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Die AfD im BundestagErfreulicher Bedeutungsverlust

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Es ist ein Unterschied, ob eine Partei demokratisch gewählt wurde oder ob sie wirklich demokratisch ist. Deshalb ist die Ausgrenzung der AfD richtig.

Berlin, Ende September: Alice Weidel und Alexander Gauland auf dem Weg zu einer Pressekonferenz Foto: dpa/Kay Nietfeld

F ür die Demokratie war der Mittwoch ein guter Auftakt in die parlamentarische Woche und die neue Legislaturperiode, für die AfD weniger. Was beides erfreulich ist. Mit Ralph Brinkhaus hat ein neuer Oppositionsführer auf die Regierungserklärung des neuen Kanzlers geantwortet, und der Fraktionschef der Union hat das ausgesprochen gut gemacht: kämpferisch und klar, aber auch konstruktiv – und ganz ohne Skript, was im Bundestag selten geworden ist.

Dass er sich dabei mehr als deutlich von der AfD abgegrenzt hat, kommt hinzu. Denn natürlich lauert in der gemeinsamen Opposition die Gefahr, dass die Union zu immer schrilleren Tönen greift, um sich Gehör zu verschaffen.

Vorbei ist die Zeit, in der die AfD-Spitze unmittelbar nach einer Regierungserklärung minutenlang Hass und Hetze im Plenum verbreiten konnte – ohne dabei überhaupt zum parlamentarischen Diskurs beitragen zu wollen. Den radikal Rechten geht es vor allem darum, später möglichst scharfe Redeausschnitte in die eigene Blase zu senden. Dafür bleiben ihr jetzt erst ein späterer Sendeplatz und auch weniger Redezeit. Der Bedeutungsverlust der AfD im Bundestag war am Mittwoch erfreulich greifbar.

Gut auch, dass die anderen Fraktionen noch die Kurve gekriegt und verhindert haben, dass die AfD den Vorsitz des Innenausschusses besetzt. Ihr überhaupt den Zugriff auf diesen Posten zu ermöglichen, war ein schwerer Fehler, der besonders auf das Konto von Grünen und FDP geht. Sie hätten in dem Vergabeverfahren selbst den Innenausschuss ziehen und damit den Zugriff der AfD verhindern können. Dass sie, gemeinsam mit den Abgeordneten der anderen Fraktionen, nun mit sehr großer Mehrheit den AfD-Kandidaten für das Amt haben durchfallen lassen, ist richtig.

Gefährliche Spirale

Eine Partei, die nach Einschätzung des Verfassungsschutzes in großen Teilen rechtsextrem ist und möglicherweise bald ganz beobachtet wird, kann nicht dem Gremium vorsitzen, das unter anderem die Innenministerin und den Verfassungsschutz kontrollieren soll.

Dass Martin Hess, der AfD-Kandidat für den Vorsitz, gerade erst zum „Widerstand“ gegen den neuen Gesundheitsminister Karl Lauterbach aufgerufen hat, macht die Sache noch klarer. Denn Hess geht es nicht um Positionen oder Vorhaben Lauterbachs, sondern um Widerstand gegen dessen Person. Was eine gefährliche Spirale, die auch gewalttätig wird, weiter befeuern kann.

Meinen es die anderen Fraktionen mit ihrer Kritik ernst, dürfen sie allerdings auch nicht zulassen, dass die AfD einen Abgeordneten in das Parlamentarische Kontrollgremium für die Geheimdienste entsendet, wie es in der vergangenen Legislaturperiode geschehen ist. Denn hier werden den Abgeordneten geheime Informationen aus den Diensten zugänglich gemacht.

Haben die anderen Fraktionen, die auch die AfD-Kandidaten für den Vorsitz in zwei weiteren Ausschüssen durchfallen ließen, damit die parlamentarischen Rechte der Partei in unzulässiger Weise beschnitten, wie die radikal Rechten jetzt betonen? Nein, das haben sie nicht. Denn jeder Abgeordnete ist frei in seiner Entscheidung, wen er oder sie wählt und wen nicht.

Es ist nun einmal ein Unterschied, ob eine Partei demokratisch in den Bundestag gewählt wurde oder ob sie wirklich demokratisch ist. Dass die anderen Abgeordneten von CSU bis Linkspartei daraus jetzt klare Konsequenzen ziehen, ist die richtige Entscheidung.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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15 Kommentare

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  • Liebe Leserfreunde

    was soll der Aufstand im Wasserglas ??



    Mehrheit ist Mehrheit insbesondere



    gegen AfD &Co Insofern Kompliment



    an die MdBs

    Hans Stein 17.12.2021

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    @FORIST: „Die Grünen und die FDP haben sich und alle anderen demokratischen Parteien durch den freiwilligen Verzicht auf diesen wichtigen Ausschußvorsitz selbst in diese peinliche Situation gebracht.“



    Vielleicht ist es nur scheinbar peinlich und in Wahrheit ist es Taktik, um die AfD - im Sinne von Sabine am Orde, vorzuführen. Wenn die FDP jetzt noch Wolfgang Kubicki an die AfD abgibt, würde ein weiterer Problemfall erfreulich bedeutungslos werden.

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Gute Idee mit dem kubicki. Ich musste herzlich lachen😁😁

  • Die AfD ist in Deutschland fest etabliert, ihre Wähler in der Mitte der Gesellschaft wohl geborgen. Die deutsche Migrations-& Flüchtlingspolitik scheint überhaupt nur dazu da zu sein, durch Misshandlung & Rechtsverachtung dem deutschen AfD-Wähler "wir haben verstanden" zu signalisieren, & die Linke wurde ausgegrenzt & vernichtet. Also, was bitte erzählen Sie hier.

  • 4G
    47202 (Profil gelöscht)

    Wer von euch macht das Licht aus? Engültig!

  • Diese verdruckste, peinlich berührte Ausgrenzungstaktik nützt der AfD meines Erachtens mehr als jeder Ausschussvorsitz. Die sogenannten "demokratischen Parteien" (ein an sich schon recht merkwürdiger Begriff) machen damit nur klar, dass sie die AfD als reale Bedrohung wahrnehmen - mit der sie nicht souverän umgehen können. Zur Freude jedes AfD-Protestwählers.

  • Was wäre eigentlich, wenn Grüne/FDP nicht auf den Innenausschuss verzichtet hätten?



    Hätte die AfD dann Zugriff auf den Europa-Ausschuss?



    Gut, die Verfassungsschtzfrage ist relevant, aber wäre es wirklich besser gewesen?

  • Und ja - Ralph Brinkhaus: Den Vorwurf der "fehlenden großen Linien" in der Kanzlerrede hätte ich auch gerne schon in zurückliegenden Legislaturperioden von ihm gehört. Insofern glaube ich, dass seine Aussagen keiner Haltung entsprechen, sondern nur preiswertem Machtkalkül.

  • Die Aufregung über den Zugriff der AfD auf das Vorschlagsrecht für Vorsitzende in zwei wichtigen Ausschüssen war vor allem eine medial geschürte Aufregung. Denn das Vorschlagsrecht zu haben, heißt ja nicht, den/die Vorsitzende/n automatisch zu stellen. Die/der wird ja nach wie vor durch die Ausschussmitglieder gewählt; insofern ist ja gar nichts passiert. Ohne es genau zu wissen, glaube ich, dass es gegen den Vorab-Entzug des Vorschlagsrechts in den fraglichen Ausschüssen durchaus juristische Mittel gegeben hätte, gegen ein demokratisch und rechtskonformes Abstimmungsergebnis nicht. Die fraglichen Ausschüsse sind nun auch ohne Vorsitzende/n handlungsfähig - wo ist also das Problem?

  • Meiner Meinung nach akzeptiert die zum teilen rechtsradikale AfD weder das Grundgesetz noch die Menschenrechte. Diese sind, wenn überhaupt nur Mittel zum Zweck um diese Regeln abzuschaffen. Die AfD in gewisser Weise schlimmer als ein Virus, denn der Virus ist in der Regel nicht darauf bedacht seinen Wirt gänzlich zu vernichten. Die AfD aber sehr wohl, sie will das Miteinander in der Bundesrepublik des Grundgesetzes vernichten.

    • 4G
      47202 (Profil gelöscht)
      @Nico Frank:

      "Meiner Meinung nach akzeptiert die zum teilen rechtsradikale AfD weder das Grundgesetz noch die Menschenrechte."

      Und trotzdem läuft eine Type wie Höcke immer noch frei rum. Nicht nur das erschüttert meinen Glauben an einen Rechtsstaat. (Rechtsstaat - Doppelbedeutung)

  • Hohoho...da hate bestimmt der Weihnachtsmann seine Finger im Spiel.

    Demokratie ist ein gefährliches Ding, wenn gewaltbereite Extremisten gewaltbereite Extremisten in die Machtzentren wählen. Sehr gut, dass diese nun nicht an wichtigen Posten sitzen, denn das würde ihre Wirkung vervielfachen.

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Das Problem mit Brinkhaus ist das gleiche wie mit den aufrichtigen Polizisten: Solange die das Maul nicht aufkriegen, wenn's um den eigenen Laden geht, ist alle Integrität nichts wert.

    Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er sich öffentlich gegen die Kandidatur Maaßens in Stellung gebracht hätte. Google hat mich gerade darüber aufgeklärt, dass er mal 2019 nicht mit Maaßen auf der gleichen Partei-/Fraktionsveranstaltung sprechen wollte.

    Aber das reicht so nicht. Und dann nehme ich auch Brinkhaus nicht ernst, weil er dann doch nur billiges Roten-Bashing betreibt und lediglich die schöneren Worte findet. Am Ende besteht seine Modernität vor allem in Marktradikalität.

    Zurück zum Thema: Wir erleben gerade wie sich 1932 wiederholt - wie die Feinde der Verfassung sich in Stellung bringen.

    Aber wir könnten aus 1932 auch lernen, dass die Demokratie ihren Feinden die weiche Flanke hinhält, wenn sie unehrlich und ohne Werte agiert. Die CSU im Verkehrsministerium ist eine jahrelange offene, eitrige Wunde der Demokratie, das industriefreundliche Taktieren von Klöckner und Spahn ebenso, nicht zu vergessen wie Adenauer auf die Demokratie gesch*ssen hat und Kohl beim Geld auch die Sicherung durchgegangen ist. Die Liste der konservativen Vergewaltigungen der Demokratie ist länger als die Bibel...

    Die AfD erntet, was die CDU in über 50 Jahren Kanzlerschaft gesät hat.

    Dummerweise ist Amnesie-Olaf keine substanzielle Verbesserung und Christian Lindner und Diesel-Wissing erst recht nicht. ALB geriert sich gerade als ....... der Atlantik-Brücke...

    Harbeck ist in dieser ersten Reihe der einzige, der mit Werdegang und Aussagen einen Hoffnungsschimmer verbreitet.

    Die AfD muss gar nichts machen, die müssen nur darauf warten, dass ihnen die Demokratiezerstörer den sturmreif geschossenen Reichtag zu Füßen legen...

    • @05989 (Profil gelöscht):

      "Die AfD muss gar nichts machen, die müssen nur darauf warten, dass ihnen die Demokratiezerstörer den sturmreif geschossenen Reichtag zu Füßen legen..."



      Geht es nicht noch theatralischer?

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Man kann es nur immer wieder sagen:



    Die Grünen und die FDP haben sich und alle anderen demokratischen Parteien durch den freiwilligen Verzicht auf diesen wichtigen Ausschußvorsitz selbst in diese peinliche Situation gebracht.



    Da hilft es jetzt auch kaum, auf die AfD einzuschlagen.