LNG-Terminal in Brunsbüttel: Die Brücke, die zu spät kommt
Durch den Ukraine-Krieg bahnt sich ein großer Konflikt zwischen Schleswig-Holsteins SPD und Grünen an. Es geht um den Bau eines Flüssiggas-Terminals.
Eka von Kalben, Grünen-Fraktionschefin in Schleswig-Holstein
„Wir brauchen eine Energieversorgung, die uns unabhängig vom russischen Gas macht“, sagt Serpil Midyatlı, SPD-Fraktionsvorsitzende. Ihre Fraktion hat beantragt, das Vorgehen Russlands zu verurteilen und gleichzeitig als Land „einen eigenen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten“ – unter anderem durch ein Bekenntnis zum geplanten LNG-Terminal in Brunsbüttel.
„Uns ist klar, dass das Terminal nicht morgen auf den Weg kommt, und wir sind uns bewusst, dass es nur eine Brückentechnologie auf dem Weg zu erneuerbaren Energien ist“, betont Midyatlı. Doch auch für die Transformation brauche es Energie.
Lob für diese Haltung gibt es von CDU-Fraktionschef Tobias Koch: „Ich habe immer deutlich gemacht, dass wir diese Brückentechnologie brauchen.“ Flüssiggas, also gekühltes und besonders energiereiches Erdgas , sei etwa für die Schifffahrt im Vergleich zu Diesel „ein Fortschritt“, so Koch. „Und unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit haben wir eine denkbar schlechte Position, wenn wir von russischem Gas abhängig sind.“
SPD-Antrag ein „billiges Manöver“
Für die Grünen, die mit CDU und FDP die Jamaika-Regierung bilden, sei der SPD-Antrag dagegen ein „billiges Manöver“, so Fraktionschefin Eka von Kalben. Schließlich habe die SPD im Land und Bund lange mitregiert und hätte die Weichen anders stellen können. Von Kalben steckt in einem Zwiespalt: Nachdem der aus Schleswig-Holstein stammende Bundesminister Robert Habeck sich pro LNG ausgesprochen hatte, stimmte ein Landesparteitag gegen das Terminal – und motzte gegen die Führung.
Bei Temperaturen unter –162 Grad Celsius wird Erdgas unter atmosphärischem Druck flüssig. Es entsteht Liquefied Natural Gas (LNG, Flüssigerdgas). Als klare, geruchlose und extrem energiereiche Flüssigkeit lässt sie sich leichter transportieren als Gas, da das Volumen bei der Verflüssigung um das 600-fache sinkt. Die größten LNG-Tanker nehmen bis zu 250.000 Kubikmeter LNG auf.
Auch Biomasse lässt sich zunächst in Biogas und dann in LNG umwandeln.
Nachteile des fossilen Roh- und Brennstoffes: Die Umwandlung ist sehr energieaufwendig, es sind hohe Sicherheitsauflagen nötig und es gehen bei der Verarbeitung bis zu fünf Prozent des klimaschädlichen Hauptbestandteils Methan verloren.
„Ich bin froh über unsere aktive Basis“, sagte Eka von Kalben. Bei der aktuellen Abstimmung im Landtag hat die aber nichts zu sagen, es gilt der Koalitionsvertrag, der sich für das Terminal ausspricht. „Wir sind vertragstreu bis zum letzten Tag“, betont von Kalben.
Nach dem Wahltag am 8. Mai muss neu verhandelt werden, dann gelte für die Grünen der Parteitagsbeschluss, so von Kalben. Sie glaubt nicht an die Wirtschaftlichkeit des Betriebs: „Wenn wir bis 2035 die Energiewende schaffen wollen, müssen wir weg vom Gas, und dieses Terminal kann frühestens 2026 fertig sein. Wer baut so etwas für zehn Jahre?“
Reinhard Knof vom „Klimabündnis gegen LNG“ sagt es noch deutlicher: „Diese Brücke führt ins Nichts. Da entsteht für viel Geld eine Bauruine.“ Keines der Argumente für LNG hält er für stichhaltig: Anstelle von flüssigem Erdgas könne die Schifffahrt auf Ammoniak umstellen – in diese Richtung plant die Großreederei Maersk.
Begeisterung für Großprojekt LNG sinkt
Und die Angst, zu abhängig von russischem Gas zu sein, sei selbst verursacht, schließlich gehören zahlreiche deutsche Speicher über Tochterfirmen Gazprom: „Die Knappheit wurde sehenden Auges künstlich herbeigeführt – da brauchen wir nicht über LNG reden“, sagt Knof. „Ich verstehe nicht, warum die Industrie da nicht lauter Alarm schlägt.“
Tatsächlich scheint die Begeisterung für das Großprojekt LNG auch bei der Industrie zu sinken. Die niederländische Firma Vopak, der größte Investor in der Projektgesellschaft German LNG Terminal GmbH, hat sich teilweise zurückgezogen und ist nur noch passiv bei dem 500-Millionen-Euro-Projekt dabei.
Auch eine neue bürokratische Hürde hat sich aufgebaut: Die Stadt Brunsbüttel hat im Januar eine Änderung des Bebauungsplans für das Grundstück zwischen Müllverbrennungsanlage und AKW abgelehnt. Und er alte B-Plan verbietet, einen weiteren potenziell störfallanfälligen Betrieb anzusiedeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen