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Einsames Sterben im KrankenhausSingend fuhr er in die Klinik

Ein Familienvater wird operiert. Wegen der Pandemie darf seine Familie nicht zu ihm. Der Mann stirbt – und seine Tochter quälen nun schmerzvolle Fragen.

Sein Leben lang war der Vater unserer Autorin der starke Mann, der immer alles im Griff hatte Foto: Richard Baron/plainpicture

Es ist ein Dienstagabend im Januar, ich spreche gerade mit einem Freund, als meine Mutter bei mir anruft. Ich überlege, ob ich drangehen soll, und entscheide mich dagegen. Ich bin müde und gerade mit mir selbst beschäftigt. Außerdem: Was soll schon sein?

Am nächsten Tag ruft mein Bruder an. Er war mal Rettungssanitäter, vermutlich klingt seine Stimme deshalb so ruhig und professionell. Er sagt: „Der Senior ist heute Morgen bewusstlos in seinem Krankenhauszimmer aufgefunden worden.“ Ein Rettungsteam habe ihn reanimieren müssen und ihn vorübergehend in ein künstliches Koma versetzt. Am Nachmittag werde man versuchen, ihn „zurückzuholen“. Während mein Bruder spricht, weine ich los wie ein kleines Kind. „Nein, nein, nein“, höre ich mich immer wieder sagen. Ich kann nicht glauben, dass das gerade passiert.

Kurz vor Weihnachten hatte eine Ärztin einen Tumor in der Lunge meines Vaters entdeckt. Das Geschwulst war bösartig, aber ziemlich klein, gut abgekapselt und hatte nicht gestreut. Man entschied, es herauszunehmen.

„Aber er hat die OP doch gut überstanden!“, sage ich nach der schrecklichen Nachricht meines Bruders zu meiner Schwester. Und sie sagt einen Satz, der mir seither nicht mehr aus dem Kopf geht: „Ich darf gar nicht darüber nachdenken, wie alleine er die letzten Tage gewesen ist.“

Denn wegen Corona gilt in dem Krankenhaus, in dem mein Vater operiert wurde, seit Monaten ein Besuchsverbot. Nach Absprache seien für Angehörige von Schwerkranken und Sterbenden Ausnahmen möglich, lese ich nun – nachträglich – auf der Klinikhomepage. Ob diese Ausnahmeregelung auch schon existiert hat, als mein Vater seinen Klinikaufenthalt vorbereitete, kann ich nicht sagen. Ebenso wenig, ob sie auf ihn zugetroffen hätte. Sicher ist allein dies: Mein Vater ging nicht als Sterbender ins Krankenhaus. Sondern als ein Patient, auf den ein geplanter Eingriff zukam.

Hat mein Vater die Ärzte ab einem bestimmten Zeitpunkt gefragt, ob wir ihn vielleicht doch besuchen können? Ist ihm diese Bitte verwehrt worden? Oder hat er sich erst gar nicht nach einer möglichen Ausnahme von der strengen Regel erkundigt? Inzwischen weiß ich: Zu meiner Mutter hat er gesagt, wie furchtbar er es finde, ins Krankenhaus zu müssen und dort nicht besucht werden zu können.

„Kein Grund zur Panik“, war sein Motto

Mein Vater war 67, als er starb, und schon lange sehr krank. Für uns, seine Familie, fing es damit an, dass er meiner Mutter eines Tages eine Packung Herztabletten auf den Tisch legte. Die müsse er jetzt nehmen, sagte er. „Kein Grund zur Panik.“ Drei Jahre ist das her. Seitdem ging es mit seiner Gesundheit bergab.

Ich erinnere mich noch, wie mein einst so großer und starker Vater nach einem Streit mit mir plötzlich in sich zusammengesunken auf der Terrasse saß und in sein Bierglas starrte. Seine Schultern hingen nach vorne. Es sah so aus, als ob unser Wortgefecht ihm die letzte Kraft aus seinem Körper gezogen hätte. Nie zuvor hatte ich ihn so schwach gesehen.

Ich will mir gar nicht ausmalen, wie hilflos er sich gefühlt haben muss, als ihm, der so gerne im Discounter Schnäppchen machte, nun manchmal sogar der Einkaufskorb zu schwer wurde. Dann kam Corona und machte meinen Vater, den Juristen, der doch eigentlich immer alles im Griff hatte, von einem Tag auf den anderen zum Risikofall. Statt seine Mandanten zu treffen und mit ihnen über Scheidungen oder Strafsachen zu sprechen, war er zum Telefonieren, Herumsitzen und Tablettenschlucken verdammt. Das Kortison schwemmte sein Gesicht so sehr auf, dass ich ihn manchmal kaum noch wiedererkannte, und ließ ihn oft so lange schlafen, dass meine Mutter sich jeden Morgen erst einmal bang vergewisserte, ob er noch lebte.

Ich erinnere mich auch daran, wie wir an einem Sommertag in einem Biergarten saßen und ein Paar im Alter meiner Eltern hereinspazierte. Sie war so fit wie meine Mutter, er sehr schlecht zu Fuß. Mein Vater sagte, er habe Angst, auch so zu enden. Erst ein paar Tage zuvor war er bei einer Wanderung immer weiter hinter uns zurückgefallen. Ein an seiner körperlichen Verfassung zunehmend verzweifelnder Mann.

Ein paar Monate später erlitt er einen Schwächeanfall. Ein Rettungswagen brachte ihn ins Krankenhaus, und die vermeintlichen Herzprobleme erwiesen sich bei näherer Untersuchung als eine Lungenfibrose. Durch die fortschreitende Vernarbung des Gewebes fiel ihm das Atmen schwerer.

Ich kenne niemanden, der so viel geraucht hat wie mein Vater. Als er nach 25 Jahren endlich damit aufhörte, kaute er ein Kaugummi nach dem anderen. Erst Nikotinkaugummis, später die billigen Pfefferminzkaugummis von Lidl. Bald klebten sie unter jedem Tellerrand, auf Tischplatten, Bierdeckeln, Kopfkissen. In seinem Auto standen immer zwei Dosen, eine mit frischen und eine mit verbrauchten Kaugummis, wie mein Bruder eines Tages entsetzt feststellte, nachdem er sich beinahe eines aus der falschen Dose in den Mund geschoben hätte.

Ob das Rauchen der Auslöser für die Fibrose gewesen ist oder etwas anderes, weiß niemand. Fest steht: Mein Vater hat sich während seines Lebens nicht geschont und war meist mehr für andere da als für sich selbst. Das Männerbild seiner Generation steckte ihm in den Knochen: Er war derjenige, der anderen sagte, wo es langging, und er stand einem selbst dann mit Rat und Tat zur Seite, wenn man ihn gar nicht darum gebeten hatte. Als er selber Hilfe brauchte, zog er sich zurück, ließ niemanden an sich heran.

Mit einer Reisetasche verschwand er durch die Drehtür

Ich war für ihn die Frau mit der lila Tinte im Füller, weil ich mich mit Feminismus beschäftige. Wären wir uns als Gleichaltrige begegnet, hätten wir vermutlich unsere Schwierigkeiten mit­einander gehabt. Als Vater und Tochter aber haben wir uns sehr geliebt. Dass er jetzt für immer weg ist, ist auch deshalb so schwer zu ertragen, weil er seine letzten Tage ohne Familie und Freunde an einem Ort verbringen musste, der ihm wohl mehr Angst gemacht hat als alles andere auf der Welt.

Natürlich frage ich mich heute, ob die Operation bei seiner vorgeschädigten Lunge wirklich hätte sein müssen. „Er selbst hat das nicht hinterfragt“ – so erzählt es meine Mutter. Noch zwei, drei gute Jahre habe er sich gewünscht, in denen er seine Enkelkinder weiter aufwachsen sehen wollte. „Zum Glück war Charlotte mit im Auto, als ich ihn in die Klinik gebracht habe“, sagt meine Mutter. Charlotte ist meine einjährige Nichte. Auf der Fahrt ins Krankenhaus hörten sie Kinderlieder, und mein Vater, der auf der Rückbank saß, beugte sich nach vorne, in Richtung Kindersitz, und sang mit. Dann stieg er aus, gab beiden einen Kuss. Meine Mutter und Charlotte sahen ihm nach, wie er mit seiner Reisetasche durch die Drehtür des riesigen Betonbaus verschwand.

Seine letzten Tage zu Hause war mein Vater mit der Rationalität eines Juristen angegangen. Selbst über die Weihnachtstage, auf die er sich so gefreut hatte, weil wir da alle zusammenkamen, zog er sich in sein Arbeitszimmer zurück – um die Steuererklärung fertigzumachen. Er sagte zu mir: „Ich will vor der OP einfach alles erledigt haben, damit eure Mutter im Fall der Fälle nicht allein dasteht.“

Typisch Papa, dachte ich und schob das aufkommende panische Gefühl beiseite. Es ist doch nur ein minimalinvasiver Eingriff, beruhigte ich mich.

Zum Selbstverständnis meines Vaters gehörte aber auch, dass ihn niemand zum Arzt begleiten durfte. Nur er selbst wusste schließlich, wie es wirklich um ihn stand.

WLAN und Wunschdenken am Krankenbett

Die OP sollte in den frühen Morgenstunden stattfinden. Das war alles, was wir, seine Familie, die nicht bei ihm sein konnten, wussten. Danach ließ man uns warten: eine Stunde. Zwei Stunden. Es wurde Mittag. Nachmittag. Als sich endlich jemand bei meiner Mutter meldete, mit der Nachricht, dass alles gut verlaufen sei, war es draußen schon dunkel geworden.

Auch in den kommenden Tagen blieb uns nichts anderes übrig, als auf die seltenen Anrufe meines Vaters zu hoffen. Im Nachhinein kommen sie mir beinahe absurd vor. So ging es ihm in den ersten Gesprächen vor allem darum, dass wir ihm bei der Einrichtung seines WLAN-Zugangs helfen, damit er störungsfrei Fußball gucken konnte. Ich weiß noch, wie meine Schwester und ich darüber lachten. „Dann ist das Schlimmste wohl überstanden.“

Doch das war Wunschdenken, vermutlich auch bei ihm. Schon kurz nach dem Eingriff gab er sich alle Mühe, sich mit einem Rollator von einem Ende des Stationsflurs zum anderen zu schleppen. Meiner Mutter verriet er am Telefon, wie erschöpft er nach diesem einen Gang war. Er wollte, koste es, was es wollte, entlassen werden. Raus aus diesem schrecklichen Gebäude, nach Hause zu seiner Familie. Ein kühles Bier in seinem Arbeitszimmer trinken, das wir aus Spaß Kommandozentrale getauft hatten. Mit seinen Enkelkindern Quatsch machen.

Spätestens bei meinem letzten Telefonat mit ihm hätte ich hellhörig werden müssen. Es dauerte nur 21 Sekunden. Nie hatte er gerne telefoniert. Aber 21 Sekunden waren selbst für ihn ein Kurzzeitrekord.

Dann überschlugen sich die Ereignisse. Es kam eine Nacht, in der er halluziniert hatte, wie er meiner Mutter später am Telefon erzählte. Wieder und wieder rief er am nächsten Tag bei ihr an, und seine Stimme wurde von Gespräch zu Gespräch schwächer.

In einer anderen Zeit, jenseits der Pandemie, wenn Besuche möglich gewesen wären, hätte ich, hätten wir alle in so einer Situation alles stehen und liegen gelassen und wären zu ihm gefahren. Doch in dem Krankenhaus, in dem mein Vater lag, kamen wir nicht mehr an ihn ran.

Oder mache ich es mir damit zu einfach? Waren wir zu unbedarft? Hätten wir dieses Besuchsverbot viel stärker hinterfragen müssen?

Ob man uns erhört hätte, ist noch mal eine andere Frage.

An dem Tag, an dem er sich so schwach und schon so oft bei meiner Mutter gemeldet hatte, kam spätabends ein weiterer Anruf: Es gehe ihm sehr schlecht, flüsterte mein Vater. Meine Mutter solle bei meiner Tante anrufen, die Ärztin ist. Also klingelte meine Mutter meine Tante heraus, die wiederum bei meinem Vater anrief und aufgrund des Klangs seiner Stimme entschied, dass er sofort auf die Intensivstation müsse. Meine Tante telefonierte daraufhin mit einem befreundeten Kollegen, der in dem Krankenhaus arbeitet, in dem mein Vater lag, und der seine Kol­le­g:in­nen einschaltete, die meinen Vater noch einmal untersuchten. Sie entschieden, dass er trotz Fibrose, Lungen-OP und schwachem Herzen auf der Normalstation verbleiben sollte.

Später erzählte uns der Intensivarzt, der meinen Vater am nächsten Morgen reanimiert hatte, dass dieser noch selbst die Notklingel gedrückt habe. Doch da war es bereits zu spät. Obwohl er noch einmal wiederbelebt werden konnte, waren seine Organe zu stark geschädigt. Die lebenserhaltenden Maßnahmen wurden eingestellt.

Was bleibt?

Große Traurigkeit.

Und auch Wut.

Letzten Endes durften wir meinen Vater dann doch besuchen: Als er ohne Bewusstsein auf der Intensivstation vor sich hindämmerte, war es plötzlich möglich, zu fünft an seinem Bett zu sitzen und seine Hand zu halten – bis er starb. Ich hoffe, dass er ein klein wenig gespürt hat, dass er dabei dann doch nicht alleine war.

Als wir nach seinem Tod noch einmal mit der Klinik telefonierten, hieß es, dass wir gerne bei Gelegenheit in der Station vorbeikommen könnten. Man würde uns dort dann seine Reisetasche übergeben.

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39 Kommentare

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  • Als wäre es mein eigener Vater gewesen, denn auch er starb in der Corona-Zeit. Mit 66 Jahren an Multiorganversagen. Der einzige Unterschied: er starb nicht im Krankenhaus, sondern in den Armen meiner Mutter. Bereits bewusstlos als der Notarzt das 2. Mal an diesem Abend eintraf. Es war schon zu spät. 18 Monate vorher bekam er die Diagnose akute myeloische Leukämie. Schuld war das starke Rauchen und vll. auch das viele Bier. Ich hätte es eigentlich merken müssen, er hat ständig gefroren, trotz 25 Grad im Wohnzimmer. Hatte immer kalte Hände, war blass, müde, magerte immer weiter ab. Aber man will es nicht sehen als Kind (ich damals 36). Das wird schon wieder, sind bestimmt nur die Herztabletten, Papa ist doch stark - war er schon immer. Als Kind habe ich Klimmzüge an seinem Arm gemacht, er brauchte nie Hilfe, bis er irgendwann zu schwach war die Hecke zu verschneiden, ich übernahm dann solche Arbeiten. 1 Woche vor seinem plötzlichen Tod konnte er kaum noch die Gießkanne in den Garten tragen. Das beunruhigte mich sehr, aber es konnte nicht sein - nicht mit 66 Jahren - denn da fängt das Leben doch erst an. Außerdem hatte er gerade noch seinen 3. Enkel bekommen, endlich noch einen Jungen, wo er doch nur von "Mädels" in der Familie umzingelt war - Gott wie nervraubend muss es mit seinen 3 Weibern manchmal gewesen sein. Meine große Schwester, das Musterkind, meine Mutter mit der es oft ganz schön schwierig gewesen sein musste und ich, die Aufmüpfige, immer die große Klappe, anfangs faul in der Schule, aber er stand immer zu mir, steckte mir heimlich Geld zum tanken zu, kaufte seinen Enkeln alles was sie sich wünschten, finanzierte die Sprachreise für den Ältesten. Und dann ging alles ganz schnell. Nachts weckte mich eine Nachricht: Vati ist friedlich eingeschlafen. Anrufen konnte meine Mutter nicht.



    Mein einziger Trost: er muss diese schreckliche Zeit (Corona, Krieg) nun Gott sei Dank nicht mehr miterleben. Es würde ihn wohl ins Grab bringen.

  • Sehr geehrter Herr Langen,



    es gab / gibt Schutzanzüge, -Masken, die Angehörige tragen können. Und übrigens: auch Klinikpersonal muss von "draußen" in die Klinik - geimpft oder ungeimpf, täglich. Sterbende alleinzulassen, ist nicht einleuchtend und sollte keine Option sein.

  • Singend fuhr er in die Klinik

    Die selbe Erfahrungen haben wir im Dez.2020 mit dem Kreiskrankenhaus in Kaiserslautern gemacht. Mein Vater kam als Pflegefall aus dem Krankenhaus. Wir wurden noch nicht mal informiert, dass wir einen Pflegefall nach Hause bekommen; geschweige denn dass die Sozialstation alles nötige in die Wege geleitet hätte. Eine Beschwerde-mail an den damaligen Gesundheitsminister Spahn kam nach einigen Wochen mit dem Kommentar: Nicht zuständig" zurück.

  • Einsames Sterben im Krankenhaus gibt es nicht erst seit der Pandemie.

    Viele Menschen starben einsam im Krankenhaus (oder zu Hause) auch schon vor Corona. Ist nur kein Thema.

    • @Rudolf Fissner:

      Das macht das Verhalten des Krankenhauses um kein Deut besser. Dieser Mann hätte nicht einsam sterben müssen.



      Wie herzlos und kalt hat uns diese Pandemie gemacht?

  • Mal sehen ob der Kommentar durch die kontrolle kommt (kein Vorwurf)

    Ich finde es einfach nur abscheulich, dass Menschen, ganze Familien, ihre Angehörigen in ihrer schwersten Stunde und manchmal sogar kurz vorm Tod nicht besuchen können, weil die Krankenhaus-Offiziellen ein Besuchsverbot verhängen, ob gezwungen oder nicht lasse ich jetzt mal außer acht.

    Welche, ich frage welche Begründungen sind so wichtig, dass wir unsere Verwandten die wir ein Leben lang geliebt und begleitet haben, nicht zum Sterbebett oder auch dem OP-Tisch begleiten dürfen?

    Dieses Mitgefühl, diese Angst, Trauer und anderen Gefühle sind etwas (meiner Meinung nach manchmal das einzige) das uns zum Menschen, zu einem sozialen Lebewesen macht. Und auch wenn covid eine große Gefahr sein mag, ist es eine noch größere Gefahr Menschen den Kontakt zu möglicherweise sterbenden zu verbieten. OPs sind nie Risikofrei, schon gar nicht wenn es um komplizierte Eingriffe wie Lungen-OPs geht.

    Mit solchen Entscheidungen wird mMn ein stück Menschlichkeit aufgegeben, ohne das wir nichts als ein haufen Organe sind.

    Ich kann die Autorin sehr gut verstehen und ich glaube nicht, daß ich in ihrer Position so ruhig geblieben wäre - ein kompliment dafür, auch daß sie die Vernunft hatte zuhause zu warten obwohl da jemand den sie liebt im Krankenhaus stirbt.



    Das kann nicht jeder, und das sag ich nicht einfach so dahin.

    • @lupine:

      Der Grund ist doch sehr einleuchtend und gar nicht so unfair-abgehoben, wie von Ihnen behauptet:

      Schutz der anderen Patienten vor Covid-19. Wer das nicht versteht, versteht es halt nicht.



      Aber wer es versteht sollte nicht so tun als würde Er/Sie/Es nicht verstehen

  • der verstorbene hat...

    auf seine angehörigen gewartet, bis letztlich die kraft verließ.

    und, selbstverständlich, hat er deren anwesenheit wahrgenommen.

    ich habe eine ähnliche erfahrung gemacht.

  • Dass so etwas möglich ist, und vom politisch-medialen Kartell meist auch getragen wird, hätte ich mir nie albträumen lassen.



    Die Linken sind doch voll auf Linie bei der Corona-Politik, oder nicht? Da muss man halt ein bisschen Unmenschlichkeit aushalten.



    Wenn meine Frau todkrank in der Klinik wäre, und man mich hindern würde ihre Hand zu halten, dann wäre vermutlich bald die Polizei da, um mich zu Boden zu bringen.



    Bin zum Wokeismus war ich übrigens ach Linker.

  • Hallo liebe Autorin,

    wichtige Menschen verlieren ist grausam. Die Steigerung wie es noch schlimmer gehen kann, haben Sie uns gut geschildert und leider passierte es während der Pandemie viel zu oft.

    Doch solche Dinge kamen vorher auch schon vor. Ich konnte mich weder von meinem Vater, noch von meiner Mutter verabschieden und meine Oma starb auch schon alleine.

    Jeder geht wohl anders mit dieser Art von Schmerz um, ich habe nach fast 10 Jahren immer noch nicht damit abgeschlossen und rate dazu, sich bei den ersten Anzeichen von anhaltender Trauer, psychologische Hilfe zu suchen. Nur ein ungefragter, aber gut gemeinter, Rat. Verzeihen sie, wenn ich damit zu weit ging.

    Der Gedanke daran, allein zu sterben, ist ein Spukgedanke, der jeden gruselt und den Tod noch ein Stück unerträglicher wirken lässt.

    Ich hoffe sehr, dass man bald beginnen wird, in plan- und kontrollierbaren Umständen (denn während Corona kann man auch Menschen zu Menschen lassen) die Möglichkeiten zu schaffen.

    Jedem der dies hier gelesen hat, wünsche ich von Herzen ein erfülltes Leben und viel Zeit mit den Menschen, die ihm wichtig sind.

    Momo

  • Auch wenn ich hier niemanden persönlich kenne, mein Beileid an alle, die Menschen verloren haben!

    Die Pandemie hat sehr viel unwürdiges zu Tage befördert. Vielleicht können wir daraus lernen. (Dazu gehört eventuell auch, allen erst mal ihren Raum zum Trauern und der Verarbeitung zu lassen, ohne aufeinander los zu gehen...)

    Ich stelle mir eine andere Frage: in wie fern liegt es an der Privatisierung des Gesundheitssektors? Neben der "Optimierung" des Personalschlüssels kommt doch auch eine Riskiobewertung hinsichtlich Schadensersatz und Schmerzensgeld hinzu. Würde mich interessieren, in wie fern diese Faktoren auch eine Rolle spielen. Und wenn das so ist, sollten wir uns fragen, ob wir das weiterhin möchten.

  • Dieser Artikel ist wie ein Déjà-vu.



    Meine Mutter starb mit Anfang 50 um die Weihnachtszeit allein im Krankenhaus an Krebs. Im November sind wir noch zusammen Fahrrad gefahren.



    Wie auch im Artikel galt in Ihrem Krankenhaus Besuchsverbot außer für Sterbende. Als sie Anfang Dezember wieder in KH musste, galten die Regeln immernoch. In der Palliativstation für Sterbende war kein freies Zimmer. Somit war sie auf einer anderen Station und für diese galt die Ausnahmeregel der Besuche nicht.



    Wir haben telefoniert und geschrieben. Der Anruf der Ärzte das wir sie nun besuchen dürfen kam nicht mit dem Ende des Besuchsverbot sondern mit der Verlegung auf die Palliativ. Ansprechbar war sie kaum noch - Dämmerzustand bis zum friedlichen Ende.



    Die Wut und Trauer ist/war auch deshalb groß, weil zeitgleich zig tausende Menschen ohne Masken in Fußballstadien zusammen kamen (z.B Afrika Cup / bis heute 84% ungeimpfte auf dem Kontinent) oder einige hundert km weiter das Leben florierte ohne Restriktionen, sogar politische Führung (z.B. England) sich eigene Rechte auferlegte (Garten-Party)

    Wenn ich in den Kom. lese "Besuchsregeln müssen schützen" oder Corona-Schutz geht vor alles, bin ich bestürzt, wie kann es sein das wir bei unserem Gesundheitssystem sterbende Familienangehörige nicht besuchen dürfen und anderswo die Regeln nicht oder nur bedingt gelten? Die Argumentation "die machens falsch" (weil wir die einzig Erleuchteten sind) funktioniert nicht, wenn im selben KH ungeimpfte Pfleger arbeiten aber geimpfte Familien nicht zu Ihren Angehörigen dürfen.

    • @DieAndereSicht:

      1.) Die Altersstruktur in "Afrika" ist deutlich jünger als in D. Je jünger desto milder ist der Corona-Verlauf(im Schnitt)

      2.) Wenn korrupte Politiker ihre eigenen Regeln missachten kann man dies schlecht als Argument anführen

      3.) Es sollen die anderen Patienten geschützt werden.

      4.) Regeln gelten unabhängig von der Station.Wenn das Personal nicht versteht muss man zum Arzt oder höher gehen. Schlechte PR mag niemand!!

      5.) Der Zustand verscglechtert sich wohl kaum durch "zu wenig Besuch"



      Wenn Ich im KH war fand Ich/Zimmernachbar es immer extrem nervig ,wenn zuviel Besuch/Lautstärke da war.

      • @Dirk Langen:

        Dirk Langen, Sie sind ein sehr unsensibler und besserwisserischer Zeitgenosse. Ihre Phantasie reicht vermutlich nicht aus, sich selbst in die Lage des Patienten zu versetzen.

        Die Wichtigkeit der Besuche von geliebten Menschen am Krankenbett ist überhaupt nicht hoch genug einzuschätzen, das hat etwas mit „Seele“ zu tun. Und die erzwungene Einsamkeit eines kranken Menschen im Krankenhaus schadet Psyche und Seele. Sisso.

      • @Dirk Langen:

        Zu 5.): Leider ist das nicht so. Sie unterschätzen womöglich die psychologische Komponente. Es ist erwiesen, dass sich die Mentalität von Menschen auf ihren Gesundheitszustand auswirken kann.

        Ich habe das selbst an meinem Uropa gemerkt. Er kam nur übergangsweise während der sechswöchigen Renovierung seiner Wohnung in eine Pflegeeinrichtung und lief dort selbstständig hinein. Heraus kam er im Rollstuhl aber vor allem als gebrochener Mann. Sein Lebenswille ging im sterilen Zimmer ohne viele äußere Einflüsse einfach verloren. Gleichzeitig hat er sich auf nichts mehr als die täglichen Briefe gefreut. Seiner Gesundheit fehlte ganz eindeutig persönlicher menschlicher Kontakt.

      • @Dirk Langen:

        1) soll heißen weil jünger und mildere Verläufe ist die Impfung obsolet? nicht mal Erstimpfung notwendig?

        2+3) richtig, dass Argument war auch nicht "die halten sich nicht an ihre eigenen Regeln" sondern ungeimpftes Krankenhauspersonal ok, geimpfte Angehörige Besuchsverbot? Der Schutz anderer Patienten ist in Einzelzimmern auf der Pal. ja durchaus gewährleistet.

        4) Nein. Wie auch im Artikel - generelles Besuchsverbot außer Pat. auf der Pal.Station (auf welcher kein freies Zimmer war, weil leider mehr Menschen sterben als freie "Sterbezimmer" vorhanden sind)

        5) Bestimmt nicht. Es ging um Besuchsverbot als der Zustand noch ok war (selbstständig laufen, sprechen etc.) - kein Besuchsverbot mehr als es noch um Stunden ging (Bettlägrig, Dämmerzustand..)

  • Danke! Danke für diesen bewegenden Bericht.

    Ich habe noch nie ein Kommentar bei irgendeinem Online-Artikel hinterlassen, aber heute tue ich es, denn wenn ich aus diesem Artikel zwei Dinge gelernt habe, sind das:

    Das Leben ist VIEL zu kostbar, als dass mit Unstimmigkeiten Zeit verschwendet werden sollte (ich beziehe mich auf euren Streit - finde mich da so sehr wieder ...)

    Und zweitens: Falls wir mal in eine solche Situation kommen, werde ich ALLES daran setzen, bei diesem mir lieben Menschen sein zu können.

    Dafür hat mir der Artikel nun den Mut gegeben! Danke also nochmal und alles, alles Liebe für euch!

  • Mein Onkel kam mit Schlaganfall ins Krankenhaus kam und steckte sich dort mit COVID-19, woran er schließlich verstarb - ebenfalls alleine, weil er sich zum (Selbst-)Schutz völlig isoliert hatte. Er hat vor seinem Tod seine Enkelkinder monatelang nicht mehr gesehen. In seinen Augen ein kurzfristiger Verzicht, um lange für sie da sein zu können.

    Zwei Schicksale, die sich unterscheiden und doch irgendwie gleich sind. Würde mein Onkel vielleicht noch leben, wenn es striktere Besuchsregeln ohne Ausnahme gegeben hätte? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Wir werden es nie erfahren. Ich denke, die bisherigen Regeln waren der beste Kompromiss, der machbar war, daher hadere ich auch nicht damit.

    Ich mache es der Autorin nicht zum Vorwurf, dass sie ihren Vater gern noch einmal gesehen hätte. Es ist ein verständlicher Wunsch, den ich ihr gegönnt hätte. Mein aufrichtiges Beileid, Frau Fastabend. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie sehr viel Kraft und seien Sie bitte nicht zu streng mit sich selbst.

  • Auch ich verlor während der Pandemie meinen Vater. Er hatte nach einer Oberschenkelhalsfraktur eine Prothese bekommen und war zur Reha in einem geriatrischen Krankenhaus untergebracht. Wir Angehörige hatten währenddessen mit ganz ähnlichen Schwierigkeiten um zu kämpfen, als es darum ging, Zugang zu ihm zu erhalten, ihn besuchen zu dürfen. Lediglich meine Mutter konnte schliesslich nach einem Gespräch mit der Klinikleitung durchsetzen, dass sie ihren Mann täglich besuchen durfte. Der restlichen Familie wurde dies weiter wochenlang verwehrt. Nachdem mein Vater jedoch stürzte (er war dement und sturzgefährdet) zog er sich schwere innere Verletzungen zu. Sein Tod war nah Aussagen der Ärzte für innerhalb der nächsten Tage zu erwarten. Nun wurde endlich auch der gesamten Familie erlaubt, ihn in der Klinik zu besuchen. Letztlich hat meine Mutter dann, wiederum gegen den Widerstand der behandelnden Ärzte, bei der Klinikleitung die Entlassung meines Vaters nach Hause durchgesetzt, damit er dort in vertrauter Umgebung versterben würde. Dort hat er, bereits in eine Art Dämmerzustand befindlich, noch weitere zwei Tage gelebt, bevor er schliesslich verstarb. Ich bin entsetzt, daß es in Deutschland Kliniken möglich ist und war, während der Pandemie Angehörigen den Besuch und die Begleitung ihrer Liebsten in seinen schwersten Stunden zu verweigern. Dies ist geradezu unmenschlich und sollte viel stärker gesellschaftlich thematisiert werden.

    • @Matthias7:

      Den Patient:innen des geriatrischen Krankenhauses wäre also besser geholfen gewesen, wenn Besucher da Corona eingeschleppt hätten?

    • @Matthias7:

      Ich habe aktuell einen nahen Angehörigen im Krankenhaus der sich gerade auf eine anstehende Transplantation vorbereitet und dessen Immunsystem Corona niemals überstehen würde. Ich kann nachvollziehen, dass Sie Ihre Angehörigen gern öfter gesehen hätten aber das gibt Ihnen nicht das Recht das Leben anderer Menschen zu gefährden.

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Meine Mutter ist am 5.6.2020 in einer Palliativstation in München gestorben. Am Anfang der Pandemie waren natürlich alle etwas unsicher - und zumindest galt bis zum 31.5. eine Besuchregel, nach der exakt ein "akkreditierter" Besucher pro Tag eine Stunde besuchen durfte. Diese Regel wurde am 1.6. aufgehoben - aber von den Schwestern uns gegenüber weiterhin mit einer gewissen Härte durchgesetzt.

    Ich hab' das auch erst mitbekommen, dass die strikten Besuchsbeschränkungen aufgehoben waren, als ich am 5en die Sachen meiner Mutter abgeholt habe.

    Bei uns war der Schaden nicht so groß, denn in der letzten Woche war sie schon weg. Insofern hege ich keinen gesteigerten Groll - allerdings haben andere Familien andere Beziehungen untereinander und andere Krankheiten und sind persönlich anders strukturiert. Das ist sicher woanders erheblich dramatischer gewesen als bei uns.

    Die Schuld liegt natürlich in der Erwartung, dass jeder Teilbereich des Gesundheitssystem seine eigenen Profite erwirtschaften muss. Um jeden Preis.

  • Genau dasselbe ist meiner Familie und mir mit meinem Vater passiert. Wir sahen ihn einen Monat lang vor seinem Tod nicht. Konnten ihn nicht besuchen, er hatte kaum Internetverbindung und Netz dort. Wir wurden nicht einmal informiert, dass er ins Koma verlegt wurde.

  • Dieser Artikel spricht mir gerade aus der Seele. Im September 2019 brachten wir Angehörige auch meinen Vater in die Spezialklinik, wo man versuchte, einen Leberkrebstumor zu behandeln.



    In dieser Zeit hatten wir zwar nicht das Problem der Corona Besuchsverbote oder Isolation, aber diese Ohnmacht, als uns gesagt wurde, dass es keine Hilfe mehr für ihn geben würde. Der Tumor war so gemein gelegen, dass er weder operiert noch chemobehandelt werden konnte. Wir konnten ihn besuchen, was wir auch so oft es ging taten, aber mich hat der Titel dieses Artikels sehr berührt. Genauso war es beim Vater, der natürlich so viel Hoffnung hatte in einer Spezialuniklinik für Leberpatienten.

    Er starb in der Uniklinik am 02.10.2019. Die Ärzte waren sehr gut und umsichtig, sie haben sich sehr viel Zeit für uns genommen. Aber das Sterben in einem Krankenhauszimmer ist natürlich nicht das, was man sich für seine lieben Angehörigen wünscht. Das waren auch die Worte der Ärzte.

    Auch ich als Sohn machte mir danach sehr viele Gedanken, bis heute. Auch wir, Vater und Sohn, zwei unterschiedliche Temperamente, stritten zuweilen heftig, über Dinge, die so unwichtig waren oft. Dann denkt man, musste das alles sein?

    Das Gute daran war, dass wir uns, wohl auch durch unsere intensiven Auseinandersetzungen, am Schluss näher gekommen waren wie nie zuvor. Wir haben die nötigsten Dinge geregelt. Möge seine Seele in Frieden ruhen.

  • O ist es mir 2020 eine Woche vor Weihnachtenergangen. Ich komme mit starken Bauchschmerzen ins KH, die wissen erst nicht was ich habe, dann wird eine Dickdarmentzündung mit Blutvergiftung diagnostiziert. Ich liege mittlerweile auf der Intensivstation und meine Famile kann nicht zu mir, durch die ganzen Schmerzmittel bin ich völlig "out of order". Als ich mich nach einer Woche SELBST entlassen habe, erfahre ich zuhause, daß meine Frau und meine Tochter insgesamt über 50 mal !!! angerufen haben, ohne daß sie auch nur Auskunft erhalten hätten, geschweige zu mir durchgedrungen wären, da mein Handy auch noch kaputt gegangen war. Zuhause hab ich dann durch ZUFALL vom Hausarzt erfahren, daß ich nur ganz knapp dem Sensemann entkommen bin........

  • Ich bin auch wütend.

    Aber über solche pauschalisierenden, dummen Sprüche wie "Diesen Isolationswahnsinn von Schwerkranken und Sterbenden" oder "Für Klinken und Altenheime bietet Corona den Vorwand für alles. Ist auch wesentlich bequemer ohne nervende Angehörige;"

    Das sind dumme, komplett unbelegte und pauschalisierende pure Unterstellungen,

    die hier unter dem Schutz der Anonymität von wer weiß wem verbreitet werden

    um Unmut zu streuen.

    Der Artikel belegt überhaupt nicht, dass das Krankenhaus oder die Pflege Fehler gemacht haben.

    Diese Versuche, die Folgen einer Pandemie irgendwelchen Institutionen oder Personen in die Schuhe zu schieben, nerven nur noch.



    Immer mit dem Unterton: Alles falsch, alles Betrug, alles daneben. Alles.







    Der Artikel fragt in Ansätzen nach Eigenverantwortung - und biegt dann doch wieder in das alte Lied ein.

    Er belegt aber ganz nebenbei, dass die Tochter im entscheidenden Mometn nicht ans Telefon ging - obwohl der Vater totkrank war.

    Er belegt, dass die Mutter zig Dinge wusste, die die Kinder aber offenbar nicht mitbekamen.

    Dass eben niemand in der Familie einen Grund sah, das Besuchsrecht (Recht!) auch wahrzunehmen.

    Dass offenbar kaum Kommunikation stattfand über den Zustand des Vaters.

    Das der Vater selbst nicht in der Lage war, über seinen Zustand zu zu kommunizieren.

    Das kommt häufig vor, ist auch nachvollziehbar und kein Grund sich fertig zu machen.

    Aber auch kein Grund unterschwellig oder gar offen wie in den Zitaten oben, ein Gesundheitssystem schlecht zu reden, das so gut ist, wie praktisch kein anderes auf der Welt. Selbst die Schweiz hat deutlich weniger Intensivbetten.

    Und ja: Besuchsregeln in Coronazeiten müssen die Anderen schützen! Diejenigen, die sterben, wenn sie sich anstecken.

    Wo sind die Menschen, die geschützt werden mussten, in den Erzählungen hier?

    Diese Familie aus dem Artikel hat nicht gemerkt, dass ihr Vater im Sterben lag.

    Die Klinik hat ausdrücklich Besuch für Sterbende erlaubt.

    • @agtaz:

      Fast genau so ist es!



      Allerdings sollte man gaaannzz dringend darauf hinweisen, dass Besuchsrestriktionen auch zum Schutz des dort arbeitenden Personals gegeben sein sollen.



      Denn es sind die Reisenden, die ansteckende Infektionen (weiter) verbreiten und das schon seit ewigen Zeiten.



      Ich würde egrn mal Mäuschen sein in Büros oder sonstwo, wenn dort am Nachbartisch gelacht, evtl. gesungen oder getrunken wird und der andere muss sich auf sein Arbeit konzentrieren.......

    • @agtaz:

      wow. Hätte nicht gedacht, daß jemand hier bei so vielen öffentlichen Emotionen contra gibt. Aber es sollten keine Schuldzuweisungen sein. Weder an die Familie noch an das Krankenhaus. Beide Systeme haben sicherlich so gut wie möglich gearbeitet und ein Perspektivwechsel aus Eigenmotivation ist schwer. Die Pandemie ist großer Mist. Zudem eine Betrachtung im individuellen Fall immer anders ausfallen wird als eine Betrachtung im globalen Fall. Leider. Diese Diskrepanz ist nicht zu lösen. Mein Beileid an alle, die Verwandte allein im Krankenhaus verloren haben, aber auch mein Beileid an alle Opfer der Pandemie.

    • @agtaz:

      Ich stimme grundsätzlich mit Ihnen überein, jedoch laden Sie meiner Meinung nach der Autorin und Ihrer Familie eine unnötige emotionale Schuld auf, wenn Sie Dinge schreiben wie "ging im entscheidenden Moment nicht ans Telefon" oder "hat nicht gemerkt, dass er im Sterben lag".

      Die Fragen, die sich die Autorin stellt, sind für mich - der einen Angehörigen dadurch verlor, dass er sich im Krankenhaus mit COVID-19 angesteckt hatte - halte ich durchaus für gerechtfertigt und nachvollziehbar. Maßnahmen zu hinterfragen ist niemals schlecht, solange man die richtigen Schlüsse daraus zieht.

      Ich erkenne hier auch eine gewisse Absurdität, dass man Verwandte erst dann besuchen kann, wenn es salopp gesagt schon zu spät ist, dann dafür recht unkompliziert.

    • @agtaz:

      Ich kann Ihren Ausführungen voll zustimmen. Unglücklicherweise denken sehr viele Menschen, dass ein Krankenhausbesuch wie in einer Fernsehsoap abläuft - aber dem ist leider nicht so. Die Personaldecke in den Krankenhäusern war schon vor Corona nur hauchdünn. Die dort verbleibenden Mitarbeitenden bemühen sich nach Kräften, aber die reichen dann meist nur noch für die Patienten und nicht mehr für die Angehörigen. Ich habe selbst erleben dürfen, schon weit vor Corona, dass man sich als Angehörige selbst kümmern sollte und auch mal nerven. Nur, das wird/muss man leidvoll selbst erfahren. Die Autorin hat es eben erlebt, was es bedeutet, wenn die Eltern nicht mehr die Familie führen und dass es schwer ist, diese Aufgabe selbst zu übernehmen und man sich auch bewußt wird, dass man es hätte tun sollen. Es tut mir herzlich leid, für die Autorin, es ist aber leider der persönliche Entwicklungsweg jedes Einzelnen.

  • Der Artikel erlaubt einige Schlußfolgerungen:



    1. Eine Pandemie ist keine Kleinigkeit



    2. Die "Therapie" hatte einige Nebenwirkungen.



    Vielleicht auch:



    3. Die Therapie gegen die Pandemie, also z.B. die Zusammenstellung der Schutzmaßnahmen einschließlich Kontaktbeschränkungen, war nicht optimal.

    Es folgt jedenfalls nicht, dass es besser gewesen wäre, Corona einfach "laufen zu lassen". Vielmehr wäre es besser gewesen, frühzeitig eine "no-Covid"-Strategie zu fahren, dann wären der Autorin solche Szenen erspart geblieben.

  • Vielen Dank - Sie schreiben mir aus dem Herzen.



    Mein Bruder ist letzten Sommer allein im Krankenhaus gestorben, nachdem wenige Monate zuvor Krebs diagnostiziert wurde. Er lag die letzten Wochen auf der Palliativstation und hatte sich so sehr gewünscht, seine Familie und Freunde bei sich zu haben. In den ersten Tagen dort durften wir unbegrenzt bei ihm sein (außer Nachts, wo die Einsamkeit allerdings am Schlimmsten war). Nach ein paar Tagen auf der Palliativstation - als es ihm wieder ein klitzekleines bisschen besser ging - wurde die Besuchszeit jedoch eingeschränkt: nur noch eine Person für maximal 2 Stunden am Tag. Immerhin... aber trotzdem viel zu wenig, vor allem da alle Beteiligten wussten, dass es nur noch eine Frage der Zeit war. Da er inzwischen querschnittsgelähmt war, konnten wir ihn nicht einfach nach Hause holen sondern mussten auf Pflegebett, etc. warten. Es wäre zwei Tage nach seinem Tod angekommen.



    Das mein riesengroßer Bruder sterben musste, war schon schlimm genug - daran konnte aber leider niemand etwas ändern. Dass er dabei gerade am Ende so viel allein sein musste - das hätte jedoch vielleicht auch anders sein können.



    Ich hätte es ihm auf jeden Fall anders gewünscht.

  • Danke. Wir müssen noch viel genauer anschauen, was wir uns in dieser Pandemie alles angetan haben. Die Traumen werden uns noch lange begleiten. Es nützt auch nichts, wenn diese Dinge durch eine Fortschreibung der Einschränkungen legitimiert werden. Es ist und bleibt unmenschlich, was wir uns in guter Absicht antun.

    • @TazTiz:

      "Es ist und bleibt unmenschlich, was wir uns in guter Absicht antun."

      Noch allgemeiner, noch pauschaler geht es nicht.

      Nein "es" ist nicht unmenschlich. Was ist "es", wer sind "wir" - was "Tun wir uns an"?

      Es ist eine bösartige und völlig falsche Unterstellung - Anonymität erlaubt es, zu behaupten " Es nützt auch nichts, wenn diese Dinge durch eine Fortschreibung der Einschränkungen legitimiert werden."

      Wo Menschen sind, gibt es Böse und wo Menschen sind, gibt es Fehler.

      Pauschalisierungen und Unterstellungen dieser Art sind gezielte Destruktion

      Wer sind diese Schreiber, die anderen, die Verantwortung tragen, einfach solchen widerlichen Blödsinn unterstellen?

      Es ist sehr menschlich, dass wir uns Impfen, aufpassen, Maske tragen und auch, ja auch, dass wir Krankenhäuser und Altenheime nur begrenzt betreten können.

      Seit mehr als zwei Jahren wird praktisch überall alles mögliche für Kontaktmöglichkeiten getan - aber nicht auf Kosten der Anderen.

      Menschen sind reihenweise in Pflegeheimen gestorben, weil das Virus eingeschleppt wurde.

      Am Anfang der Pandemie, als die Folgen von Ansteckung noch unklar waren, wurden kurzzeitig tatächlich Menschen im Sterben von Angehörigen isoliert. Das war sicher für viele traumatisch. Dennoch konnte man ohne Informationen bei so einer schweren Krankheit (Luftnot, rapide Verschlechterung, auch Ärzt*innen und Pfleger*innen starben!) nicht riskieren, dass andere sich anstecken und AUCH so (!) sterben.

      Tod ist fast immer traumatisch für die Angehörigen, das sollte man auch nicht vergessen. Und auch oft für die Sterbenden.

      Sehr bald wurde aber in allen Kliniken klar, dass es mit hohem Aufwand möglich ist, Sterbenden wenigstens Besuch zu erlauben und das wurde und wird auch umgesetzt.

      Der Fall hier ist doch ein gutes Beispiel - es wäre ja ganz klar möglich gewesen, bei diesem Vater zu sein, wenn man erkannt hätte, in welchem Zustand er war!



      Er zeigt, dass man irgendwo auch man selbst mal sehen muss, dass man genug unternimmt.

      • @agtaz:

        durch diese unmenschlichen "Maßnahmen" wegen eines Viruses, die am Ende nur Leid gebracht haben, haben wir niemanden geholfen. Die MEnschen sind trotz und nicht wegen der Einschränkungen gestorben, verängstigt und einsam. Keiner kann nachvollziehen, wie es ist, in so einer Situation zu sein. Es kann und darf nicht sein, dass man Familien, deren Angehörige in KH oder Pflegeheim sind, verbietet sie zu besuchen oder Beistand zu leisten. Dazu berechtigt kein Virus, keine Regierung, keine Maßnahme!



        Es ist und belibt unmenschlich und nicht nachvollziehbar

  • Es tut mir persönlich sehr leid für die Autorin. Für Klinken und Altenheime bietet Corona den Vorwand für alles. Ist auch wesentlich bequemer ohne nervende Angehörige; personalmäßig völlig verständlich (Gruß an Herrn Lauterbach - als jahrelanges Aufsichtsratsmitglied im Rhön-Klinikum einer der Förderer und Profiteure der Klinikprivatisisierung).

    Es ist aber bezeichnend - erst wenn Menschen persönlich betroffen sind, beginnen sie diesen Isolationswahnsinn von Schwerkranken und Sterbenden zu hinterfragen.

    • @independent:

      ja, so erscheint es mir auch.corona bietet vorwand für alles, auch was die ämter betrifft.es wird die gelegenheit genutzt



      den bürger in die schranken zu weisen, demütig zu warten und tage damit zuzubringen einen termin zu bekommen.beamte im homeoffice, wo sie nicht arbeiten können, verweiste büros und verzweifelte menschen.



      das sollte aufgearbeitet werden und auch die verantwortlichen, wie der name scon sagt, zur verantwortung gezogen werden.die menschlichkeit war das erste, was auf der strecke blieb, um der bequemlichkeit willen.und vieles von dem bleiben.ich galube nicht, dass wir je wieder einfach ein amt betreten werden können.die maskenpflicht fürchte ich wird uns auch ewig begleiten.

      • @lichtstattdunkel:

        Der Artikel hat mich sehr bewegt. Normalerweise antworte ich nie auf Artikel. Hier mache ich eine Ausnahme. Niemand kann sich wirklich vorstellen, wie es zur Zeit im Krankenhaus ist, so ohne Besuch. Ich bin an Krebs erkrankt und mußte vor kurzen wieder ins Krankenhaus zu einer weiteren OP. Der Abschied von meiner Frau viel sehr schwer, beidseitig. Denn es kann ein Abschied für immer sein, wenn man mit seinen Rollkoffer ins Krankenhaus geht. Ohne Aussicht auf Besuch und Beistand. Bei mir ging es zum Glück soweit gut, auch wenn Fehler im Krankenhaus passiert sind, die aber keinen dort interessieren. Auch da fehlt einen zur Zeit der Beistand, Menschen die einen nahe stehen und in solchen Fällen mal kräftig auf den Tisch hauen. Aber die Einsamkeit so ohne nahe Menschen ist gewaltig! Ich wünsche das keinen. Bleibt alle gesund!