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Steigende Spritpreise in Deutschland„Tankrabatt“ erhitzt die Gemüter

Finanzminister Lindner will den Spritpreis unter zwei Euro drücken. Das stößt bei den Grünen auf Kritik: Sie sind für Entlastungen anderswo.

Er steigt und steigt: Preistafel einer Tankstelle in Freiburg im Breisgau am vergangenen Freitag Foto: Philip von Ditfurth/dpa

Berlin taz | Die steigenden Kraftstoffpreise heizen die politische Debatte um eine Entlastung der Au­to­fah­re­r*in­nen weiter an. Nachdem Benzin und Diesel vielerorts inzwischen über 2,20 Euro pro Liter kosten, ist es auch bei Finanzminister Christian Lindner mit der Haushaltsdisziplin vorbei. Die Bild-Zeitung berichtete am Montag, der FDP-Chef plane einen „Tankrabatt“, mit dem der Benzinpreis wieder unter zwei Euro fallen soll. Umgesetzt werden solle dies über einen Sofortrabatt an der Tankstelle, der den Betreibern ersetzt werde, wenn sie die Quittungen einreichten.

Die genaue Höhe bestätigte das Ministerium nicht, wohl aber die grundlegenden Pläne; ein „Tankrabatt“ komme „direkt bei den Menschen an“ und sei ein „guter pragmatischer Vorschlag“, erklärte Finanz-Staatssekretärin Katja Hessel. FDP-Fraktionschef Christian Dürr nannte im Fernsehsender ntv einen Spritpreis von unter zwei Euro als Ziel, was einem Rabatt von mindestens 20 Cent entsprechen würde.

Damit wird das Problem nicht gelöst, dass unser Energie­durst zu groß ist

Müller-Görnert, Verkehrsclub

Die Unionsfraktion, die bei anderen Preisen stets auf den Markt vertrauen will, überbot diesen Vorschlag am Montag noch einmal deutlich: Fraktionsvize Jens Spahn erklärte, die Preissenkung müsse „mindestens 40 Cent pro Liter“ betragen. Auch von der Linkspartei bekam Lindner Unterstützung. Der Bundestagsabgeordnete Christian Görke, früher Finanzminister in Brandenburg, ist der Auffassung, dass der „Tank-Rabatt“ in die richtige Richtung geht, aber „bei weitem“ nicht reiche. „Er ist zu niedrig, zu pauschal, zu bürokratisch und betrifft zu wenige Energieträger“, sagte er. Görke fordert eine Mehrwertsteuersenkung auf 7 Prozent. Denn wenn die Preise weiter steigen, verpuffe der starre 20-Cent-Rabatt.

Dagegen halten Ökonomen wie der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Marcel Fratscher nichts von einer Deckelung des Spritpreises – aus sozialen Gründen. Das sei eine „Umverteilung von unten nach oben, vor allem Besserverdiende profitieren“, schrieb er auf Twitter. Denn Menschen mit geringem Einkommen hätten oft kein Auto. Die Politik müsse daher bei Hilfen für Heiz- und Grundkosten sowie steigende Nahrungsmittelpreise ansetzen, forderte er.

Billigere Tickets für Busse und Bahnen statt Spritrabatt

Auch ökologisch orientierte Verbände lehnen den Vorstoß ab. „Damit wird das Problem nicht gelöst, dass unser Energiedurst zu groß ist“, sagte Michael Müller-Görnert vom ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD). Gleichzeitig würden mit einer Spritpreisdämpfung die bestehenden Strukturen zementiert, die auf den individuellen Autoverkehr ausgerichtet sind. „Es wäre besser, das Geld in die Verkehrswende zu stecken“, sagte er. Menschen mit wenig Einkommen, die von den hohen Spritpreisen überfordert werden, müsse der Staat allerdings helfen, betonte Müller-Görnert. „Härtefälle müssen zielgenau entlastet werden“, sagte er. Der VCD schlägt dafür ein Mobilitätsgeld für alle Bür­ge­r:in­nen vor, das die Pend­le­r:in­nen­pau­scha­le ablöst. Denn von der gerade erhöhten Pend­le­r:in­nen­pau­scha­le profitieren vor allem Gutverdienende.

Der Naturschutzbund Deutsch­land ist ebenfalls gegen die Lindner-Idee. „Ein Spritpreis-Rabatt wäre ein teures Subventionsinstrument, das höheren Verbrauch fossiler Energieträger fördert, anstatt Energie einzusparen“, sagte NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Stattdessen plädiert er für billigere Tickets für Busse und Bahnen. „Um den Menschen kurzfristig günstige Alternativen zur Verfügung zu stellen, sollten temporär flächendecke Ein-Euro-Tickets für den öffentlichen Nahverkehr angeboten werden und die Mehrwertsteuer für Bahntickets entfallen.“ Krüger fordert außerdem eine Entlastung für Menschen mit geringem Einkommen und kritisiert, dass sich die Bundesregierung auf Betreiben von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) gegen eine Verschärfung der Verbrauchsgrenzwerte von Pkws gewandt hat. „Strengere CO2-Flottengrenzwerte würden verhindern, dass weiter neue Spritschlucker auf die Straße kommen und so Geldbeutel und Klima gleichermaßen entlasten.“

Auch der Naturschutzverband BUND ist dagegen, den Spritpreis staatlich zu dämpfen. „Ein Tankrabatt doktert nur an den Symptomen herum, senkt kurzfristig die Preise, ohne nachhaltig zu sein“, kritisiert BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock. Der BUND fordert wie nahezu alle Naturschutzverbände und zahlreiche NGOs von der Bundesregierung die umgehende Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen von 100 Stundenkilometern sowie eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Landstraßen von 80 Stundenkilometern. Damit würden Au­to­fah­re­r:in­nen nach Angaben des Umweltbundsamts im Jahr zwischen 3,5 Milliarden und 4,2 Milliarden Euro an Spritkosten sparen.

Wichtiger als die Einschätzungen aus Wissenschaft und Verbänden dürfte allerdings sein, wie Lindners Koalitionspartner auf die Vorschläge zur Benzinpreissenkung reagieren. Während es aus der SPD am Montag auffallend still blieb, gingen die Grünen deutlich auf Distanz zum vorgeschlagenen Benzinpreisrabatt. Parteichefin Ricarda Lang erklärte, der Preisanstieg bei Lebensmitteln und Gas sei für viele Menschen viel problematischer als der Benzinpreis. Zudem müsse sichergestellt werden, dass von Entlastungen vor allem ärmere Haushalte profitieren. „All das findet sich im Moment in dem Vorschlag von Herrn Lindner noch nicht wieder“, sagte Lang. Sie erneuerte die Grünen-Forderung nach einem Energiegeld, das pro Kopf in gleicher Höhe ausgezahlt werden soll.

Ein Sprecher von Wirtschaftsminister Robert Habeck erklärte, dass ein Entlastungspaket Strom, Wärme und Mobilität und auch Energieeffizienz und marktwirtschaftliche Elemente umfassen müsse. Auch diese technisch klingenden Bedinungen lassen sich eigentlich nur als klare Absage an eine pauschale Benzinpreissenkung verstehen.

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10 Kommentare

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  • "Bei der Erneuerung unseres Landes kommt es allerdings nicht auf staatliche Subventionen an, sondern auf private Investitionen. "

    "Wir dürfen uns keiner Illusion hingeben, denn Subventionen aus Mitteln der Steuerzahler stehen nur begrenzt zur Verfügung."

    "Wir sollten uns aber vor neuen Subventionen hüten."

    "Konflikte und Widersprüche werden mit Geld zugeschüttet. Das macht den Staat groß, ineffizient und teuer."

    "Politiker versuchen populär zu werden, indem sie das Geld wie im rheinischen Karneval mit vollen Händen unter die Leute werfen. Wir sind aber nicht in einer Zeit, in der wir zusätzliche Subventionen, Progrämmchen und vergrößerte Ministerien brauchen. Wir sollten das Geld sparen und dort Schwerpunkte setzen, wo Zukunft gemacht wird. Und das bleibt völlig aus."

    So Lindner-Zitate, anstrengungslos im Netz gefunden.

    Außerdem ist der Hartz-4-Satz zu hoch, ebenso der Spitzensteuersatz, überhaupt regeln alles die Kräfte des Freien Marktes am allerbesten, der Staat - insbesondere der Finanzminister - soll sich möglichst klein machen, weil der Staat nicht mit Geld umgehen kann.

    Ich würd's schön finden wenn er seine 80er-Jahre-Meinung abgelegt hätte und sich ein Stück weit der Sozialen Marktwirtschaft angenähert hätte - vermute jedoch dumpfen Populismus.

  • Wer hat denn auch geglaubt, dass nach Jahrzehnten der Abhängigkeit von Öl und PKW der Entzug angenehm werden würde. Man ist eben "angewiesen" aufs Auto, ein Leben ohne ist gar nicht mehr denkbar und wenn der nächste Schuss aus der Zapfpistole zu teuer wird werden eben Schulden gemacht. Die kann dann die nächste Generation abzahlen weil sie mit Minimum 2,7 Grad Erderwärmung noch nicht genug von uns erbt. Wer will von Abhängigen schon Rücksicht und Reflexion erwarten wenn der Druck zu groß wird.

    • @Ingo Bernable:

      > Man ist eben "angewiesen" aufs Auto, ein Leben ohne ist gar nicht mehr denkbar und wenn der nächste Schuss aus der Zapfpistole zu teuer wird werden eben Schulden gemacht.

      Viele Leute sind eben auch nicht bereit, einzusehen, dass man es sich selber ausgesucht hat, wo man wohnt und arbeitet, und welche Wege man da zurück legen muss.

      Klar, wenn man unmittelbar von Arbeitslosigkeit bedroht ist und ALG1 ausläuft, muss man nehmen was man kriegt. Aber man ist ja nicht dazu verurteilt, es dabei zu lassen, wenn man dann 20 oder 30 Kilometer fahren muss. Gerade wenn der Stoff von der Tankstelle sowieso schon teuer für einen ist.

      Und daher geht es hier auch gar nicht um Wohltaten für wenig Verdienende. Worum es geht. sind nichts anderes als Subventionen für die Autoindustrie, die es sich nicht geschafft hat. sich an veränderte Umstände anzupassen, und die daher das Schicksal der Dinosaurier ereilen wird, und zwar zurecht.

  • Subventionen werden den Spritpreis nur weiter steigen lassen, denn letztlich ist das Angebot momentan zu knapp, und daher steigt der Preis so sehr, dass nur noch Reiche ihn bezahlen können. Dieser Endpreis könnte je nach Versorgungslage auch noch um ein Vielfaches höher liegen.

    Für viele Menschen mit normalen Mobilitätserfordernissen, die nicht viel verdienen, dürften stark verbilligte ÖPNV Tickets die beste Lösung sein.

    Aber natürlich brauchen Krankenschwestern im Schichtdienst, Handwerker und Spediteure Sprit, bis wir Ersatzsysteme aufgebaut haben.

    Die Nachfrage senken lïesse sich durch Tempolimits wie Tempo 100 auf der Autobahn und Tempo 30 in der Stadt, und Fahrverbote für unnötig sehr schwere Fahrzeuge und mit nur einer Person besetzten PKWs. Das wird aber nicht reichen.

    Im Grunde brauchen wir eine Rationierung, um die knappen Ressourcen Treibstoff und CO2 so zu verteilen, dass sie gesellschaftlich größtmöglichen Nutzen bringen und unsere Wirtschaft vor einem Kollaps zu bewahren. Der Markt wird das nicht regeln.

  • Wemmer was für die einkommensarmen Autonutzer*innen machen wollte, müsste mensch die Pendlerpauschale umstricken, also weg von der Erhöhung des lohnsteuerfreien Einkommensbetrags hin zu ner direkten Rückvergütung incl. nem Aufschlag fürs "Kindertaxi Mama/Papa/Oma/Opa".



    Und für Rentner und sonstwie wegen diverser Beeinträchtigungen aufs Auto angewiesene dito.



    Steuern weg ist Käse und die sich durch erhöhte Spritpreise anteilig mitinflationierenden Güterkosten liegen eh im Geltungsbereich von Lohn- und Rentenerhöhungen.

    • @Hugo:

      > Wemmer was für die einkommensarmen Autonutzer*innen machen wollte, müsste mensch die Pendlerpauschale umstricken,

      Man müsste sie so umstricken, dass so jemand wie ich, der bewusst ohne Auto auskommt, und sich Arbeits- und Wohnort bewusst und selbstverantwortlich so gewählt hat, dass ich in 25 Minuten mit dem Rad hin komme, da nicht noch drauf zahlt und andere Leute mit finanzieren muss, die das irgendwie nicht auf die Reihe kriegen.

      Und nein, weil ich Fahrrad fahre, bin ich nicht reicher als PKW-Besitzer, es ist hochgradig unfair wenn ich die Porschefahrer noch mit finanzieren muss.

      • @jox:

        Und was hat jetzt der porschefahrende Pendler, welcher unter ner halben Stunde einfach mit dem Drahtesel unterwegs sein könnte, mit den von mir erwähnten Mitmenschen zu tun?



        (Mal am Rande; Du kannst Deine Steuerlast mindern mittels der Pendlerpauschale.)

  • Eine Plage, diese FDP.

  • War klar, wenn es ums Auto geht, ist dem Deutschen der Ukraine völlig huppe. Pantoffelhelden die härteste Maßnahmen bis hin zum Risiko eines Atomkrieges fordern, jammern kläglich, wenn sie ein paar Meter zu Fuß, mit dem Rad oder per ÖPNV machen



    sollen. Erbärmlich.

    • @guzman:

      Selbst ein Tempolimit, das alle Geld spart, Preise senkt, Staus vermindert, und dem Klima nützt, wird abgebügelt.

      Heroinsüchtige könnten sich nicht destruktiver verhalten.