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Neue Atomreaktoren in der UkraineEnergie für eine strahlende Zukunft

Mit einem amerikanischen Partner will das Land zwei Atomreaktoren bauen. Man will unabhängig von Russland und klimaneutral Energie erzeugen.

Das Kernkraftwerk im ukrainischen Chmelnyzkyj soll zwei neue Reaktoren bekommen Foto: Imago

Kiew taz | Die Ukraine will die Atomenergie weiter ausbauen. Am Montag unterzeichneten Petro Kotin, kommissarischer Präsident des ukrainischen staatlichen Atomkonzerns Energoatom, und Patrick Fragman, Präsident des US-amerikanischen Konzerns Westinghouse Electric, einen Vertrag über den gemeinsamen Bau von zwei Atomreaktoren mit jeweils 1.000 Megawatt Leistung im ukrainischen Chmelnyzkyj. Dort steht derzeit ein AKW mit zwei aktiven Reaktoren. Der Bau von zwei weiteren Reaktoren ist 1990 eingestellt worden. Bei der Vertragsunterzeichnung in Kiew waren auch Kristina Kvien, Geschäftsträgerin der Botschaft der USA in der Ukraine, und der ukrainische Energieminister Herman Halushchenko anwesend.

Die geplanten Reaktoren sind vom Typ AP1000. Diese Reaktoren verfügen laut Westinghouse über „einzigartige passive Sicherheitssysteme“ und können manövrieren, das heißt, sie können ihre Leistung kurzfristig je nach Situation dem Bedarf anzupassen. „Die Vereinbarung mit den Partnern von Westinghouse eröffnet eine neue Etappe in der Entwicklung der Atomenergie der Ukraine“, zitiert Westinghouse Petro Kotin in einer Pressemitteilung. Und diese, so Kotin, bedeuteten für sein Land energetische Unabhängigkeit. Nun sei man „Lokomotive auf dem Weg Europas zur Klimaneutralität. Energoatom wird mit seinen amerikanischen Partnern den Weg für eine grüne Wende hin zu sauberer und erschwinglicher Energie bereiten“, so Kotin.

Kotin will noch mehr. Bis 2040 plane man den Bau von 14 Atomreaktoren mit einer Leistung von insgesamt 24 Gigawatt, erklärte er auf der Konferenz „Nukleare Chancen für die Entwicklung des Landes“ am Montag in Kiew. Derzeit beträgt die Leistung der 15 ukrainischen Atomreaktoren an vier Standorten, die gut 50 Prozent des in der Ukraine verbrauchten Stroms liefern, 13,8 Gigawatt.

Olexi Pasyuk, stellvertretender Direktor der ukrainischen Umweltorganisation Ökodia, kritisiert das Vorhaben. „Da versprechen uns zwei Firmen, die beide in Turbulenzen sind, eine strahlende Zukunft“, so Pasyuk. „2017 hat die Insolvenz von Westinghouse einem Riesen wie Toshiba, zu diesem Zeitpunkt Besitzer von Westinghouse, das Genick gebrochen“, so Pasyuk. Westinghouse schaffe es in den USA nicht, Projekte fertigzustellen und neue Kunden zu gewinnen.

Energoatom müsse in den nächsten Jahrzehnten die meisten Reaktoren abschalten, ohne ausreichend Geld dafür zu haben. „Mich beunruhigt, dass die ukrainische Regierung bereit ist, mit Milliarden für Investitionen zu bürgen, die angesichts fallender Preise erneuerbarer Energien und steigender Preise der Atomenergie auch wirtschaftlich wenig Sinn machen.“ Nun werde es noch länger dauern, bis die Ukraine auf Erneuerbare umsteige. Die Ukraine, die Tschernobyl erlebt habe, könne doch jetzt schon die Folgekosten der Atomenergie kaum schultern.

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12 Kommentare

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  • Bernhard Clasen , Autor des Artikels, Journalist

    muss Punkt 3 korrigieren:

    bei der COP26 in Glasgow hat sich die Ukraine verpflichtet, bis 2035 aus der Kohle auszusteigen.

  • Bernhard Clasen , Autor des Artikels, Journalist

    Derzeit sehe ich im ukrainischen Energiebereich mehrere Entwicklungen:

    1. Ausbau der Atomenergie



    2. Ausbau der Erneuerbaren von derzeit 9 Prozent auf mindestens 25 Prozent.



    3. Ausstieg aus der Kohle bis 2030.



    4. Anschluß an das europäische Stromnetz Entsoe 2023

    Punkt 4 heißt: wir in Europa werden ab 2023 von der Ukraine viel Strom einkaufen. Und das wird in erster Linie, zu ca. 2 Dritteln, Atomstrom sein.

    Was können wir in Deutschland tun?



    Wir müssen der Ukraine helfen, die erneuerbaren Energie auszubauen. Damit diese den Wettlauf mit der Atomenergie gewinnen.

  • Liest sich mensch den Wikipedia-Artikel zu AP1000 durch, dann erfüllt es einem nicht gerade mit warmen Gefühlen.

    Dieser Satz:

    "On 28 March 2017, the Office for Nuclear Regulation (ONR, UK) issued a Design Acceptance Confirmation for the AP1000 design, stating that 51 issues identified in 2011 had received an adequate response.[79][80] However, the following day the designer, Westinghouse, filed for Chapter 11 bankruptcy in the U.S. because of $9 billion of losses from its nuclear reactor construction projects, mostly the construction of four AP1000 reactors in the U.S."

    sagt viel. Der EPR in Frankreich ist auch eine finanzielle Ruine, so sehr so, dass der Staat einsteigen musste.

    Ich behaupte: Atomkraft war so lange rentabel so lange das Militär (-> die Steuerzahler*in), aus strategischen Gründen den Hauptteil der Rechnung trug.

    Kommt es unter Preisdruck, schlampen die Betreiber. Und das ist bei Kernspaltung... spannend.

    [1] en.wikipedia.org/wiki/AP1000

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Im Zweifel können die dann Strim liefern wenn es 2040 nicht mit den Windrädern geklappt hat. Sogar Co2 neutral.

  • Mit der Ukraine haben sich die USA einen neuen Vasallen aufgebaut. Und auch das ist Europa, wie es kaum schlimmer sein kann.

  • Wie soll in einem Land, dass einer so stark verbreiteten Korruption Reaktoren bauen, die alle Sicherheitsstanddarts einhalten? Bei all den Problemen in England, Finnland und Frankreich, mit Materialfehlern und so weiter kommt einem bei diesem Projekt das Gruseln.

    • @syle x:

      Sie haben vollkommen recht. Gruselig. Wenn nicht einmal Länder wie Japan und die Ukraine die Finger von Kernkraftwerken lassen, dann hat die Atomlobby ganze Arbeit geleistet. Der nächste größere Zwischenfall ist nur eine Frage der Zeit.

    • @syle x:

      Wenn´s schief geht wird der Westen schon für die Sicherung des havarierten Reaktors zahlen weil auch der ein Interesse daran hat, dass sich das strahlende Material nicht übr halb Europa verteilt.



      In Bayern müssen immer noch rund 10% der geschossenen Wildschweine speziell entsorgt werden weil sie zu sehr mit Cäsium-137 belastet sind. Bei einzelnen Exemplaren wurden über 10.000 Bq/Kg gemessen. Der Grenzwert liegt bei 600.

    • @syle x:

      Ukraine heute: 268g CO2 / kWh



      Deutschland: 446g CO2 / kWh

      Trotz Tschernobyl wollen sie unbedingt weg von der Kohleverstromung, weil sie da von russischen Lieferungen abhängig sind.

      • @Descartes:

        Mir ist unklar inwiefern, sich ihr Beitrag auf den meinigen bezieht. Bei mir ging es auf um Sicherheit u. Korruption nicht um CO2.

        Zu Ihrem Argument: Das ist richtig. Klimatechnisch besser als Kohle zu sein ist aber auch keine sehr hohe Latte, bei 15-20 Jahren Bauzeit für das erreichen des 1,5 o. 2-Gradziel zudem reichlich spät.

        • Bernhard Clasen , Autor des Artikels, Journalist
          @syle x:

          In zwei Jahren wird die Ukraine wohl an das europäische Netz ENTSO-E angeschlossen sein. Und dann bekommen wir in der EU billigen ukrainischen Atomstrom.



          Zurück bleiben in der Ukraine der Atommüll und das "Restrisiko".

          • @Bernhard Clasen:

            "Und dann bekommen wir in der EU billigen ukrainischen Atomstrom."



            Man vergleiche hierzu Frau Baerbock: "Klar ist jedoch: Versorgungssicherheit kann inzwischen nicht mehr national, sondern muss im europäischen Kontext gedacht werden."



            Quelle: annalena-baerbock....etze-und-speicher/



            Passt doch.