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Influencertum und MutterseinIn der Welt der Mama-Blogs

Mohamed Amjahid
Kolumne
von Mohamed Amjahid

Das Mama-Blog-Tribunal entscheidet, wie Parenting sein soll. Die Mischung aus Werbung und der Aufforderung, richtig zu erziehen, ist gefährlich.

Glücklich nur mit der richtigen Trinkflasche Foto: Panthermedia/imago images

E ine meiner besten Freun­d*in­nen hat Nachwuchs bekommen. Was soll ich sagen? Cuuute! Falls die verschwörerische, rassistische und antisemitische Theorie der „Umvolkung“, von der Rechtsex­treme so oft schwafeln, doch wahr sein sollte: Das Ersetzen des Abendlands durch BPoC-Babys ist sehr knuffig.

Seit Monaten lese ich also Mama-Blogs über Schwangerschaftstee, die Saugkraft von Windeln und pädagogisch wertvolles Spielzeug. Genauso lange brodelt in mir diese Kolumne: Was läuft bei so vielen Mama-In­flu­en­cer*in­nen nur schief? Bevor ich diese Frage beantworte, möchte ich erwähnen, dass ich selbst keine Kinder habe und auch keine plane. Als kinderloser cis Mann über Parenting zu schreiben, ist gewagt, da ich aber meine Friends aktiv ermutige, an der sweeten „Umvolkung“ zu arbeiten, nehme ich mir jetzt mal das Recht heraus, einen Außenblick zu wagen.

Ich habe lange nachgedacht, was mich an den oft pastelligen Instagram-Profilen so einiger Mama-Influencer*innen am meisten stört. Ich konnte mich bisher nicht entscheiden. Da ist zum Beispiel die Glorifizierung traditioneller Geschlechterrollen. Zwar kann es aus meiner Sicht durchaus Teil von Queerness sein, traditionelle Geschlechterrollen für sich selbst zu wählen. Vater-Mutter-Kinder aber als Nonplusultra darzustellen, strahlt toxische 50er-Jahre-Vibes aus. Wenn der Ehemann der Mama-Bloggerin noch dazu gefeiert wird, weil er mal beim Abwasch geholfen hat: einfach nur wow!

Richtig cringe ist auch die Dauerwerbeschleife, in der viele In­flu­en­ce­r*in­nen gefangen zu sein scheinen. Werbung heißt auf Insta euphemistisch „Kooperation“. Ich verstehe, dass Bloggen Lohnarbeit sein kann. Müssen die eigenen Kinder für Hunderttausende Fol­lo­wer*­in­nen aber neben Produkten abgelichtet werden, die niemand braucht? Die Mischung aus Werbung und einer Aufforderung, riChTiG zu erziehen, ist gefährlich.

Kauf diesen Holzklotz für 199,99 Euro

Denn am schlimmsten ist dieser vorwurfsvolle Ton zwischen den Zeilen: Wenn du nicht Windel-Marke XY im Abo kaufst, bist du eine schlechte Mutter, nutze Rabattcode #WirZiehenDirDasGeldAusDerTasche für 10 Prozent Nachlass. Oder: Wenn du nicht reich geerbt hast und deinen Kindern mindestens einen tennisfeldgroßen Garten bieten kannst, musst du mal darüber nachdenken, ob du dein Parenting nicht optimieren solltest. Oder: Mehr als drei Sekunden Screen-Time für dein Kind ist schlecht und du solltest vor das Mama-Blog-Tribunal, wenn du eine ganze Folge Teletubbies erlaubst. Kauf lieber diesen Holzklotz für nur 199,99 Euro!

Meine frischgebackene Mama-Freundin ist natürlich die beste Mama – so wie alle Mamas, die mit den strukturellen Benachteiligungen unserer Gesellschaft zu kämpfen haben und unbezahlte Care-Arbeit leisten. Sie hat schnell aufgehört, die Blogs ernst zu nehmen und mir verboten, weiter darin zu lesen. Ich habe mich gefügt. Denn sie weiß es besser.

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Mohamed Amjahid
Mohamed Amjahid ist freier Journalist und Buchautor. Seine Bücher "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken" und "Let's Talk About Sex, Habibi" sind bei Piper erschienen. Im September 2024 erscheint sein neues, investigatives Sachbuch: "Alles nur Einzelfälle? Das System hinter der Polizeigewalt" ebenfalls bei Piper.
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4 Kommentare

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  • Der Stoßrichtung des Artikels kann ich zustimmen, sie deckt sich auch mit meiner persönlichen Erfahrung aus der Zivildientzeit in einem Gemeindezentrum. Eltern, insbesondere Mütter, verkehren anscheinend in einem ganz eigenen Kosmos, in dem ganz klar ist, welcher Osteopath der richtige ist, welche Impfung, und so weiter. Da wird es sehr schnell sehr verurteilend. Das hier Geschilderte passt da quasi als Mischung von zwei bereits problematischen Sphären absolut ins Bild.

    Der Artikel an ist leider trotz des interessanten Themas eine ziemliche Enttäuschung: Es fehlt sowohl an Tiefe, als auch an Klarheit. Geschrieben wird zum Beispiel von einem "vorwurfsvollen Ton zwischen den Zeilen" - ja, wo denn? Gibt es vielleicht ein, zwei Beispiele, wenigstens als Zitat? So, wie er ist, ist es allenfalls eine Einladung, die aufgesetzte Entrüstung des Autors zu teilen, ohne aber einen wirklichen Anlass zu liefern.

    Stattdessen liest man gefühlt die Hälfte des ohnehin kurzen Textes allerhand Entschuldigungen dafür, dass er es wagt, sich zu dem Thema zu äußern. Mit Verlaub: Dies ist übertrieben, eine Unterstellung an den Leser, in diese Richtung komplett ungerechtfertigte Vorwürfe zu erheben, und steht nicht zuletzt in einem absurden Inhalt zum eigentlichen Inhalt, der sich in drei Sätzen ohne großen Verlust zusammenfassen lässt.

    Mal ganz abgesehen von der Sprache, die in mir eher Assoziationen eines Pubertierenden weckt, der selbst zu viel Zeit im Internet verbringt. Wenn man dafür bezahlt wird, Texte zu verfassen - kann man sich dann nicht ein bisschen mehr Mühe geben, es auch elegant und lesbar zu machen?

  • Als unfreiwillig kinderlose cis-Frau sind die Mamablogs für mich ein absolut rotes Tuch. Das Problem ist nicht dass die Mamablogs den Ton angeben wie Elternsein geht. Was mich schockiert ist, dass sie dann noch behaupten, Feministisch zu sein. Dabei sind sie Teil sie eines massiven Backlashs: Der pronatalistischen Ideologie, dass der Mensch sich fortzupflanzen habe, und dass Menschen ohne Nachwuchs minderwertig seien. Zwischen den Zeilen im öffentlichen Diskurs werden uns Kinderlosen Dinge unterstellt wie: wir Kinderlosen



    - hätten keine Ethik (da frau und man sich allenthalben ja "als Mutter" oder "als Vater" für Umweltschutz und Menschenrechte einsetzt - wie wenn Menschen ohne Kinder keine Werte hätten),



    - würden keinen Beitrag an die Gesellschaft leisten (darum soll ich mit meinen Steuern die Schule DEINER Kinder mitfinanzieren, weil ich es sonst nicht verdient habe, später mal eine Rente zu erhalten, die meine fehlenden Kinder gefälligst mitzutragen hätten - dahingestellt, dass ich wahrscheinlich werde arbeiten müssen, bis ich 70 bin, und die Rente dann nicht immer noch nicht reicht)



    - hätten null Probleme im Leben und kein recht darauf, müde, gestresst oder traurig zu sein (dass ich als single aber keinen Zweitverdiener im Haushalt habe und bei Jobverlust - zum Beispiel wenn ich einem tyrannischen Vorgesetzten entfliehe, der/die mich mobbt - in die Prekarität rutsche, zählt nicht, da ich ja kein Kind habe)



    - im Notfall (Krieg, Katastrophe) einfach weniger Hilfe verdient als andere ("Flüchtlingsfamilien" finden Unterstützung, allein Geflohene sollen gefälligst dahin zurück wo sie herkamen)



    usw.



    Mamablogs sind nur die Speerspitze dieser Denke aus dem 19. Jh. Es gab mal eine Zeit wo Feminismus sich für Diversität einsetzte. Heute geben die Kernfamilien auf den Mamablogs die politischen Forderungen der Frauenbewegung vor. Unsereins ist da nicht vertreten.

    • @Minniemaus:

      Hmmm, ich sehe in dem Artikel keinen hämischen Frontalangriff auf Kinderlose gepaart mit illegalem Kidnapping feministischer Grundwerte.



      Außerdem begreife ich den hergestellten Zusammenhang kinderlos und ggf. Single und daher erhöter Gefahr des sozialen Abrutschens nicht.

      Ich habe Kinder, bin ein Mann, bin verheiratet, stotter meine Hütte ab und bemühe mich vorbehaltlos für meine Kinder da zu sein, meinen Job zu erledigen, meiner Frau den Rücken freizuhalten - damit sie ihre Karriere so entwicklen kann, wie sie das möchte, undsoweiterundsofort.

      Mein Leben hat nix mit dem Artikel zu tun, ihres auch nicht.

      Mamablogs sind ein klitzekleiner nerviger Teil einer noch viel nervigeren riesigen Industrie, die mit der Unsicherheit der besser situierten jungen Eltern einen Haufen Kohle verdient und sie in Windeltwistern, Baby-Björns, Kinderwagen im Wert eines Kleinwagens, Merinowolle-Bodys, Frühförderantidummheits-Spielzeugen und beliebigen Versagensängsten ersaufen lässt.

      Das ist halt alles Bullshit, niemand braucht das, aber entspricht dem Zeitgeist.

      Bevor man die eigene Mama fragt, liest man eben einen behämmerten Mama-Blog, weil es ja heute eine gaaaanz andere und vieeeel kompliziertere Nummer ist, Kinder zu haben - was vermutlich der erste und größte Irrtum ist.

  • Das ist mMn so ein zweischneidiges Schwert: Auf der einen Seite muss man wirklich Angst oder Sorge haben, dass Kinder bloggender Mütter überfordert werden,etwas darzustellen, das sie nicht sind (oder gar so lange zu wiederholen, bis es der Mami passt). Dafür gibt es einige erschreckende Beispiele.

    Auf der anderen Seite ist Muttersein oft nur Stress und es kann sich lohnen, dann durch schöne Blog-Bilder (auch Symbolbilder ohne Kinder!) und liebevolle, inspirierende Texte mal wieder daran erinnert zu werden, Spaß mit den Kindern zu haben. Gemeinsam zu malen, Quatsch zu machen, zu backen, im Wald Tannenzapfen zu sammeln im Herbst oder im Frühling mal einen Strauß von der Wiese zu pflücken, mit Fingerfarben zu malen, Trampolin zu springen. Oft ist man ja so in seinen Alltagsroutinen gefangen, dass man eine Weile nur noch Pflichtaufgaben erfüllt und den gemeinsamen Spaß, den mit den Kindern und den, die Kinder beim Entdecken der Welt und ihrer eigenen Fähigkeiten zu begleiten, vergisst.



    Dafür sind Mamiblogger mMn ganz gut.

    Schön wäre es, wenn die auch wirklich nur die Tage mit fotografieren, an denen ihr Kind wirklich Spaß hatte und, wenn sie das Kind zeigen, dies vorwiegend von hinten oder aus der Ferne tun, damit die Klassenkameraden später niemanden mit diesen Bildern mobben können.

    Und ja, Instagrammen machen Werbung. Es ist nicht verboten, unter dem Windelpost zu schreiben, "interessante Windel, ich kaufe aber immer die von XY, die ist viel billiger und ebenfalls auslaufsicher!"