher stellt sich in diesem Kontext die Frage, "hat die Wissenschaft etwas zu verbergen², warum sich deren Vertreter in kein Lobbyregister eintragen wollen?



    Oder stellt eine von sich aus vorgenommene Kontaktaufnahme zur Politik nicht grundsätzlich schon die Absicht einer Beeinflussung dar?



    Wissenschaft sollte sich selbst der Transparenz verpflichtet fühlen. Alles andere macht Wissenschaft unglaubwürdig.

    • @Sonnenhaus:

      Natürlich geschieht eine von sich aus vorgenommene Kontaktaufnahme in der Absicht Einfluss zu nehmen.



      Aber die Frage ist, ob hierbei lautere Mittel eingesetzt werden oder nicht.