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US-Russland-Gespräche in GenfWenigstens keine Eskalation

Die Außenminister Antony Blinken und Sergei Lawrow präsentieren keine Lösung für die Ukrainekrise, aber sie wollen im Dialog bleiben.

Antony Blinken verlässt Genf ohne Ergebnis, aber will mit Russland im Dialog bleiben Foto: Alex Brandon/Pool/reuters

Berlin taz | Schon vor dem Treffen der Außenminister der USA, Antony Blinken, und Russlands, Sergei Lawrow, hatten beide Seiten die Erwartungen an mögliche Ergebnisse so weit heruntergeschraubt wie möglich. Gerade einmal zwei Stunden waren für das Gespräch am Freitagvormittag in Genf anberaumt, und auch eine gemeinsame Pressekonferenz sollte es im Anschluss nicht geben.

Insofern war es besser als nichts, dass beide das nur 90-minütige Gespräch im Anschluss als „offen und gehaltvoll“ (Blinken) beziehungsweise „nützlich und ehrlich“ (Lawrow) bezeichneten. Vor allem aber bleibe man im Dialog. Angesichts der spannungsgeladenen Situation, die am Donnerstag durch Russlands Ankündigung mehrerer Militärmanöver in der Nordsee, im Mittelmeer sowie im Atlantik nicht besser geworden war, ist das ein Fortschritt.

Die russische Regierung hatte zuvor mehrfach betont, man warte in Moskau auf schriftliche Antworten Washingtons – vor allem auf die Forderung nach einer Garantie, die Ukraine nie in die Nato aufzunehmen. Moskau weiß genau, dass es diese Garantie nicht geben kann, schon gar nicht von den USA allein, weil das gegen alle Statuten und das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine verstoßen würde. Dennoch bedeutete die Zusicherung, man werde bis zur kommenden Woche auf diese Erklärung – die Blinken auch ankündigte – warten, dann die Situation neu bewerten und weitersprechen, immerhin keine weitere Eskalation.

Wie so oft stellte Lawrow in seiner Pressekonferenz Russland als Opfer westlicher Aggressionen dar. Hysterisch reagiere der Westen auf die russische Truppenpräsenz nahe der ukrainischen Grenze, ständig höre man die faktenfreien „Befürchtungen“ irgendwelcher westlichen Militärexperten, Russland werde in die Ukraine einmarschieren. Dabei habe man stets erklärt, dass das nicht zur Debatte stehe. Es sei im Übrigen der Westen, der die Umsetzung des Minsker Friedensabkommens verhindere.

Aggressives Verhalten

Das stellte sich aus US-Sicht offensichtlich gänzlich anders dar: Russland habe seit der Besetzung der Krim sein aggressives Verhalten gegenüber der Ukraine niemals abgelegt und müsse sich entscheiden, ob es den Weg des Dialogs oder der Aggression gehen wolle.

Im letzteren Falle würden die USA und alle Verbündeten entschlossen reagieren, um die Selbstbestimmung und territoriale Integrität der Ukraine zu garantieren, betonte Blinken. Damit rückte er erneut jene fatalen Äußerungen seines eigenen Präsidenten Joe Biden vom Mittwoch gerade, bei einem „geringfügigen Eindringen“ werde es wohl keine so starke Reaktion des Westens geben, der darüber auch nicht so recht einig sei. Dem hatten Blinken und die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock schon am Donnerstag vehement widersprochen.

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7 Kommentare

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  • Russland wartet darauf, dass der Boden für die Panzer gut befahrbar ist. Das wird wohl Mitte Februar soweit sein. Bis dahin vertreibt man sich die Zeit mit Plaudereien.

  • "Moskau weiß genau, dass es diese Garantie nicht geben kann, schon gar nicht von den USA allein, weil das gegen alle Statuten und das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine verstoßen würde."

    Natürlich könnten die USA zusichern, dass sie jeden Versuch, die Ukraine in die NATO aufzunehmen, blockieren werden.

    Und eine völkerrechtliche Verpflichtung, sich mit jedem Land zu verbünden, dass das will, ist völliger Nonsens. Natürlich kann jedes Bündnis frei entscheiden, wen es aufnimmt.

  • 4G
    47202 (Profil gelöscht)

    ".....vor allem auf die Forderung nach einer Garantie, die Ukraine nie in die Nato aufzunehmen."

    Da ja sowieso über die Köpfe von Urkaine oder Deutschland hinweg entschieden wird, könnte man die Zusage doch für die nächsten 20 Jahre geben!! Putin ist dann längst tot.

    Und jetzt kommt nicht mit internat. Recht. Das wurde x-mal gebrochen. Noch ist es kein größerer Krieg!

  • Abermals über den Tisch gezogen?

    Über einen neuen Krieg des Westens gegen Rußland machte sich Gorbatschow, lange Zeit unser aller Darling, schon gleich nach Ausbruch der Ukraine-Krise keine Illusionen: "Ein solcher Krieg würde heute wohl unweigerlich in einen Atomkrieg münden. Wenn angesichts dieser angeheizten Stimmung einer die Nerven verliert, werden wir die nächsten Jahre nicht überleben."



    Das wurde hierzulande geflissentlich ignoriert, outete sich doch der Träger der Sonderstufe des Großkreuzes des Verdienstordens - Undank ist der Welten Lohn - damit unverhüllt als „Putin-Versteher“, d. h. als russischer Politiker, der sich um die Sicherheit seines Landes sorgt. Das dürfte allerdings auch sein Grundmotiv gewesen sein, als er vor 30 Jahren dem Okzident die Hand reichte, um mit strategischen Vorleistungen die Ost-West-Konfrontation aufzubrechen, was dem Westen immerhin den Friedens-Nobelpreis wert war.

    Bei der Schuldfrage an dieser Krise ließ Gorbatschow keine Zweifel aufkommen: der transatlantische Bündnisblock, genauer dessen seit dem Ende der UdSSR verfolgten Ost-Europa-Politik in ihrer siegesberauschten Umdeutung des Epochenwechsels: „Anstatt neue europäische Sicherheitsinstitutionen aufzubauen und die Entmilitarisierung Europas voranzutreiben, wie es die NATO-Mitgliedsstaaten in der Londoner Erklärung von 1990 versprochen haben, erklärte sich der Westen, allen voran die Vereinigten Staaten, zum Sieger. Euphorie und Triumphalismus sind den westlichen Staats- und Regierungschefs zu Kopf gestiegen. Sie haben die Schwäche Russlands und das Fehlen eines Gegengewichts ausgenutzt, um ein Monopol auf die Führung in der Welt zu erheben, und sich geweigert, diesbezügliche Warnungen ernst zu nehmen.“

    Das ist des Pudels Kern. Gorbatschow mußte einräumen, daß sein Land wie schon gleich nach dem Koalitionssieg über Hakenkreuz-Deutschland, in dem es den weitaus größeren Teil der Kastanien aus dem Feuer holen mußte, von Washington abermals über den Tisch gezogen wurde.

    • 4G
      47202 (Profil gelöscht)
      @Reinhardt Gutsche:

      So ist es wohl!

  • "Die Außenminister Antony Blinken und Sergei Lawrow präsentieren keine Lösung für die Ukrainekrise, aber sie wollen im Dialog bleiben."

    Wenn man den Fehler im Satz korrigiert und die "Ukrainekrise" als das benennt, was sie tatsächlich ist, nämlich eine Russlandkrise, wird auch gleich klar, warum Lawrow keine Lösung präsentieren kann.